Oberstaatsanwalt Johann Fuchs
ORF.at/Lukas Krummholz
„Ibiza“-U-Ausschuss

Erneuter Blick auf „Schredderaffäre“

Am Mittwoch hat der „Ibiza“-U-Ausschuss seinen Blick erneut auf die „Schredderaffäre“ gerichtet. Als Auskunftsperson war Johann Fuchs, Leiter der Oberstaatsanwaltschaft Wien, geladen. Er wurde zu einer Weisung vom Sommer 2019 befragt, wonach die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft das Verfahren abzutreten habe, wenn es keinen Konnex zwischen „Schredderaffäre“ und „Ibiza-Affäre“ gibt.

Kurz nachdem das „Ibiza-Video“ im Mai veröffentlicht wurde und noch vor dem angenommenen Misstrauensantrag im Parlament hatte ein Mitarbeiter im Kabinett von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) fünf Druckerfestplatten extern unter einem falschen Namen schreddern lassen. Arno M. flog deshalb auf, weil er die Rechnung bei der Firma nicht beglichen hatte. Die Opposition ortete einen Zusammenhang mit der „Ibiza-Affäre“, die ÖVP argumentierte, dass man aufgrund der jüngsten Leaks (Stichwort „Projekt Ballhausplatz“) auf Nummer sicher gehen wollte.

Auch die WKStA ging dem Verdacht nach, dass das Schreddern mit dem „Ibiza-Video“ zu tun haben könnte. Das Verfahren wurde wenig später allerdings eingestellt – von der Staatsanwaltschaft (StA) Wien. Bekannt ist, dass es eine Weisung von der Oberstaatsanwaltschaft (OStA) Wien gab, wonach die Ermittlungen abzutreten seien. Laut OStA-Leiter Fuchs hatte die WKStA das Verfahren selbst abgetreten, weil sie eingesehen hatte, dass es keinen Zusammenhang gab. Dass die Weisung der OStA eine Anfrage beim Bundeskanzleramt vorsah, argumentierte er damit, dass das die „letzte Maßnahme“ gewesen sei.

Alle vorangegangenen Handlungen der WKStA hätten nämlich keine konkreten Anhaltspunkte liefern können, die einen Anfangsverdacht begründen. Das damals von Brigitte Bierlein geführte Kanzleramt teilte der WKStA mit, dass ein Zusammenhang mit dem „Ibiza-Video“ nicht mehr festgestellt werden könne, weil die Druckerfestplatten zerstört wurden. Die WKStA trat daraufhin das Verfahren an die StA Wien ab, die dann für die weiteren Delikte (etwa Sachbeschädigung, Anm.) zuständig war. Die Ermittlungen wurden eingestellt.

Fuchs wollte „Schredderaffäre“-Akte nicht übermitteln

Fuchs führte näher aus, dass die angeführten Delikte ohnehin nicht in den Kompetenzbereich der WKStA gefallen seien. „In der Anordnung finden Sie kein einziges Delikt, das in den Kompetenzbereich der WKStA fällt“, sagte der Leiter der OStA, der als Fachaufsicht die Arbeit der Staatsanwaltschaften kontrolliert. Mit der Weisung an die WKStA wollte man sicherstellen, dass die Sache nach der Auskunft des Bundeskanzleramts an die zuständige Staatsanwaltschaft geht. Es sei auch gar nicht festgelegt worden, um welche Staatsanwaltschaft es gehe. Geschreddert wurde in Niederösterreich.

Oberstaatsanwalt Johann Fuchs
ORF.at/Lukas Krummholz
Fuchs verteidigte das Vorgehen aller Behörden und sagte zur Kritik an den Ermittlungen: Auffassungsunterschiede seien normal

Mehrmals sagte Fuchs, dass die Ermittlungen keinen Zusammenhang mit der „Ibiza-Affäre“ ergeben hätten. Deshalb wollte er den ganzen Akt zur „Schredderaffäre“ dem U-Ausschuss nicht vorlegen. Die zuständige Justizministerin Alma Zadic (Grüne) vertrat anfangs ebenfalls diese Meinung, dennoch wurde der Akt den Abgeordneten geliefert. „Unterschiedliche Rechtsauffassungen regen mich nicht auf“, sagte der Leiter der Oberstaatsanwaltschaft. Der zuvor am Mittwoch befragte Sektionschef Christian Pilnacek sagte zuvor: „Ich stand auf dem Standpunkt, dass es eine abstrakte Relevanz für den Untersuchungsgegenstand gibt, die Ministerin hat sich meinem Rechtsstandpunkt angeschlossen.“

Auf die Frage, warum die WKStA trotzdem das Handy und Laptop des Kurz-Mitarbeiters beschlagnahmen lassen wollte, sagte Fuchs, dass die Anordnungen „handwerklich nachvollziehbar“ gewesen seien. Am 22. August 2019 sei nicht nur die Anordnung zur Sicherstellung entworfen worden, sondern auch die Antwort des Bundeskanzleramts eingetroffen. Warum man einen Monat nach Erstkontakt mit den Beschuldigten solche Anordnungen schreibt, sei für Fuchs nicht klar. Dass auch während der Ermittlungen durch die WKStA das Handy bzw. der Laptop von M. nicht beschlagnahmt wurde, hält Fuchs für richtig.

Fuchs verteidigte Vorgehen der Behörden

Für die Ermittlungen zur „Schredderaffäre“ wäre durch die Beschlagnahmung des Handys laut Fuchs auch kein Mehrwert zu erwarten gewesen. Zudem hätte die damals zuständige WKStA, wenn sie eine Sicherstellung für relevant gehalten hätte, während vieler Telefonate mit dem ermittelnden Beamten anordnen können. Den von Grünen-Mandatar David Stögmüller vorgehaltenen Vorwurf, es habe in der Affäre „Ermittlungspannen“ gegeben, wies Fuchs zurück. Der Beamte und die WKStA-Staatsanwältin hätten richtig gehandelt. Dass der Polizist der Sonderkommission „SoKo Ibiza“, der in der „Schredderaffäre“ Einvernahmen vornahm, einen ÖVP-Hintergrund hat, störte Fuchs nicht. Der Beamte ist nicht mehr Teil der Sonderkommission.

Insgesamt verteidigte Fuchs auch das Vorgehen der Behörden bei den Ermittlungen nach der Veröffentlichung des „Ibiza-Videos“ im Mai des vergangenen Jahres. Die Trennung in zwei Verfahrensstränge, nämlich die Korruptionsermittlungen bei der WKStA und die Ermittlungen zur Herstellung und Verbreitung bei der StA Wien, sei richtig gewesen. Denn schließlich sei der Ermittlungskomplex „ein gewaltiger“, betonte der Oberstaatsanwalt auf eine entsprechende Frage des Verfahrensanwalts Wolfgang Pöschl hin. Auf diese Weise hätte auch die jeweilige „Kernkompetenz“ der beiden Staatsanwaltschaften genutzt werden können.

Manche Entscheidungen seien in der Öffentlichkeit nicht verständlich, „aber dem Recht entsprechend“, argumentierte Fuchs. Die Zusammenarbeit zwischen den Behörden verlaufe nicht immer „friktionsfrei“, das wäre aber auch „fad“, so Fuchs. Wenn man bei so einer „komplexen Ermittlungsstruktur“ zusammenarbeite, seien unterschiedliche Meinungen „nichts Beunruhigendes“, sagte Fuchs: „Das sind wir gewohnt.“ Der Informationsfluss nach der Sicherstellung des „Ibiza-Videos“ Ende Mai 2020 sei „nicht wirklich glücklich“ gewesen. Dass der Berichtspflicht offensichtlich nicht nachgekommen wurde, habe ihn „beunruhigt“, aber für das Verfahren selbst habe das „null Einfluss“ gehabt.