Frau beim Arbeitsmarktservice
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Frauenarbeitslosigkeit

Verliererinnen in der Krise

Geht es der Wirtschaft schlecht, sind vor allem Frauen betroffen. Das zeigen die Arbeitslosenzahlen des AMS. 85 Prozent der durch das Coronavirus bedingten Arbeitslosen sind weiblich. Doch es gibt Modelle, die gegensteuern könnten. Entsprechende Vorschläge kommen etwa von der Opposition und von NGOs.

Rund 65.000 Menschen mehr sind arbeitslos als vor der Pandemie. Wie das Arbeitsministerium für diese Woche in einer Aussendung mitteilte, gibt es derzeit 433.779 Arbeitslose sowie Schulungsteilnehmerinnen und -teilnehmer, um 4.642 weniger als in der Vorwoche. 183.251 davon sind arbeitslos gemeldete Frauen, 25.288 weitere Frauen befinden sich in Schulungen des AMS.

Die Branchen Handel, Beherbergung und Gastronomie, Erziehung und Unterricht sowie Gesundheit und Soziales leiden besonders unter der Krise – und dort sind vorwiegend Frauen beschäftigt. In einem kürzlich vom AMS angestellten Vergleich waren Ende Februar 2020 399.359 Personen arbeitslos, Ende Juni waren es 463.505, die Zahl der Arbeitslosen ist um 64.146 gestiegen. Von diesen coronavirusbedingten Arbeitslosen sind 54.702 Frauen und 9.444 Männer. Der Anstieg der Arbeitslosigkeit betrifft also zu 85 Prozent Frauen.

Bei den Arbeitslosen im Sozial- und Gesundheitsbereich lag der Frauenanteil bei 57 Prozent, bei Handel, Instandhaltung und Reparatur von Kfz bei 67 Prozent. Im Bereich Gesundheit und Soziales lag der Frauenanteil am Anstieg der Arbeitslosen sogar bei 77 Prozent, bei den sonstigen Dienstleistungen bei 74 Prozent.

„Krisenpolitik ist Politik von Männern für Männer“

Femme Fiscale, eine Initiative mehrerer österreichischer NGOs und Netzwerke, darunter ATTAC, Österreichischer Frauenring und die Katholische Frauenbewegung, üben deshalb scharfe Kritik an der Regierung von ÖVP und Grünen. Sie orten eine „eindeutige Schieflage zulasten von Frauen“ in der Coronavirus-Krise. Das Netzwerk setzt sich für eine geschlechtergerechte Steuer- und Budgetpolitik ein.

Pflegerin
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Investitionen in Pflege, Bildung und Gesundheit könnten die hohe Zahl arbeitsloser Frauen senken, berechnete Femme Fiscale

„Die Krisenpolitik ist im Wesentlichen eine Politik von Männern für Männer und ignoriert die Geschlechterverhältnisse“, kritisiert Elisabeth Klatzer, Mitinitiatorin von Femme Fiscale. „Gleichzeitig setzt die Regierung das Geld nicht dort ein, wo die größten Potenziale für Beschäftigung und Ankurbelung der Wirtschaft liegen.“ Berechnungen der Initiative zeigen, dass Männer von den steuerpolitischen Maßnahmen des Konjunkturpakets in Summe um ein Viertel mehr profitieren als Frauen.

14 Milliarden Euro will der Staat im Kampf gegen die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie zusätzlich lockermachen. Das Konjunkturpaket beinhaltet etwa eine Senkung des Einkommensteuersatzes von 25 auf 20 Prozent und einmalige Maßnahmen wie 100 Euro Negativsteuer für Geringverdienerinnen und -verdiener, einmalige Zuzahlung zur Familienbeihilfe von 360 Euro und einmalige 450 Euro für Arbeitslose.

Geförderte „Green Jobs“ männlich dominiert

„Bei jenen Maßnahmen, die das Verteilungsverhältnis für Frauen noch etwas verbessern, handelt es sich zudem um Einmalmaßnahmen, die 2021 nicht mehr wirksam sind – darunter die Negativsteuer für Geringverdiener*innen und die Zuzahlungen zur Familienbeihilfe oder für Arbeitslose“, kritisiert Femme Fiscale. Ein Teil der geplanten Investitionen, vor allem in Klimaschutz, sei wichtig. Vom Ausbau erneuerbarer Energien, des öffentlichen Verkehrs und Gebäudesanierungen würden jedoch großteils männlich dominierte Berufe profitieren, lautet die Kritik.

Ingenieure arbeitet an einem Windrad
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Die Grünen wollen zur Gegensteuerung eine Neubewertung „typisch männlicher“ Berufe

Das forderte indes kürzlich auch die Frauensprecherin der regierungsbeteiligten Grünen, Meri Disoski. Eine Neubewertung der Berufe mit hohem Frauenbeschäftigungsanteil sei Gebot der Stunde. Zudem brauche es Maßnahmen zur Förderung von Frauen in technischen Berufen, Maßnahmen zur beruflichen Umorientierung und Weiterqualifizierung von Frauen in Richtung Zukunftsbranchen – vor allem auch im Bereich der männerdominierten „Green Jobs“, sagte sie.

Forderung nach „feministischem Konjunkturpaket“

Aus diesen Gründen stellt sich das Netzwerk Femme Fiscale ein „feministisches Konjunkturpaket“ vor. Dieses soll Investitionen in die Kinderbetreuung, Bildung, Pflege und Gesundheit beinhalten. Zumindest die Hälfte der geschafften Arbeitsplätze sollten den Vorstellungen des Netzwerks zufolge „Frauenjobs“ sein.

Zwölf Milliarden Euro sollten es der Initiative nach sein – fünf Milliarden für Zukunft und Bildung, vier Milliarden für die Pflege und drei Milliarden für den Bereich des Gesundheitsschutzes, der etwa Prävention von Gewalt gegen Frauen beinhaltet. Finanzierbar, so das Szenario, wäre das durch eine Vermögenssteuer für die obersten 0,1 bis 1,0 Prozent der reichsten Menschen in Österreich.

Vorschläge der Opposition

Forderungen kamen kürzlich auch von den Oppositionsparteien. SPÖ-Frauenvorsitzende Gabriele Heinisch-Hosek forderte ein Arbeitsmarktpaket und einen Krisengipfel mit Frauenorganisationen. Sie wirft Frauenministerin Susanne Raab (ÖVP) Untätigkeit vor: „Frauenministerin Raab sieht tatenlos zu, wie Frauen aus dem Arbeitsmarkt gedrängt werden.“ Es brauche jetzt Beschäftigungsinitiativen, Weiterbildungs- und Umschulungsmaßnahmen, Initiativen in den Sozialstaat und den Klimaschutz und einen Rechtsanspruch auf ganztägige Kinderbetreuung. Die ÖVP solle auch ihr kategorisches Nein zur Arbeitszeitverkürzung überdenken, so Heinisch-Hosek.

Auch FPÖ-Frauensprecherin Rosa Ecker forderte umfassende Maßnahmen gegen die Frauenarbeitslosigkeit. Für arbeitslose Frauen müsse es „umgehend Angebote, wie Schulungs- und Ausbildungsmaßnahmen geben, damit sich diese Frauen für einen besseren und vor allem sichereren Job qualifizieren können“.

Ähnlich NEOS: Die Partei fordert einen „feministischen Recovery-Plan“, der Frauen ins Zentrum der Überlegungen stellt. „Krisenbewältigung darf nicht allein männlich sein“, so Nationalratsabgeordnete Henrike Brandstötter. Anstatt zum alten Normalzustand zurückzukehren, müsse man Strukturen aufbauen, die Geschlechtergerechtigkeit liefern können. Dazu gehören flexiblere Arbeitszeiten, mehr Väterbeteiligung durch individuelle Ansprüche auf Karenz- und Kinderbetreuungsgelder und ein automatisches Pensionssplitting.

„Mittel richten sich gleichermaßen an Frauen und Männer“

Das Arbeitsministerium relativiert und sieht den Grund der Arbeitslosigkeit bei Männern und Frauen in der internationalen Wirtschaftskrise. Beziehe man die Schulungsteilnehmerinnen und -teilnehmer mit ein, dann sei der Anteil der arbeitslosen Frauen und Männer in etwa gleich, der Anstieg bei den Frauen sogar leicht unterdurchschnittlich, so das Ministerium in einer Stellungnahme an ORF.at.

Die derzeit erhöhten Zahlen der arbeitslosen Frauen erklärt Arbeitsministerin Christine Aschbacher (ÖVP) folgendermaßen: „Die Arbeitslosigkeit bei Männern unterliegt jedoch stärkeren saisonalen Schwankungen, weshalb die Rückgänge im Sommer hier höher sind“, so Aschbacher. Jedoch sei es das Ziel im AMS, Frauen überproportional zu fördern. 2019 wurde laut Finanzministerium das Ziel, mindestens 50 Prozent der Fördermittel für Frauen zu verwenden, mit 50,8 Prozent erreicht. Es sei absehbar, dass dieses Jahr eine ähnliche Zielvereinbarung getroffen werde, heißt es aus dem Finanzministerium.

Eine geschlechterspezifische Vergabe von Steuererleichterungen, Zuschüssen, Garantien und Hilfsfonds sieht Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) jedoch nicht vor: „Diese Mittel richten sich gleichermaßen an Frauen und Männer, die durch die Auswirkungen der Coronakrise unverschuldet in wirtschaftliche Schwierigkeiten gekommen sind“, so der Finanzminister in einem Statement an ORF.at.

Existenz- und Armutsgefährdung von Frauen

Freilich ist das Problem Frauenarbeitslosigkeit kein Neues, sondern gesellschaftlich gewachsen. Schon vor der Krise wurde unbezahlte Arbeit – allen voran Haushalt, Kinderbetreuung und Pflege – in Österreich zu rund zwei Drittel von Frauen geleistet. Folgen sind mangelnde eigenständige Existenzsicherung, Armutsgefährdung, Altersarmut und gesundheitliche Belastungen. Frauen erhalten aktuell rund 40 Prozent weniger Pension als Männer. Die Gründe: Sie arbeiten häufiger in Teilzeit, da sie es vor allem sind, die sich um Kinder und Pflegebedürftige kümmern. In „Frauenbranchen“ werden grundsätzlich niedrige Löhne bezahlt. Zudem werden Frauen bei vergleichbarer Tätigkeit noch immer niedriger entlohnt.

Hilfe im Krisenfall

Opfer sexueller Belästigung und Gewalt können telefonisch und im Internet Hilfe finden. Unter 0800 222 555 ist die Frauenhelpline gegen Gewalt erreichbar, die Männerberatung unter 01/603 28 28. Auf den jeweiligen Websites gibt es zudem viele Infos und Links. Im beruflichen Umfeld berät und unterstützt die Gleichbehandlungsanwaltschaft.

In der Coronavirus-Krise hat sich dieser Trend noch verstärkt, wie die Zahlen zeigen. Da Österreich noch mehr als ohnehin schon auf unbezahlte Arbeit gesetzt habe, etwa im „Homeschooling“, werde die Abwärtsspirale ohne aktives Gegensteuern nicht aufzuhalten sein, warnte die Initiative Femme Fiscale. Erste Studien, etwa von der Wirtschaftsuni Wien, deuten in eine Richtung: In der Coronavirus-Krise sind es vor allem Frauen, die ihre Erwerbsarbeitszeit reduzieren oder sogar ganz aussetzen, um ihre Kinder zu betreuen oder bei der Bewältigung der Schulaufgaben zu unterstützen und damit weniger verdienen.

Viele Mütter und Väter mussten während der Krisenzeit Urlaub nehmen, um die Kinder zu Hause zu beaufsichtigen und zu unterrichten. Weder die Möglichkeiten noch die Kosten sind für die Betreuung im Sommer in Österreich flächendeckend abgesichert. Den Zahlen nach kam es in dieser Zeit auch häufiger zu Gewalt von Männern an Frauen in der Familie. Laut Frauenministerin Raab ist die Zahl der Anrufe bei der Frauenhelpline in Zeiten der Ausgangsbeschränkungen um 70 Prozent gestiegen.