Eine Frau sitzt in einer Wohnung mit einem Laptop an einem Tisch
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Coronavirus-Krise

Popularität von Homeoffice stark gestiegen

Die Coronavirus-Krise hat die Arbeitswelt verändert. Was vor der Krise oft nur Einzelpersonen vorbehalten war, ist nun eine etablierte Arbeitsweise: Homeoffice. Eine neue Studie legt nahe, dass das auch so bleiben dürfte. Am Donnerstag teilte etwa Siemens mit, auch in Zukunft stark auf mobiles Arbeiten setzen zu wollen.

Als im März klarwurde, dass auch Österreich nicht von der Coronavirus-Pandemie verschont bleiben würde, musste alles schnell gehen – auch der Umstieg von der Arbeit im Büro auf Homeoffice. Vielerorts wurden innerhalb kürzester Zeit Monitore abmontiert, Laptops ausgegeben, digitale Kommunikationstools aufgesetzt und neue Arbeitsmethodiken organisiert. Zoomen, slacken und twisten sind zu alltäglichen Begriffen geworden.

Wurde Homeoffice zuvor nur sehr eingeschränkt praktiziert, kam es im Zuge der Coronavirus-Krise zu einem regelrechten Boom. So haben 96 Prozent der befragten Unternehmen Homeoffice während des „Lock-down“ intensiv genutzt, wie eine Deloitte-Befragung in Kooperation mit der Universität Wien und der Universität Graz zeigt.

Ein Mann baut Büromonitore ab
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Laut Deloitte haben 82 Prozent der Unternehmen innerhalb weniger Tage die technischen Voraussetzungen für nahezu flächendeckendes Homeoffice geschaffen

Verändertes Grundverständnis

Die Mehrheit der insgesamt 300 befragten Unternehmen (82 Prozent) rechnet damit, dass Homeoffice auch „nach Covid-19“ von mehr Beschäftigten in Anspruch genommen werden wird. 83 Prozent sind überzeugt, dass sogar jene Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen verstärkt von zu Hause aus arbeiten werden, bei denen das aufgrund ihrer Aufgaben bisher undenkbar war.

Das Grundverständnis darüber, ob Besprechungen tatsächlich physisch stattfinden müssen, hat sich seit der Krise ebenfalls verändert. 86 Prozent der 300 befragten Unternehmen wägen nun kritisch ab, welche Meetings physisch oder virtuell abgehalten werden.

Rückkehr zu alten Arbeitsweisen „nicht sinnvoll“

Christian Havranek von Deloitte Österreich hält eine Rückkehr zu alten Arbeitsweisen weder für einfach noch sinnvoll. „Die Pandemie hat für die Unternehmen eine Gelegenheit geschaffen, sich wieder an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu wenden, ihre Arbeitsweisen zu überdenken und ihre Arbeitsplätze neu zu gestalten.“ Damit mobiles Arbeiten gut funktioniere, brauche es eindeutige Regeln und eine klare Kommunikation für Mitarbeiter und Führungskräfte.

Homeoffice in Österreich

In Österreich muss das Arbeiten von zu Hause aus zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmerin bzw. Arbeitnehmer abgestimmt werden. Weder gibt es ein Recht auf Homeoffice noch kann Homeoffice verordnet werden.

Ähnlich sieht das Bettina Kubicek, Professorin für Arbeits- und Organisationspsychologie an der Universität Graz. „Ein starker Fokus auf Erreichbarkeit führt bei den Mitarbeitern oft zu großem Druck. Viel wichtiger ist es, die Leistung in den Vordergrund zu rücken und klare Rahmenbedingungen als Orientierung zu vereinbaren.“

Unternehmen müssen laut Christian Korunka, Professor für Arbeits- und Organisationspsychologie an der Universität Wien, ihre Lehren aus der Krise ziehen und sich mit den veränderten Ansprüchen an die Arbeit auseinandersetzen: „Um die neuen Herausforderungen erfolgreich zu meistern, sollte verstärkt auf Vertrauen und Ergebnisorientierung gesetzt werden. Wenn diese Punkte berücksichtigt werden, kann sich mobiles Arbeiten auch langfristig erfolgreich etablieren.“

Fast zwei Drittel wollen Homeoffice auch nach der Krise

Eine Umfrage des Jobportals Stepstone von Anfang Juni belegt, dass fast zwei Drittel (64 Prozent) der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen auch nach der Krise gerne verstärkt im Homeoffice arbeiten würden. Für manche Befragten sei es im Homeoffice allerdings schwieriger, nach der Arbeit abzuschalten. „Arbeit und Privatleben verschwimmen mehr miteinander“, so Stepstone-Studienleiterin Barbara Oberrauter-Zabransky.

Fast der Hälfte stehe zu Hause zudem kein eigener Büroraum oder ergonomischer Arbeitsplatz zur Verfügung. Kinder würden eine zusätzliche Herausforderung darstellen. Ein Problem „nicht nur aus datenschutzrechtlicher Sicht“ sei auch, dass viele der insgesamt 1.700 Befragten (42 Prozent) ganz oder teilweise mit ihren privaten Geräten arbeiten, so die Umfrage.

Ein Mann vor einem Monitor mit Zoom-App
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„Hört man mich? Sieht man mich? Hallo?“ – auch die Verwendung digitaler Kommunikationstools brauchte anfangs Übung

Bessere Work-Life-Balance

Damit Homeoffice erfolgreich ist, sollte es sich Experten zufolge nicht allzu viel vom Büroalltag unterscheiden. Dazu gehört etwa, fixe Arbeitszeiten einzuhalten, aufzuschreiben und zu kommunizieren – in der Firma und der Familie. Auch Pausen und der Feierabend sollten eingehalten, regelmäßige Mahlzeiten nicht vernachlässigt werden.

Die Vorteile des Homeoffice sind evident: Zeit- und Kostenersparnisse, weniger Staus, mehr Perspektiven für ländliche Bevölkerung, neue Beschäftigungsmöglichkeiten und freilich die Vereinbarkeit von Job und Familie. Eine Studie der Internationalen Arbeitsorganisation der UNO (ILO) betonte zudem die größere Autonomie bei der Zeiteinteilung und damit einhergehend auch der Work-Life-Balance. Die Firmen wiederum können von gesteigerter Produktivität und niedrigeren Kosten sowie Platzanforderungen profitieren.

Siemens macht Homeoffice für 140.000 Mitarbeiter möglich

Die Vorteile will nun Siemens für sich nutzen und auch nach der Pandemie stark auf mobiles Arbeiten setzen. Ein Vorstandsbeschluss soll es im Konzern zum weltweiten Standard machen, dass mehr als die Hälfte der Mitarbeiter künftig an zwei bis drei Tagen pro Woche nicht mehr ins Büro oder ins Werk müssen, wie Siemens am Donnerstag mitteilte.

„Wir haben gesehen, wie produktiv und effektiv das mobile Arbeiten sein kann. Da haben sich einige Vorurteile in Luft aufgelöst“, sagt Jochen Wallisch, ein führender Manager im globalen Personalbereich von Siemens.

Neue Unternehmenskultur: „Ergebnisse statt Präsenz“

Einen harten Anspruch auf das Homeoffice gibt es allerdings nicht. Sowohl der Mitarbeiter als auch sein Vorgesetzter müssen zustimmen. Das Management will den Kulturwandel aber unterstützen. So betont der designierte Siemens-Chef Roland Busch, die Basis des Modells sei „eine Weiterentwicklung unserer Unternehmenskultur. Damit verbunden ist auch ein anderer Führungsstil, der sich an Ergebnissen orientiert, nicht an der Präsenz im Büro.“

Wallisch erwartet reges Interesse: „Wir gehen davon aus, dass das Angebot auf breite Akzeptanz und Nutzung treffen wird“, sagt er. „Ein Großteil der Beschäftigten begrüßt grundsätzlich zwei bis drei Tage mobiles Arbeiten pro Woche – und zwar über alle Länder hinweg.“ Weltweit sollen 140.000 Mitarbeiter von dem Beschluss profitieren. Insgesamt hat der neue Siemens-Konzern – ohne das abgespaltene Siemens Energy gerechnet – rund 240.000 Mitarbeiter.

Umfrage: Flexibilisierung dürfte Krise überleben

Bei der Umsetzung hat allerdings auch noch die Arbeitnehmerseite mitzureden, wie sie betont. „Wir stehen dem Konzept grundsätzlich aufgeschlossen gegenüber“, heißt es von dort. „Aber es gibt viele Aspekte, über die wir noch intensiv sprechen müssen. Wir haben beispielsweise jahrelang über ergonomische Arbeitsplätze gesprochen, da kann es nicht sein, dass man künftig auf dem Küchentisch an einem kleinen Laptop arbeitet.“

Auch in Deutschland deuten Umfragen darauf hin, dass diese Flexibilisierung die Krise häufig überleben dürfte. So sagten 54 Prozent von 7.300 befragten Betriebe dem IFO-Institut, dass sie eine dauerhafte Zunahme des Homeoffice erwarten. Laut Forschern des Stuttgarter Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) und der Deutschen Gesellschaft für Personalführung haben 42 Prozent der deutschen Unternehmen schon beschlossen, die Möglichkeiten, von zu Hause aus zu arbeiten, nach der Coronavirus-Krise noch auszuweiten. Das entspricht durchaus den Wünschen der Arbeitenehmer: Laut der Universität Konstanz wollen 56 Prozent der Befragten in Zukunft zumindest teilweise von zu Hause aus arbeiten.