Lehrling in Werkstätte
ORF.at/Carina Kainz
Weniger Arbeitslose

Wieder mehr in Kurzarbeit

Die in den vergangenen Wochen gesunkene Zahl der Personen in Kurzarbeit in Österreich ist zuletzt wieder angestiegen. Aktuell sind 454.171 Menschen in Kurzarbeit, gab Arbeitsministerin Christine Aschbacher (ÖVP) am Dienstag bekannt. Vor einer Woche waren es lediglich 403.382. Der leichte Anstieg sei zu erwarten gewesen, weil Betriebe noch rückwirkend Verlängerungsanträge stellen können, hieß es.

Gemeinsam mit den Sozialpartnern arbeite man mit Hochdruck an einem neuen Kurzarbeitsmodell, das längerfristig auch den je nach Branche unterschiedlichen Anforderungen gerecht werden soll. Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) verwies am Dienstag auf einen Ministerrat am 29. Juli. Ihr Wunsch an die Sozialpartner sei es, rund um dieses Datum schon eine Richtung sagen zu können, wohin es gehen solle.

ÖGB-Chef Wolfgang Katzian hatte zuletzt darauf verwiesen, dass einige Branchen, etwa die Industrie, den Einbruch erst im Herbst so richtig zu spüren bekommen würden. „Deshalb brauchen wir dringend ab Oktober eine neue Kurzarbeitslösung, und die soll schon anders sein“, meinte er in einem Interview in der Zeitung „Österreich“. Dem ÖGB schwebt dabei eine bestimmte Mindestarbeitszeit, etwa 40 Prozent, vor – und jedenfalls keine Bandbreite mehr von zehn bis 100 Prozent.

Kurzarbeit im Handel nimmt stark ab

Dass die Industrie bereits stärker Kurzarbeit benötigt, zeigen auch die jüngsten wöchentlichen Daten, die Aschbacher wie jeden Dienstag vorlegte. Demnach kommt von den aktuell rund 35.000 vorliegenden Kurzarbeit-Verlängerungsanträgen mehr als ein Drittel aus der Warenproduktion, also vor allem der Industrie, und nur noch 15 Prozent aus dem Handel – auf dem Höhepunkt der Krise waren die beiden Sektoren etwa gleich stark vertreten. Neben bestimmten Industriezweigen hatte ÖGB-Chef Katzian auch die Stadthotellerie und die Luftfahrt als Bereiche genannt, „die in sechs Monaten nicht hochkommen werden“. Das neue Modell müsse auch ein bis zwei Jahre nutzbar sein.

Pressekonferenz: Aktuelles zu Beschäftigung und Wirtschaftsstandort

Über die Themen Beschäftigung und Wirtschaftsstandort sprechen Arbeitsministerin Christine Aschbacher (ÖVP) und Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck.

Seit voriger Woche sind die davor gesunken Kurzarbeitszahlen in Österreich wieder angestiegen, das sei zu erwarten gewesen, weil Betriebe auch noch rückwirkend Verlängerungsanträge stellen können, so Aschbacher. Bis zur vorigen Woche hatte sich die Kurzarbeit binnen sieben Tagen fast halbiert. Gegenüber dem Höhepunkt der Krise beträgt der Rückgang bis zum heutigen Tag immerhin rund 900.000 Personen. Bisher seien 3,5 Mrd. Euro an Kurzarbeitsgeldern ausbezahlt worden, sagte Aschbacher. Bisher seien 292.000 Abrechnungen bearbeitet worden, und 43.000 Unternehmen hätten bereits sämtliche Monatsüberweisungen erhalten.

438.421 ohne Job

Ohne Job sind in Österreich aktuell 438.421 Menschen, etwas weniger als vorige Woche. Davon sind 390.541 Personen arbeitslos gemeldet, und 47.880 Personen befinden sich in Schulung. Die Arbeitslosenzahlen seien binnen einer Woche um rund 3.700 zurückgegangen.

Im Vergleich zum Krisenhöhepunkt sei die Arbeitslosenzahl um rund 146.000 Personen gesunken, so die Ministerin in dem gemeinsamen Pressegespräch. So viele Menschen seien somit wieder in Beschäftigung gebracht worden, davon sei „jeder einzelne ein Erfolg“.

Lehrstellensuche als große Herausforderung

Eine große Herausforderung sei aber nach wie vor bei der Jugendbeschäftigung gegeben, aktuell seien 64.370 unter 25-Jährige in Arbeitslosigkeit oder Schulung. Österreichweit habe die Lehrstellenlücke Ende Juni 2.700 betragen, es seien also 7.700 Lehrstellensuchenden lediglich 5.000 beim Arbeitsmarktservice (AMS) gemeldete Stellen gegenübergestanden. Besonders groß sei die Lücke in Wien, sagte Aschbacher, wo es zuletzt 300 offene Lehrstellen, aber 3.400 Lehrstellensuchende gegeben habe. Demgegenüber gebe es zum Beispiel in Oberösterreich lediglich doppelt so viele Lehrstellensuchende wie Lehrstellen.

Zum Schließen der Lehrstellenlücke habe man eine Taskforce zur Jugendbeschäftigung gebildet, der auch Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) angehöre. Jede und jeder soll einen Platz im schulischen Ausbildungsbereich oder eine Lehrstelle bekommen, lautet das Credo der Arbeitsministerin. Ein neues „Programm für 1.000 Jugendliche“ solle 20- bis 30-Jährigen das Nachholen des Lehrabschlusses oder den Wiedereinstieg in den Beruf ermöglichen.

Gesucht würden Produktionsbetriebe zur Ausbildung, aber auch Firmen, die die Facharbeiter danach beschäftigen. Abgewickelt werden soll das Projekt übers AMS, man gehe im Schnitt von einer zweijährigen Ausbildung aus, während der Bund Hilfe gebe – also maximal halb so lang wie üblicherweise die Ausbildung dauert. Schramböck sagte, im Rahmen dieser Jugendstiftung stünden 11.700 Euro pro Lehrling zur Verfügung. Laut Aschbacher werden die Praktika ebenfalls bezahlt vom AMS, und zwar in gleicher Höhe wie das Arbeitslosengeld.

Absage an Wunsch nach Arbeitszeitverkürzung

Aschbacher und Schramböck erteilten in ihrer Pressekonferenz den Wünschen von SPÖ und Gewerkschaften nach einer Arbeitszeitverkürzung eine klare Absage. „Jetzt ist nicht das richtige Timing, um eine Arbeitszeitverkürzung zu diskutieren“, betonte Aschbacher in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Schramböck zu den wöchentlichen Arbeitslosen- und Kurzarbeitszahlen.

Schramböck sprach sich „als Wirtschaftsministerin ganz klar gegen eine Arbeitszeitverkürzung“ aus. Auch könne man das nicht über einen Kamm scheren. Das Einzige, was helfe, sei eine Flexibilisierung „und nicht mit der Gießkanne drüberzufahren und die Unternehmen zu schädigen“.

Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck und Arbeitsministerin Christine Aschbacher
APA/Helmut Fohringer
Beide ÖVP-Ministerinnen sprachen sich gegen Arbeitszeitverkürzung aus

Schramböck kritisiert Banken

Schramböck übte zudem Kritik an der Zurückhaltung von Banken bei Krediten an Kleinbetriebe, selbst wenn diese Ausleihungen nach einer neuen EU-konformen Regelung bis zu 100 Prozent staatlich garantiert sind. Zu Klassifizierungen wie „Zombie-Unternehmen“ sagte sie, sie erwarte sich von der Finanzbranche einen sorgsamen Umgang mit der Sprache. Mit diesem Thema sei „in Österreich und im gesamten deutschsprachigen Raum ein anderer Umgang gefragt“, denn auch die rund 5.000 Insolvenzen, die es im Schnitt jährlich in Österreich gebe, seien „keine Zombie-Unternehmen“.

Der WKÖ-Spitzenvertreter des Bankensektors, Franz Rudorfer, und Erste-Bank-Österreich-Chef Peter Bosek hatten zuletzt unisono betont, Banken müssten sich die Rückzahlbarkeit bei jedem Kredit ansehen, auch bei garantierten Krediten. Und Creditreform-Chef Gerhard Weinhofer hatte – nicht als Erster – davor gewarnt, dass bei fehlendem Businessplan oder zu dünner Kapitaldecke „sogenannte Zombie-Unternehmen gezüchtet werden“ könnten.

Im Übrigen gelte die Neuregelung, dass sich Kleinst- und Kleinbetriebe bis zu 200.000 Euro Kredit zu 100 Prozent mit Staatsgarantie ausgestattet holen könnten, erst ab kommendem Samstag und nicht bereits seit Montag dieser Woche, wie verschiedentlich zu hören war. Denn das grüne Licht der EU-Kommission sei erst für Freitag zu erwarten. Profitieren könnten davon Unternehmen, bei denen 50 Prozent des Eigenkapitals aufgebraucht seien. Insgesamt lägen 14.500 Anträge bei der austria wirtschaftsservice (aws), dabei gehe es um jeden fünften Betrieb, also um 2.500 Unternehmen in Österreich. „Da werden die Banken in Österreich nicht in Schwierigkeiten geraten, wenn sie diesen helfen.“

KMU bauten zehn Prozent des Mitarbeiterstands ab

Laut einer Umfrage der freien Wirtschaftsverbände – darunter die Österreichische Hoteliervereinigung, der Handelsverband, der Gewerbeverein, der Senat der Wirtschaft sowie das Forum EPU – beschäftigten heimische Klein- und Mittelbetriebe (KMU) im Juni im Schnitt zehn Prozent weniger Personal als vor einem Jahr. Von den verbleibenden Mitarbeitern war zum Zeitpunkt der Befragung etwa ein Drittel in Kurzarbeit.

Für das Gesamtjahr 2020 gehen die 500 befragten Unternehmen von Einnahmenausfällen im Ausmaß von über einem Drittel (38,8 Prozent) aus. Bei der ersten Umfrage im Mai lag der coronavirusbedingte Umsatzrückgang noch bei 498.000 Euro. Trotz Lockerung der Maßnahmen zeigten sich die Unternehmen nun noch pessimistischer und gehen von einem Rückgang von im Schnitt 635.000 Euro aus.

In Summe wurden für die Untersuchung knapp über 800 Unternehmen befragt, wobei rund 300 davon Einpersonenunternehmen (EPU) waren. Unter den EPU ist der erwartete Umsatzrückgang besonders dramatisch: Sie gehen heuer von einem Umsatzrückgang von fast 45 Prozent aus. Im Handel sind es 37 Prozent.

Investitionsbereitschaft der Firmen gesunken

Mit den Umsätzen hat auch die Investitionsbereitschaft der Firmen abgenommen. Wurde das Ausmaß der Investitionsrückgänge bei der ersten Umfrage vom Mai noch mit 354.000 Euro je Betrieb angegeben, so lagen sie im Juni bei im Schnitt 460.000 Euro.

Besser als noch vor einem Monat bewerten die Unternehmen die Bemühungen der Bundesregierung, den wirtschaftlichen Folgen der Pandemie entgegenzutreten. Kritisierten bei der ersten Befragungswelle 67 Prozent der Betriebe die Maßnahmen als praxisfremd, wird die neue degressive Abschreibung (AfA) von 40 Prozent der Unternehmen begrüßt und die Investitionsprämie von 35 Prozent.

„Vier von zehn Unternehmern befürchten, dass es ihr Unternehmen zu Weihnachten nicht mehr gibt – auf gut Wienerisch ‚eine schöne Bescherung‘“, so die freien Wirtschaftsverbände. Die Interessenvertreter forderten erneut ein Vorziehen der Steuerreform und die Zuführung von Eigenkapital.