Radfahrer in den Bergen
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Lieferengpässe

Pandemie lässt Fahrradmarkt abheben

Die Coronavirus-Pandemie hat dem heimischen Fahrradmarkt einen Aufschwung beschert – und das in ganz Österreich. Nicht nur in den Städten wird mehr geradelt und dazu ein neues Rad gekauft – auch in ländlichen Gebieten boomt Fahrradfahren, wenn auch mitunter mit anderem Ziel. Den „Lock-down“ haben viele Händler überstanden, sie konnten die Ausfälle oft kompensieren. Nun blickt die Branche gebannt auf den Herbst.

Egal, wo man hinschaut: Es wird viel mehr geradelt in Österreich. Von Vorarlberg bis Graz hieß es unisono auf Nachfrage von ORF.at, dass der Radverkehr in den vergangenen Wochen deutlich zugenommen habe. Dabei zeigt sich am Beispiel Graz, dass es auf Strecken mit Uni- und Schulverkehr naturgemäß ruhiger war, andere Strecken dafür stärker genutzt wurden. Mehr Leute nutzen das Rad, und immer öfter ein E-Bike, für den Weg in die Arbeit oder zum Einkaufen, wie etwa in Vorarlberg, sagt die lokale Radkoordinatorin Anna Schwerzler.

Entsprechend die Nachfrage im heimischen Handel: Radwerkstätten sind ausgebucht, bei manchem Händler kommt man telefonisch oft nur nach mehrmaligen Anläufen durch, und wer ein bestimmtes Fahrrad sucht, wird nicht selten auf nächstes Jahr vertröstet, denn heuer sind viele Lager bereits leergefegt. Das liegt einerseits an dem im Juli auslaufenden Modelljahr, sagt Christian Pekar, im Wirtschaftskammer-Gremium Mode und Freizeithandel Ansprechperson für Fahrrad sowie Geschäftsführer der Cooperative Fahrrad in Wien.

Großhändler und Produzenten sind andererseits wegen der stark gestiegenen Nachfrage, vor allem nach dem „Lock-down“, auch ganz einfach ausverkauft, sagt der ehemalige Rennradprofi Bernhard Kohl, der im Süden Wiens ein Radgeschäft betreibt. Wer zu wenig vorbestellt habe, könne mangels Lagerware nichts mehr verkaufen und auch nicht nachordern, so Kohl. Dazu komme, bestätigt auch Einkaufsleiter Rene Gorissen von Bründl Sports in Kaprun, ein Lieferengpass, weil viele Hersteller ihre Teile in Asien produzieren und auch dort einige Wochen Stillstand herrschte und die Lieferwege stark eingeschränkt waren.

Mehr Nachfrage in Ballungsgebieten

Hatte der Verband der Sportartikelerzeuger und Sportausrüster Österreichs (VSSÖ) im Mai noch mit Umsatzeinbußen von bis zu 50 Prozent und hohen Lagerhaltungskosten gerechnet, so heißt es von den großen Händlern gegenüber ORF.at nun, dass die wochenlangen Schließungen im Einzelhandel aufgeholt und teilweise mehr als kompensiert werden konnten. Einige Händler sprechen von einem guten zweistelligen Wachstum – vorausgesetzt, die Lager waren gefüllt. Größere Händler mit entsprechendem Kapital hatten da mehr Spielraum, kleinere hingegen sicher mehr zu kämpfen.

Grafik zu den E-Bike-Marktanteilen 2019
Grafik: ORF.at; Quelle: VSSÖ

Offizielle Zahlen zum Fahrradabsatz in Österreich gibt es nur jährlich, vom VSSÖ. 2019 wurden laut den im Mai publizierten Zahlen demnach 439.000 Räder verkauft. Das liegt leicht über dem Durchschnitt der 2010-Jahre von 413.500 Stück. Der E-Bike-Boom zeigte sich zuletzt sowohl am Absatz als auch dem Durchschnittspreis der verkauften Fahrräder.

Von 2016 auf 2019 verdoppelte sich die Zahl der verkauften E-Bikes und liegt nun bei 39 Prozent – E-Bikes sind aufgrund des höheren Preises auch für über zwei Drittel des Gesamtumsatzes verantwortlich. Von 2018 auf 2019 stieg der Durchschnittspreis eines verkauften Fahrrads um 25 Prozent auf 1.585 Euro, 2015 lag er noch bei 780 Euro.

E-Bikes für alle Lebenslagen

E-Bikes sind auch weiterhin der Renner, und das für alle Lebenslagen. Naturgemäß kommt es dabei auf das Einsatzgebiet an: Bründl Sports etwa verkauft im auf rund 800 Meter Seehöhe gelegenen Kaprun fast nur Mountainbikes, und da zu 70 Prozent E-Bikes, speziell für gezielte Fahrradtouren am Wochenende. Der Weg zur Arbeit sei mit durchschnittlich 25 bis 30 Kilometern meist zu weit, so Gorissen, auch wenn die Strecken durch den Tourismus meist gut ausgebaut seien.

In Ballungsräumen wie Graz und Wien, aber auch in radtechnisch gut erschlossenen Gebieten wie in Vorarlberg wird das Rad auch statt öffentlicher Verkehrsmittel für Alltagswege viel genutzt. Laut Mobilitätsmonitor 2017 werden etwa in Vorarlberg jährlich 640 Kilometer mit dem Rad gefahren, mit dem E-Bike sind es über 300 Kilometer mehr – allerdings vor allem im Zentralraum größerer und kleinerer Gemeinden. Der österreichische Durchschnitt wird auf rund 250 Kilometer pro Person geschätzt.

„Wiederentdeckung“ des Fahrrads

„Normale“ Räder seien ebenso gefragt, heißt es von Pekar und dem Fahrradhersteller KTM in Mattighofen, der von einem Nachfrageplus von 25 Prozent spricht. Es gebe eine „Wiederentdeckung“ des Fahrrads, sagt Pekar. Im Prinzip werde alles verkauft, so KTM. Die stärkste Nachfrage gebe es nach Trekkingrädern, laut Bründl Sports ist auch das Gravel-Rad, eine Art geländegängiges Rennrad mit profilierten Reifen, im Aufwind. Auffallend ist laut KTM, dass gerade hochpreisige Räder von entsprechend kaufkräftiger Kundschaft nachgefragt werden.

Radfahrerin nahe dem Donaukanal in Wien
ORF.at/Dominique Hammer
Das Fahrrad gewinnt auch als Fortbewegungsmittel im Alltag zunehmend an Bedeutung

Ein Wermutstropfen bei all dem Boom sind die Tourismusgebiete, in denen aufgrund der ausbleibenden Gäste auch die Vermietungen in den vergangenen Monaten spürbar zurückgegangen sind. Die Hauptsaison fange aber ohnedies jetzt an, heißt es von Bründl Sports, im Moment setze man neu gelieferte Räder – sofern welche kommen – in der Vermietung ein.

Die neuen Modelle seien aber schon in der Pipeline und sollten in den nächsten Wochen geliefert werden, so Kohl und Gorissen. Die Planung für das nächste Geschäftsjahr läuft bereits, im Juli müsse die komplette Bestellung für 2021 aufgegeben werden, sagt Kohl. Auch von KTM heißt es, ein Händler müsse heute schon wissen, was er im März verkaufe, weil auch die Hersteller ihre Kapazitäten planen und nicht ewig erweitern könnten. Nun wartet auch die Radbranche ab, wie sich die Pandemie in den kommenden Wochen und vor allem im Herbst entwickelt.