Gregor Adamovic
ORF.at/Lukas Krummholz
„Ibiza“-U-Ausschuss

Viel Aufregung vor Sommerpause

Am Mittwoch und Donnerstag sind im „Ibiza“-Untersuchungsausschuss die Ermittlungen im Mittelpunkt gestanden. Wie läuft die Zusammenarbeit mit den Behörden? Fühlen sich die Ermittler und Ermittlerinnen unter Druck gesetzt? Aussagen im Ausschuss, aber auch außerhalb, sorgten vor der Sommerpause für viel Aufregung.

Am Donnerstag waren die Leiterin der Staatsanwaltschaft (StA) Wien, Maria-Luise Nittel, und Oberstaatsanwalt Gregor Adamovic von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) geladen. Beide Behörden sind mit den Ermittlungen rund um das „Ibiza-Video“ beschäftigt: Die StA Wien mit der Erstellung und den Hintermännern, die WKStA mit dem Inhalt, also dem mutmaßlichen Postenschacher und Korruption. Beiden arbeitet die Sonderkommission „SoKo Ibiza“ zu. So haben etwa beide Staatsanwaltschaften den Kriminalpolizisten aufgetragen, das gesamte „Ibiza-Video“ herbeizuschaffen. Am 20. April wurde das Material bei einer Hausdurchsuchung in Wiener Neustadt zufällig gefunden. Die StA Wien erhielt die Information über den Fund umgehend, die WKStA erfuhr davon aus den Medien.

Die Befragung von Adamovic sorgte für Aufregung im Ausschuss. Nicht nur, dass der WKStA-Oberstaatsanwalt die Abgeordneten mit einem anonymen Schreiben, wonach die ÖVP Akten aus dem Ausschuss an Journalisten und Journalistinnen weiterspielt, um die Arbeit der WKStA zu diskreditieren, überrumpelte. Er beklagte auch, dass es regelmäßig zu Angriffen von politischer Seite komme, um laufende Verfahren zu schwächen. „Wir lassen uns nicht beirren und nicht einschüchtern“, sagte der Staatsanwalt.

WKStA ortete Befangenheit der SoKo

Zu den konkreten Ermittlungen befragt, wiederholte Adamovich im Grunde das, was vor Wochen schon sein Kollege Matthias Purkart dem Ausschuss erzählt hatte. Im täglichen Arbeitsleben sei die Kooperation mit der „SoKo Ibiza“ gut. Jedoch sei es für die WKStA unverständlich, dass die Frage nach Verbindungen von Beamten zu Beschuldigten verneint wurde – obwohl SoKo-Leiter Andreas Holzer die SMS eines SoKo-Beamten kannte. Darin hatte Niko R. dem damaligen Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) nach dessen Rücktritt eine „Kopf-hoch-SMS“ geschrieben. R. hat auch einen ÖVP-Hintergrund und ermittelte in der aus dem ÖVP-geführten Bundeskanzleramt entsprungenen „Schredderaffäre“.

Gregor Adamovic
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Am Donnerstag stellte sich Adamovic den Fragen der Abgeordneten

Er habe das zwar nicht als Täuschung empfunden, sagte Adamovic, sei aber irritiert gewesen. Als WKStA, die eine Befangenheit von R. ortete, habe man sich von der Oberstaatsanwaltschaft Unterstützung erhofft, aber schließlich nicht erhalten. Der damalige Justizminister Clemens Jabloner stellte ebenfalls klar, dass eine bloße Parteizugehörigkeit keine Anscheinsbefangenheit begründe. „Der Ausschluss aus den Ermittlungen wäre keinem Berufsverbot gleichgekommen“, sagte der Oberstaatsanwalt Adamovich. Dass der Beamte dann im Frühherbst 2019 aus der SoKo ausgeschieden sei, habe die Sache erledigt.

Die bisherige Bilanz des „Ibiza“-U-Ausschusses

Der „Ibiza“-U-Ausschuss geht in die Sommerpause. Die ZIB2 zieht eine Zwischenbilanz über die bisher abgehandelten Themen und Aufreger.

Am Mittwoch hatte der Leiter der Oberstaatsanwaltschaft (OStA) Wien gesagt, dass die WKStA das „Schredderaffäre“-Verfahren an die StA Wien abgetreten habe, weil sie nach einer Auskunft aus dem damals von Brigitte Bierlein geführten Bundeskanzleramt eingesehen hatte, dass es keinen Zusammenhang zwischen dem Schreddern und „Ibiza“ gab. Am Donnerstag erklärte Adamovic, dass man das Verfahren deshalb abgetreten habe, weil ein Zusammenhang wegen der geschredderten Druckerfestplatten, worauf sich womöglich Informationen befunden hätten, nicht mehr feststellbar gewesen sei.

Unterschiedliche Angaben zur „Schredderaffäre“

Adamovic sagte auch, dass die WKStA gar nicht gewusst habe, dass bei der freiwilligen Nachschau beim Kabinettsmitarbeiter von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), Arno M., der die Druckerfestplatten unter einem falschen Namen schreddern ließ, ein Laptop gefunden wurde. Natürlich sei der Laptop auch relevant gewesen, sagte der Staatsanwalt. Er habe sich angeboten, dass er kurzfristig bei der freiwilligen Nachschau im Bundeskanzleramt dabei sei, kurz darauf habe WKStA-Staatsanwältin Christina Jilek aber von der SoKo erfahren, dass diese schon erledigt sei.

Eva Maria Holzleitner
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SPÖ-Mandatarin Holzleitner befragte den WKStA-Staatsanwalt zur Causa Casinos

Konkret wurde Adamovic auch zur Causa Casinos befragt, die ein Ergebnis des „Ibiza-Videos“ ist und in der Adamovic ermittelt. SPÖ-Abgeordnete Eva Maria Holzleitner legte ihm Dokumente vor, die ihrer Meinungen nach einen Deal zwischen der FPÖ bzw. ÖVP und dem Glücksspielkonzern Novomatic erhärten. Adamovic sagte, dass er „bestimmte ‚Deals‘ weder bestätigen noch ausschließen“ möchte, da es sich um ein laufendes Verfahren handle. Auf Nachfrage, ob man auch Richtung ÖVP ermittelt, antwortete der Oberstaatsanwalt: „Ich glaube, man kann das sehr gut an den Beschuldigten erkennen.“

Die Befragung durch Wolfgang Gerstl (ÖVP), der mehr über die WKStA und über Adamovich erfahren wollte, wurde mehrmals unterbrochen. Dem Verfahrensrichter war nicht ganz klar, welchen Gegenstand des „Ibiza“-U-Ausschusses die Fragen betreffen. „Was hat der Eurofighter mit der ‚Ibiza-Affäre‘ zu tun?“, so Pöschl, der anmerkte, dass man bei den Fragen ohnehin sehr großzügig sei. Dennoch konnte Gerstl seine Fragen stellen. „Ich wusste nicht, dass ich zum Eurofighter gefragt werde“, so Oberstaatsanwalt Adamovic. Es ging in der Befragung um die Tonbandaufnahme, die bei einer Dienstbesprechung zwischen der WKStA und Sektionschef im Justizministerium, Christian Pilnacek, aufgenommen wurde. „Ist es üblich, Besprechungen aufzunehmen?“ Nach Debatten über die Frage hieß es: „Nein.“

Nittel erstaunt über Informationsfluss

Vor WKStA-Staatsanwalt Adamovic wurde Maria-Luise Nittel, Leiterin der StA Wien, zu den Ermittlungen befragt. Die StA Wien leitet das Verfahren gegen die Hinterleute des „Ibiza-Videos“. „Bei uns ist Herr Strache Opfer“, erklärte Nittel nach einer Frage von Grünen-Mandatar David Stögmüller, der sich laut der StA-Leiterin im Verfahren geirrt hat. Dass die WKStA vom Fund des „Ibiza-Videos“ durch die SoKo im April nicht informiert wurde, darüber zeigte sich Nittel erstaunt. Es sei aber „nicht im Entferntesten“ die Aufgabe, Ermittlungsergebnisse anderen Abteilungen mitzuteilen, die StA sei davon ausgegangen, dass die WKStA auch informiert wurde.

Maria Luise Nittel
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Die StA-Leiterin Nittel verteidigte am Donnerstag das Vorgehen der Behörden

In seiner Befragung sagte der Leiter der Sonderkommission „SoKo Ibiza“, Andreas Holzer, er sei davon ausgegangen, dass die Information über den Videofund justizintern weitergegeben werde. Über dieses Thema wurde im Ausschuss schon öfters diskutiert. Die Opposition beklagt, dass die vom Innenministerium eingesetzte SoKo die WKStA von Informationen über die „Ibiza-Affäre“ fernhalten wolle. Sektionschef Pilnacek erklärte, dass die Hausdurchsuchung, bei der das „Ibiza“-Material zufällig gefunden wurde, von der StA Wien beauftragt wurde. Er verstehe aber, dass die WKStA gerne vom Fund erfahren hätte.

Teilung für Nittel sinnvoll

Nittel sagte, es sei schon sinnvoll, dass die Ermittlungen geteilt seien, sonst würde die WSKtA überbordet. Gefragt nach möglichen Spannungen zwischen den beiden Behörden, sagte sie, es gebe keine, wenn die WKStA etwas abgebe, dann müsse die StA das übernehmen – jede Behörde müsse auch prüfen, ob sie dafür zuständig sei. Sie sei mit der Leiterin der WKStA auch gut befreundet.

David Stögmüller
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Grünen-Mandatar Stögmüller übernahm am Donnerstag die Befragungen der Auskunftspersonen

Zur „Schredderaffäre“ befragt, sagte Nittel, es habe keinen Anlass für weitere Ermittlungen gegeben, auch nachdem Arno M. angegeben habe, dass er zum Schutz der Regierung Kurz einen falschen Namen angegeben hatte. Das Bundeskanzleramt habe zudem eine umfangreiche Fragenliste der WKStA beantwortet, mit dem „Konvolut“ sei die Sache abgeschlossen gewesen. „Wir können nicht davon ausgehen, dass die Antworten des BKA nicht stimmen.“ Keinerlei Verdachtsmomente hätten sich durch die Fragebeantwortung erhärtet. Dass M. Laptop und Handy hergeben wollte und das von der SoKo nicht angenommen wurde, sei mit der WKStA abgesprochen gewesen, so Nittel.

„Sinnlose Fragen – sinnlose Antworten“

Für Aufregung hatte auch Pilnacek gesorgt – aber erst nach seiner Befragung von Mittwoch. Der Strafrechtssektionschef im Justizministerium hatte mit seiner Kritik am „Ibiza“-U-Ausschuss eine Debatte losgetreten. Konkret sagte der ranghohe Beamte in einem Interview, dass man „sinnlose Fragen“ stelle und „sinnlose Antworten“ erhalte. Seine scharfe Kritik gegen zwei Abgeordnete, die seiner Meinung nach „nuscheln“ und „mampfen“, verurteilten manche Abgeordnete von SPÖ, Grüne und FPÖ.

Grünen-Mandatar Stögmüller kritisierte, dass sich Pilnacek gegenüber gewählten Volksvertretern respektlos geäußert habe. „Pilnacek hat sich selbst als Diener des Staates bezeichnet. Ich versteh, dass er gereizt und vielleicht auch genervt war, aber als Staatsdiener, als höchster Justizbeamter, das Parlament dermaßen herabwürdigen, damit habe ich ein großes Problem“, sagte der Abgeordnete. SPÖ-Fraktionschef Krainer sagte, dass er „selbstverständlich“ nicht esse, wenn er an der Reihe sei, die Auskunftsperson zu befragen. „Aber wenn wir elf Stunden in einem Raum eingesperrt sind. Ich will ja nichts versäumen“, so der SPÖ-Mandatar. Zudem sei es keine Wurstsemmel gewesen.

FPÖ-Fraktionsvorsitzender Christian Hafenecker bezeichnete Pilnaceks Aussagen als „Selbstzerstörungsmodus“. Er habe einzelne Abgeordnete beleidigt. Das sei nicht in Ordnung, so Hafenecker weiter. ÖVP-Fraktionschef Wolfgang Gerstl hingegen stimmte dem Beamten aus dem Justizministerium zu. Der U-Ausschuss solle ein besseres Bild in der Öffentlichkeit abgeben, man arbeite schließlich mit Steuergeld, so Gerstl. Pilnacek rechnet übrigens damit, dass die „relevanten Passagen“ des „Ibiza-Videos“ den Abgeordneten nach der Sommerpause im September vorliegen sollten. Adamovic von der WKStA sagte: Es spricht nichts gegen eine Vorlage, man müsse nur eine kurze Passage unkenntlich machen.