Christian Pilnacek
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„Ibiza“-Ausschuss

Pilnacek ortet Kampagne gegen seine Person

Im „Ibiza“-Untersuchungsausschuss hat am Mittwoch die Befragung von Christian Pilnacek, Strafrechtssektionschef im Justizministerium, begonnen. Der ranghohe Beamte sagte in seiner einleitenden Stellungnahme, dass ein „System Pilnacek“ eine Unterstellung sei. „Ich war nie in einem politischen Kabinett und gehöre keinem Netzwerk an.“ Die Befragung durch NEOS wurde dann doch etwas lauter.

Zu Beginn erklärte Pilnacek, dass er „ausschließlich Diener des Staates“ sei. Zunächst schilderte er seine Laufbahn, in der er an wichtigen Gesetzesvorhaben mitgearbeitet habe, etwa die Reform der Strafprozessordnung im Jahr 2003. Er sei kein Parteimitglied und habe seine Karriere allein seiner Leistung, Mitarbeitern und Vorgesetzten zu verdanken. Er sprach von einer seit einem Jahr anhaltenden Kampagne von NEOS gegen ihn. Diese gipfelte darin, dass NEOS in einer Anfrage an die Justizministerin eine Anzeige gegen ihn veröffentlichte, so Pilnacek. Auch Ministerin Alma Zadic (Grüne) kritisierte, dass die Anzeige nicht anonymisiert wurde.

Der Ausschuss tagt am Mittwoch und am Donnerstag letztmalig vor der Sommerpause. Befragt werden Vertreter und Vertreterinnen der Justiz. Im Fokus stehen mehr oder weniger „Ermittlungspannen“ und der Streit zwischen den Behörden, die federführend die „Ibiza-Affäre“ aufklären wollen: die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA), die unter anderem einen möglichen Gesetzeskauf im Blick hat, und die Sonderkommission „SoKo Ibiza“, die im Auftrag der WKStA etwa das „Ibiza-Video“ besorgen sollte.

Christian Pilnacek
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Pilnacek auf dem Weg zu seiner Befragung im „Ibiza“-U-Ausschuss am Mittwoch

Debatte über Anordnung und Ersuchen

Am 20. April hatte die „SoKo Ibiza“ bei einer Hausdurchsuchung stundenlange Video- und Audioaufnahmen beschlagnahmt. Allerdings teilte man den Fund nur der Staatsanwaltschaft (StA) Wien mit, nicht aber der WKStA. Beide Staatsanwaltschaften hatten den Ermittlern den Auftrag erteilt, das „Ibiza-Video“ zu finden. Die WKStA hatte vom Fund erst Ende Mai über Medien erfahren. Pilnacek sagte im Ausschuss, dass er vom Fund telefonisch von Maria-Luise Nittel, Leiterin der StA Wien, informiert wurde. Freilich hätte die StA oder die SoKo die WKStA anrufen können und sagen: „Hey Leute, wir haben das Video.“ Aber über Inhalte dürfe man keine Auskunft geben.

Das sei deshalb wichtig, weil die beiden Staatsanwaltschaften zu zwei unterschiedlichen Themen ermitteln – die WKStA zum Gesagten im „Ibiza-Video“, die StA Wien zu den Hintermännern. SPÖ-Mandatar Kai Jan Krainer legte einen Entwurf einer Anfragebeantwortung vor, wonach für die WKStA-Ermittlungen weniger SoKo-Beamte arbeiten als für die StA-Wien-Ermittlungen. Pilnacek bestätigte das, wies aber auch darauf hin, dass in der WKStA die Staatsanwälte sehr viel selbst machen, deswegen nicht so viel Bedarf an Kriminalpolizisten aus der SoKo habe. Die WKStA habe auch mehr Personal als die StA Wien.

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Die StA Wien habe aber auch den Auftrag zur Hausdurchsuchung gegeben, bei der zufällig das Video gefunden worden sei, so Pilnacek. Ob es eine Anordnung zur Sicherstellung gab, das wisse er nicht. Die WKStA sei ja schon im Mai 2019 „ersucht“ worden, das Video aufzustellen, sagte die Auskunftsperson auf eine Frage von SPÖ-Fraktionschef Kai Jan Krainer, der jedoch meinte, es müsse eine Anordnung gewesen sein, kein Ersuchen. „Mitnichten“, sagte Pilnacek, aber „ich lade Sie gern ein, die Strafprozessordnung zu kommentieren“. Krainer lehnte ab. Eine Anordnung zur Sicherstellung sei mit Zwang verbunden, eine Ermittlungsanordnung nicht, betonte Pilnacek.

WKStA wollte Video nicht

Pilnacek gestand in der Erstbefragung durch den neu gewählten Verfahrensrichter Wolfgang Pöschl, dass es Auffassungsunterschiede zwischen den ermittelnden Behörden gebe. Die „SoKo Ibiza“ steht sowohl der StA Wien als auch der WKStA zur Verfügung. Es sei auch wahrscheinlich gar nicht schlecht, dass zwei Staatsanwaltschaften in der „Ibiza-Affäre“ ermitteln. Pilnacek sah ein, dass die WKStA nicht goutiert, dass sie nicht von der Sicherstellung des Videos informiert wurde, er habe das auch hinterfragt. Er finde es aber interessant, „dass man verlangt, dass man immer über alles informiert sein muss“.

Pilnacek bestätigte auch einen Bericht des „Kurier“, wonach die WKStA das „Ibiza-Video“ erst gar nicht annehmen wollte. Es gab eine Weisung der Oberstaatsanwaltschaft (OStA) Wien. Allerdings wollte die Behörde dann das versiegelte Kuvert, in dem sich unter anderem ein 400-seitiger SoKo-Bericht zum „Ibiza-Videos“ befand, nicht öffnen. Die Weisung der OStA an die WKStA halte Pilnacek für richtig. Er selbst habe weder das ganze Video gesehen noch den Bericht gelesen.

FPÖ-Faktionsführer Christian Hafenecker fragte Pilnacek, ob er wisse, dass das „Ibiza-Video“ schon im Frühjahr 2018, also vor der Veröffentlichung im Mai 2019, im Zuständigkeitsbereich des Innenministeriums bekannt gewesen sei – und ob die StA Wien es damals schon beantragt habe? Pilnacek meinte, das müsse man nicht ihn fragen, sondern die Leiterin der StA Wien.

Tiefer Riss zwischen Behörden

Die Behörden misstrauen einander seit Beginn der Ermittlungen. Die WKStA vermutete etwa im Zuge der „Schredderaffäre“, dass Beamte der SoKo befangen seien und parteipolitisch agieren. Die SoKo, die im Bundeskriminalamt eingesetzt wurde, fühlte sich angegriffen. Laut Pilnacek wollte die WKStA nicht, dass ÖVP-nahe Polizisten tätig werden. Der damalige Justizminister und Vizekanzler Clemens Jabloner habe diesbezüglich zu einer Besprechung gebeten, sagte die Auskunftsperson.

Dort habe der dann gemeint, dass die reine Parteizugehörigkeit keinen Anschein der Befangenheit begründe, und eine entsprechende Weisung ausgesprochen und an die WKStA übermittelt. Angesprochen auf die Meinung der WKStA sagte Pilnacek: „Ich habe eine andere Meinung. Die WKStA wollte, dass die betroffenen SoKo-Mitglieder ausgetauscht werden.“ Der Vizekanzler habe dann noch einmal seine Ansicht kundgetan. Jabloner habe damit für Entspannung sorgen wollen.

Erste Handlungen nach Bekanntwerden des „Ibiza-Video“

NEOS-Fraktionschefin Stephanie Krisper wollte mehr über Pilnaceks Weisungen Richtung der ermittelnden Staatsanwaltschaften wissen. Am Tag, an dem des „Ibiza-Video“ erschienen ist, habe der damalige ÖVP-Justizminister Josef Moser „eine akkordierte Medienarbeit“ gewollt. Darüber habe man gesprochen bzw. Pilnacek habe das dem Leiter der Oberstaatsanwaltschaft Wien, Johann Fuchs, mitgeteilt, über diesbezügliche E-Mails habe er erst später Kenntnis erlangt.

Stephanie Krisper
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Die Befragung durch NEOS-Fraktionschefin Krisper wurde etwas lauter als gewohnt

Pilnaceks erste Handlungen nach Bekanntwerden des Videos waren Gespräche mit Moser. Der damalige Ressortchef habe sich informieren lassen, was zu tun sei. Man habe sich dann darauf geeinigt, dass das Material zu beschaffen sei und darum mündlich ersucht. Auch sei zu prüfen gewesen, ob es einen Anfangsverdacht gegeben habe, sagte Pilnacek. Eine Weisung sei nicht notwendig gewesen.

Etwas lauter wurde die Befragung durch Krisper, weil diese nach ihrer Fragezeit eine abschließende Stellungnahme abgab – üblicherweise ein Fazit der Abgeordneten für das Protokoll. Pilnacek kritisierte, dass so getan werde, als würde er die Fragen nicht beantworten. Es seien aber seine Wahrnehmungen zu den Fragen. „Sie können nicht immer sagen, dass Sie nicht das gefragt haben“, so Pilnacek Richtung Krisper schon zuvor. Der ranghohe Beamte hatte schon einleitend festgehalten, dass die NEOS-Politikerin eine Kampagne mit diskreditierenden Vorwürfen gegen ihn betreibe.

Pilnacek: Anspruchsvolle Tätigkeit der WKStA

Ernst Gödl von der ÖVP wollte mehr über die Arbeit der WKStA, die von der Partei selbst immer wieder kritisiert wird, wissen. Die Tätigkeit sei sehr anspruchsvoll, sagte Pilnacek. Aber wie überall, wo gearbeitet werde, würden hie und da auch Fehler passieren, „wie auch bei mir“. Sicher sei allerdings, dass „die schwierigsten und kompliziertesten Verfahren" bei der WKStA angesiedelt seien. Die Staatsanwaltschaften stünden jedenfalls nicht gegen etwas, sondern für etwas, und zwar "für Objektivität, eine angemessene Berücksichtigung der Beschuldigten und Opfer und für die Umsetzung des Rechtsstaates.“

Dass Teile aus Akten in Medien landen und dann darüber berichtet wird, könne man wohl nicht verhindern. Aber man könne unzulässige Veröffentlichungen erschweren, etwa durch die Digitalisierung von Akten. Es sei ein größeres Projekt geplant gewesen, aber wegen der Coronavirus-Krise vorerst ins Wasser gefallen. Auf eine NEOS-Frage – in Bezug auf den von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) getätigten Aussage, dass ihm Journalisten mitgeteilt hätten, dass diese schon mal Dokumente aus der WKStA erhalten haben – sagte Pilnacek: „Ich habe keine Wahrnehmungen zu Leaks aus der WKStA.“

Treffen mit Beschuldigten

Dass Pilnacek im Zuge des Verfahrens zur Causa Casinos (CASAG) im Justizministerium mit CASAG-Aufsichtsratschef Walter Rothensteiner und dessen Vize, Josef Pröll, eine dreiviertel Stunde gesprochen hatte, war Thema in der Befragung von Grünen-Fraktionschefin Nina Tomaselli. Die Beschuldigten hätten sich beklagt, dass viele Fotos während der Hausdurchsuchung gemacht worden seien, und Rothensteiner habe moniert, dass sein Handy schon so lang bei den Ermittlern sei. Solche Gespräche sind auch Mittel der Fachaufsicht, so Pilnacek, „ich habe auch die Aufgabe, Beschwerden und Klagen über die Staatsanwaltschaft entgegenzunehmen und zu behandeln“.

Nina Tomaselli
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Die Grünen wollten von Pilnacek wissen, wie groß der Einfluss auf die Justiz ist

Auf die Frage, ob er sich mit anderen Beschuldigten „von Verfahren“ getroffen habe, antwortete Pilnacek zunächst nicht, da dies seiner Meinung nach nicht Teil des Untersuchungsgegenstandes sei. Tomaselli argumentierte, dass sie wissen wolle, ob Treffen mit Beschuldigten üblich seien. Doch ihre Fragezeit war bereits abgelaufen. Deshalb stellte Krisper eine konkrete Frage: „Haben Sie Bernhard Krumpel (ehemaliger Novomatic-Sprecher, Anm.) am 20. Dezember 2019 getroffen?“ Pilnacek könne sich daran nicht erinnern. Und: „Bei privaten Treffen oder Einladungen führe ich kein Buch“, betonte Pilnacek.

Auch die ÖVP griff das Treffen von Pilnacek mit Rothensteiner und Pröll (Ex-ÖVP-Vizekanzler, Anm.) auf, verwies allerdings auf die WKStA-Leiterin Ilse-Maria Vrabl-Sanda, die im Zuge des BUWOG-Prozesses den Anwalt des im Strafprozess mitangeklagten Ex-Lobbyisten Peter Hochegger getroffen hat. Pilnacek bestätigte das Treffen, Vrabl-Sanda habe das Treffen nicht veraktet, weil das Gespräch laut der WKStA-Leiterin nicht ergiebig gewesen sei. ÖVP-Mandatar Gödl legte auch dar, warum er die Frage stellte: „Wir haben das jetzt nur deshalb genannt, weil wir die Gleichbehandlung der Beschuldigten betonen wollten und man nicht mit zweierlei Maß misst.“

Leiter der Oberstaatsanwaltschaft vor U-Ausschuss

Neben Pilnacek, der mehrmals mit Vorwürfen der WKStA konfrontiert war, wird am Mittwoch Johann Fuchs von der Oberstaatsanwaltschaft Wien und WKStA-Staatsanwältin Christina Jilek befragt. Fuchs wird wohl zu einer Weisung befragt, die die „Schredderaffäre“ im damals auch ÖVP-geführten Bundeskanzleramt betrifft. Die WKStA musste das Verfahren an die StA Wien abtreten, weil diese laut Pilnacek keinen Zusammenhang mit der „Ibiza-Affäre“ sehen konnte. Am Donnerstag stehen die Leiterin der StA Wien, Maria-Luise Nittel, und Gregor Adamovic von der WKStA den Abgeordneten Rede und Antwort.