Christian Pilnacek
ORF.at/Lukas Krummholz
„Ibiza“-U-Ausschuss

Die Sicht der Justiz auf die Ermittlungen

Mit den Augen der Justiz wurden am Mittwoch die Vorgänge und Ermittlungen rund um das „Ibiza-Video“ und die darauffolgenden Affären beleuchtet. Es gab Einblicke in die Arbeit der Behörden und in die Zusammenarbeit zwischen Staatsanwaltschaft und Kriminalpolizei – und offenbar übliche Konfliktpunkte. Auch im Ausschuss wurde es lauter, und zum Teil konnten Zusammenhänge näher durchleuchtet werden.

Geladen waren mit Christian Pilnacek, Strafrechtssektionschef im Justizministerium, Johann Fuchs, Leiter der Oberstaatsanwaltschaft, und Christina Jilek, Staatsanwältin der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) wichtige Vertreter und Vertreterinnen der Justiz. Jilek konnte wegen der fortgeschrittenen Stunde am Mittwoch nicht mehr befragt werden. SPÖ, NEOS und Grüne hätten sogar auf ihre Fragezeit bei Fuchs verzichtet, um Jilek, die aus Graz angereist war, in das Ausschusslokal zu holen. ÖVP und FPÖ beharrten aber darauf, ihre Fragen an Fuchs stellen zu dürfen.

Jedenfalls begann der Tag mit der Befragung von Pilnacek, der quasi über die Staatsanwaltschaften wegen seiner Aufsichtstätigkeiten wacht. Thema Nummer eins war das „Ibiza-Video“, das am 20. April bei einer Hausdurchsuchung durch die „SoKo Ibiza“ gefunden wurde – der Auftrag dazu kam von der Staatsanwaltschaft Wien (StA Wien). Die „SoKo Ibiza“ teilte den Fund bekanntermaßen nur der StA Wien mit, nicht der WKStA – diese erfuhr erst Ende Mai über die Medien davon. Pilnacek erfuhr laut seiner Aussage am 25. Mai bei einem Telefonat mit Maria-Luise Nittel, Leiterin der StA Wien, vom Fund, Fuchs zwei Tage später, wie er sagte.

Pilnacek zum „Ibiza“-U-Ausschuss

Sektionschef Pilnacek zog im ZIB2-Studio Bilanz über die Befragung im U-Ausschuss.

Informationsfluss „nicht wirklich glücklich“

Fuchs fand den Informationsfluss „nicht wirklich glücklich“, die Einhaltung der Berichtspflicht habe aber „nicht die oberste Priorität“ bei den Ermittlungen. Es sei wahrscheinlich gar nicht schlecht, dass zwei Staatsanwaltschaften in der „Ibiza-Affäre“ ermitteln, so Pilnacek, der aber einsah, dass die WKStA nicht goutiert, dass sie nicht von der Sicherstellung des Videos informiert wurde, er habe das auch hinterfragt. Er finde es aber interessant, „dass man verlangt, dass man immer über alles informiert sein muss“.

Christian Pilnacek
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Pilnacek auf dem Weg zu seiner Befragung im „Ibiza“-U-Ausschuss am Mittwoch

Die „SoKo Ibiza“ steht sowohl der StA Wien als auch der WKStA zur Verfügung. Die Ermittlungen auf Seite der Polizei hätte gleich die „SoKo Ibiza“ übernommen, die vom Innenministerium eingesetzt wurde, so Fuchs’ Wahrnehmung. Grundsätzlich könne sich eine Staatsanwaltschaft die Kriminalbeamten nicht aussuchen, sie hätten auch keinen Einfluss darauf. Im Grunde wurde also die „SoKo Ibiza“ eingesetzt, die WKStA und die StA Wien erhielten den Auftrag, zu der „Ibiza-Affäre“ zu ermitteln, und beauftragten die Kriminalpolizisten zur Suche des „Ibiza-Videos“.

Zwei Staatsanwaltschaften für zwei Aspekte

Die beiden Staatsanwaltschaften ermitteln laut Fuchs und Pilnacek zu zwei Aspekten des „Ibiza-Videos“: die WKStA zum Inhalt des „Ibiza-Videos“, die StA Wien zu den Hintergründen der Erstellung. Die WKStA sei im Mai 2019 „ersucht“ worden, das gesamte Video aufzustellen. Das sei nichts Besonderes, so Fuchs, das gehöre „zum Handwerk“. Er selbst habe am 18. Mai 2019 drei Punkte festgelegt: dass die WKStA zuständig sei, dass das Material für einen Anfangsverdacht nicht ausreiche und dass man aber selbst ohne Anfangsverdacht „dranbleiben“ und eben das ganze Material beschaffen müsse.

Die Trennung in zwei Verfahrensstränge sei richtig gewesen, so auch Fuchs. Der Ermittlungskomplex sei „gewaltig“, so könne die Kompetenz etwa der speziell ausgebildeten WKStA besser genutzt werden. Meinungsverschiedenheiten wie zwischen den beiden Staatsanwaltschaften gehörten auch dazu, so Fuchs weiter, sonst sei es „fad“, das sei „nichts Beunruhigendes“.

Die beiden Staatsanwaltschaften misstrauen einander seit Beginn der Ermittlungen. Die WKStA vermutete etwa im Zuge der „Schredderaffäre“, dass Beamte der SoKo befangen seien und parteipolitisch agieren. Die SoKo, die im Bundeskriminalamt eingesetzt wurde, fühlte sich angegriffen. Laut Pilnacek wollte die WKStA nicht, dass ÖVP-nahe Polizisten tätig werden. Der damalige Justizminister und Vizekanzler Clemens Jabloner habe diesbezüglich zu einer Besprechung gebeten.

Leaks schaden allen Seiten

Thema waren auch Leaks aus dem Ministerium, also das Rausspielen von Dokumenten und Akten. Dazu sagte Pilnacek, es werde immer wieder darüber diskutiert, und es gebe auch immer wieder Verfahren und auch mögliche Lösungsansätze – etwa die vollständige Digitalisierung samt Rückverfolgbarkeit, wer auf Dokumente zugreift –, derartige Leaks könne man aber nicht komplett verhindern.

Oberstaatsanwalt Johann Fuchs
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Der Leiter der Oberstaatsanwaltschaft Fuchs sieht keine Ermittlungspannen

Fuchs sagte dazu, dass es immer wieder einen Informationsabfluss gebe, ihm sei aber kein Fall bekannt, wo man diesen einer bestimmten Person zuordnen könne. „Jeder dieser Vorfälle macht mich betroffen, eine Veröffentlichung aus Ermittlungsakten schadet Parteien ebenso wie Behörden“, so Fuchs.

Gesetze als Handlungsrahmen

„Ermittlungspannen“ ortete Fuchs keine. Dass der Polizist der SoKo, der in der „Schredderaffäre“ Einvernahmen vornahm, einen ÖVP-Hintergrund hat, störte Fuchs nicht. Der Beamte ist nicht mehr Teil der Sonderkommission. Die Rolle der OStA als Fachaufsicht bestehe darin, einen Ausgleich zwischen Grundrechtsschutz und zielgerichteten Verfahren sicherzustellen. Die Möglichkeiten sind aber „ausschließlich durch das Gesetz bestimmt“. Manche Entscheidungen seien in der Öffentlichkeit nicht verständlich, „aber dem Recht entsprechend“.

Er sei „ausschließlich Diener des Staates“ und wolle als solcher „das Ansehen des Strafrechts verstärken“, so Pilnacek, der in seiner Befragung mehrmals in Abrede stellte, einem Netzwerk anzugehören oder dass es gar ein „System Pilnacek“ gebe. Er könne weder Hausdurchsuchungen anordnen noch in solche eingreifen. „Meine Macht ist durch die rechtlichen Vorgaben begrenzt.“ Kontrolle erfolge durch den unabhängigen Weisungsrat.