Ghislaine Maxwell
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Schlüsselfigur in Epstein-Skandal

Ghislaine Maxwells Taktik vor Gericht

Dem verstorbenen US-Milliardär Jeffrey Epstein und seiner engsten Vertrauten werden zahllose Verbrechen zur Last gelegt – doch vor Gericht steht Ghislaine Maxwell nun allein. Ihr wird am Dienstag die Anklage verlesen. Die reiche Britin stellt ihr Verhältnis zu Epstein nun als abgekühlt dar und wehrt sich gegen das Gefängnis – wegen des Coronavirus.

Zahlreiche Missbrauchsopfer Epsteins beschuldigen Maxwell als Mittäterin. Die 58-Jährige soll Epstein geholfen haben, systematisch Mädchen und junge Frauen zu missbrauchen und zur Prostitution anzustiften. Ihr werden sechs Anklagepunkte vorgeworfen, darunter Verführung Minderjähriger zu illegalen sexuellen Handlungen und Meineid. Auf die Anklagepunkte stehen jeweils Höchststrafen von fünf bis zehn Jahren im Gefängnis.

Am Dienstag ist der nächste Gerichtstermin, dann wird ihr in New York offiziell die Anklage vorgelesen und über eine mögliche Freilassung auf Kaution entschieden. Maxwells Anwälte versuchen, sie von Epstein zu distanzieren. Die beiden hätten vor seinem Tod mehr als zehn Jahre lang keinen Kontakt mehr gehabt, teilten sie in einem an das Gericht adressierten Dokument mit, wie die „New York Times“ berichtete. „Ghislaine Maxwell ist nicht Jeffrey Epstein.“ Maxwell habe die Vorwürfe gegen sie immer zurückgewiesen.

Flucht vor Medien und Covid-19

Zudem baten die Anwälte darum, Maxwell gegen eine Kaution von fünf Millionen Dollar freizulassen. Es bestehe das Risiko, sich im Gefängnis mit dem Coronavirus anzustecken, hieß es in dem Schreiben. Maxwell habe auch in den vergangenen Monaten nicht so zurückgezogen gelebt, um der Strafverfolgung zu entgehen, sondern der „unerbittlichen und aufdringlichen Medienberichterstattung“. Es bestehe kein Fluchtrisiko, so das Argument.

Ghislaine Maxwell mit Jeffrey Epstein auf einem Plakat der Staatsanwaltschaft
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Maxwell und Epstein (hier auf einem Plakat der Staatsanwaltschaft) verkörperten damals Erfolg und Reichtum

Der 66-jährige Epstein hatte sich im vorigen Sommer nach seiner Verhaftung in einer New Yorker Gefängniszelle erhängt. Seither war Maxwell untergetaucht, über ihren Aufenthaltsort gab es wilde Spekulationen. Kürzlich wurde sie verhaftet, in einem kleinen Ort im nordöstlichen US-Bundesstaat New Hampshire. Am Ende einer Sackgasse mitten in der Natur soll die 58-Jährige Medienberichten zufolge im Dezember für eine Million Dollar in bar (etwa 880.000 Euro) und geschützt durch eine Tarnfirma das Anwesen „Tuckedaway“ (auf Deutsch etwa: Versteckt) gekauft haben.

Bei ihrer Festnahme soll sich Maxwell den Anordnungen des FBI widersetzt haben. Die Beamten hätten die Eingangstür zu ihrem Haus gewaltsam öffnen müssen, heißt es in einem Schreiben der Bundesanwaltschaft von Manhattan, das am Montag bei Gericht eingereicht wurde.

Mysteriöser Tod des Vaters

Maxwell gilt als wichtige Protagonistin im Epstein-Skandal und ist eine schillernde Figur – allein schon durch ihre Familiengeschichte. Sie war das neunte Kind des britischen Medienzaren Robert Maxwell und der französischstämmigen Holocaust-Forscherin Elisabeth Meynard. Vater Maxwell verschwand 1991 von der Jacht, die er nach seiner Tochter benannt hatte, der „Lady Ghislaine“. Das Schiff wurde vor den Kanaren entdeckt, die Leiche Maxwells später im Meer. Um die Todesursache ranken sich seither zahllose Gerüchte.

Nach seinem Tod wurde bekannt: Robert Maxwell hatte viel Geld aus der Pensionskasse seiner Verlage gestohlen, um einen Bankrott seines Imperiums abzuwenden. Die Familie dementierte strikt, dass es sich um Suizid handeln könnte. Ghislaine Maxwell selbst glaubte an Mord, konnte aber keine Beweise liefern.

Mit Epstein liiert

Geboren in Frankreich und aufgewachsen in der Nähe des englischen Oxford, siedelte Ghislaine Maxwell nach dem Tod ihres Vaters in die USA über. In New York arbeitete sie für ein Wohnungsunternehmen und lernte auf einer Party den Investmentbanker Epstein kennen. Einige Jahre waren sie liiert, später sprach er von seiner „besten Freundin“.

Maxwells beste Kontakte zur britischen High Society stehen nun auch im Mittelpunkt des Verfahrens. Sie hatte Epstein mit Prinz Andrew bekannt gemacht, dem nun ebenso eine Verwicklung in den Missbrauchsskandal vorgeworfen wird. Eine Frau behauptet, dass er sie als Minderjährige missbraucht habe. Mit einem BBC-Interview wollte der 60-Jährige sich zur Wehr setzen, doch das Gespräch geriet zum PR-Debakel. Prinz Andrew wurde als unglaubwürdig und wenig einfühlsam wahrgenommen. Seither zieht sich der Herzog von York zurück.

Prince Andrew, Ghislaine Maxwell und Jeffrey Epstein
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Beste Kontakte: Prinz Andrew (2. v. l.), Maxwell (4. v. l.) und Epstein (5. v. l.) in Ascot im Jahr 2000

Andrew will von den Machenschaften seines Freundes Epstein nichts mitbekommen haben. Auch die Bekanntschaft zu der Frau, die ihn beschuldigt, stritt er ab, obwohl ein gemeinsames Foto zusammen mit Maxwell existiert. Prinz Andrew hatte Maxwell und Epstein des Öfteren auf verschiedenen Anwesen des US-Milliardärs besucht. Der Missbrauch der Dutzenden Frauen und Mädchen fand laut Anklageschrift hauptsächlich in Epsteins Häusern in New York, Palm Beach und Santa Fe sowie in Maxwells Wohnsitz in London statt.

Organisation eines Systems

Auch auf dem Gebiet der Amerikanischen Jungferninseln soll Epstein auf seinen zwei Privatinseln Dutzende minderjährige Mädchen vergewaltigt und gefangen gehalten haben. Laut Generalstaatsanwältin Denise George habe er dort ein „umfassendes System des Menschenhandels und des sexuellen Missbrauchs junger Frauen“ betrieben. Ihren Angaben zufolge wurden Mädchen im Alter zwischen elf und 17 Jahren mit dem Schiff, Hubschrauber und Flugzeug zu Epsteins Luxusanwesen Little Saint James auf den Jungferninseln gebracht. Epstein hatte laut George auch eine Datenbank angelegt, um die Verfügbarkeit und die Bewegungen von Frauen und Mädchen nachverfolgen zu können.

Bei vielen Fällen – die Anklagepunkte beziehen sich auf die Jahre 1994 bis 1997 – soll Maxwell Epsteins Komplizin gewesen sein. Sie soll Beziehungen zu den mutmaßlichen Opfern aufgebaut und ihr Vertrauen erschlichen haben. Maxwell soll laut Anklage die Frauen und Mädchen überzeugt haben, Epstein nackt zu massieren, woraufhin sie von dem Millionär missbraucht wurden. Zudem wird ihr vorgeworfen, die Reise von Minderjährigen zu Häusern Epsteins organisiert zu haben. Über mögliche Motive Maxwells gibt es keine Informationen.