Gregor Adamovic
ORF.at/Lukas Krummholz
„Ibiza“-U-Ausschuss

Verwirrung um „anonymen“ USB-Stick

Am Donnerstag hat es im „Ibiza“-U-Ausschuss Verwirrung um einen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) „anonym zugespielten“ USB-Stick gegeben. Laut Gregor Adamovic von der WKStA war auf dem Stick ein Dokument, in dem über die Staatsanwaltschaft hergezogen wurde. Darauf sei ein „ÖVP-Wasserzeichen“ gewesen. In weiterer Folge skizzierte Adamovic auch Unstimmigkeiten in der Justiz.

FPÖ-Mandatar Christian Hafenecker hatte Oberstaatsanwalt Adamovic, der am Mittwoch als Auskunftsperson geladen war, auf einen „Sachstandsbericht“ der Sonderkommission „SoKo Ibiza“ angesprochen. Adamovic sagte, dass das Dokument über einen USB-Stick am 6. Juli in der WKStA gelandet sei – mit einem „Wasserzeichen der ÖVP“ versehen und einem Begleitschreiben. Darin ist zu lesen, dass das Dokument an Journalisten verteilt worden sei, „um damit verdecktes dirty campaigning gegen die WKStA zu betreiben“. Das Dokument sei bereits Ende Februar erstellt worden, erklärte Adamovic, der sich auf eine Auswertung der WKStA bezog. Man habe sich die Metadaten angesehen.

Umgehend wollten alle Fraktionen das Dokument haben. Der WKStA-Staatsanwalt erklärte, dass es bei der nächsten Aktenlieferung ohnehin dabei gewesen wäre. Die Sitzung wurde von Doris Bures, die den Ausschuss am Donnerstag leitete, unterbrochen. Das Dokument, in dem die Korruptionsbehörde offenbar diskreditiert wird, wurde im Eiltempo „vervielfacht“, damit es dem Ausschuss zur Verfügung steht. Nach einer kurzen Debatte zur Geschäftsordnung wurde die Befragung fortgeführt – auch über den USB-Stick.

Gregor Adamovic
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Politische Angriffe würden das Ansehen der Behörde zerstören, so Adamovic

Zusatzbelastung durch Berichtspflicht

Adamovic sagte, dass man Medienberichte, die die WKStA ins Visier nehmen, gelassen hinnehme, auch wenn es bei manchen den Anschein habe, dass diese nur aus internen Infos der Oberstaatsanwaltschaft oder des Justizministeriums gespeist sein können. Auf die jüngsten Veröffentlichungen, in denen von einem Zwist zwischen den Behörden die Rede ist, ging der WKStA-Staatsanwalt nicht näher ein. Hingegen führte er aus, dass die Berichtspflicht viel Zeit in Anspruch nehme und die seit dem BVT-Verfahren gebotene Vorankündigung von drei Tagen vor einem Grundrechtseingriff mitunter kontraproduktiv sei.

Vonseiten der WKStA spreche nichts dagegen, die Ende April gefundenen Bild- und Tonaufnahmen rund um das „Ibiza-Video“ dem Ausschuss zur Verfügung zu stellen. Es gebe nur einen Teil, der die Ermittlungen der WKStA soweit berühre, dass er unkenntlich gemacht werden müsse. Die Prüfung der Persönlichkeitsrechte sei nicht Aufgabe der WKStA, man prüfe nur Verfahrensrelevanz. Darüber, dass Christian Pilnacek, Strafrechtssektionschef im Justizministerium, am Vortag im U-Auschuss angab, wenig über das Verfahren zu wissen, zeigte sich Adamovic verwundert: Es habe ausreichend Berichte gegeben, er müsse davon ausgehen, dass er diese auch kenne.

Adamovic widerspricht bisherigen Angaben

In Sachen „Schredderaffäre“ und der Sicherstellung von Geräten sagte Adamovic, dass die WKStA gar nicht gewusst habe, dass es auch einen Laptop gibt. Natürlich sei der Laptop auch relevant gewesen. Er habe sich angeboten, so Adamovic, dass er kurzfristig bei der freiwilligen Nachschau im Bundeskanzleramt dabei sei, kurz darauf habe WKStA-Staatsanwältin Christina Jilek aber von der SoKo erfahren, dass die Freiwillige Nachschau schon erledigt sei.

Angesehen wurden dabei laut Infos ein paar Anrufe, aber keine SMS. Jilek habe darauf gedrungen, das Handy noch einmal zu prüfen, weil man eine Aufnahme des Schredderns der Festplatten vermutet hatte und damit Hinweise auf einen Auftraggeber, das sei aber auch nicht geschehen. Er, Adamovic, habe dann eine Sicherstellungsanordnung erteilt, diese wurde dann aber zurückgezogen, weil die WKStA an die Staatsanwaltschaft Wien abgegeben hatte. Die Begründung einer Beweismittelunterdrückung durch Vermittler als Vorannahme sei auch verwunderlich, dem hätte die WKStA auch nicht zugestimmt. Verwundert zeigte sich Adamovic darüber, dass die WKStA bei der Hausdurchsuchung bei Novomatic-Chef Harald Neumann mit den Worten begrüßt wurde, dass sie schon vor zwei Wochen erwartet worden sei.

Die WKStA werte Daten auch lieber selber aus, nicht weil man mehr Arbeit haben möchte, sondern weil die Ressourcen bei der Kriminalpolizei begrenzt seien und weil es immer wieder den Vorwurf langer Verfahrensdauern gebe. Die Ersthandys habe man daher selber auswerten wollen, weitere Geräte sollte die SoKo auswerten. Daher sei unverständlich, dass von der Oberstaatsanwaltschaft darauf gedrungen wurde, dass alles die SoKo macht. In der „Ibiza“-Causa sei die WKStA mit der Auswertung fertig, die SoKo nicht. Daher wisse man auch, dass ÖBAG-Chef Thomas Schmid sein Handy auf Werkseinstellungen zurückgesetzt habe, nachdem er vorher mehrfach Meldungen, auch in großen Mengen, gelöscht habe.

WKStA wehrt sich gegen „unsachliche Attacken“

Schon zuvor hatte Adamovic erklärt, dass sachliche Kritik gegen die Behörde willkommen sei, aber man verwehre sich gegen „unsachliche“ Angriffe auf die WKStA, vor allem aus der Politik, so Adamovic am Donnerstag vor dem „Ibiza“-U-Ausschuss. Es sei auch klar, dass eine Antikorruptionsbehörde, die von allen Seiten geliebt werde, ihren Job nicht gut mache.

„Die Arbeit von der WKStA muss für sich selbst sprechen“, so Adamovic. Er lobte die Tätigkeit der Korruptionsbehörde, man habe in den vergangenen Tagen in dieser Affäre vieles geschafft. Er sprach von Zeugenbefragungen, Beweismittelauswertung. „Das Puzzle ist komplex, aber wir haben schon sehr viele Stücke zusammengestellt.“ Die Behörde entziehe sich dabei nicht sachlicher Kritik. „Sie ist willkommen, wir nehmen sie auch ernst. Wir wollen daraus lernen, weil auch uns Fehler passieren können.“

Es komme aber immer wieder zu unsachlichen Angriffen, wie der Vorwurf einer politischen Motivation der WKStA. Man solle sich bewusst machen, dass derartige Angriffe einen schädlichen Vertrauensverlust bewirken, auf eine in einem Rechtsstaat essenzielle Institution, die dafür sorge, dass sich auch einflussreiche Personen an die Spielregeln halten. Das sei wohl auch die Motivation, dass man die Behörde damit schwächen wolle. Er wünsche sich mehr Sachlichkeit in der Diskussion, oft reiche eine einfache Internetrecherche, um Vorwürfe zu widerlegen. „Wir lassen uns nicht beirren und nicht einschüchtern.“

ÖVP-Fraktionsführer Gerstl kritisierte im Vorfeld der Befragung am Donnerstag die WKStA hart, niemand kontrolliere die Behörde, wer dort einen Posten bekomme, entscheide die Leiterin allein, es gebe keinerlei Ausschreibung. Die Staatsanwälte seien „extrem sauer“ über die Ungleichheit. Er verlange von der Antikorruptionsbehörde Transparenz und Objektivität, niemand wisse, wer dort Akten bekomme und wer dort arbeite.

Straches Handy sperrte sich wieder

Adamovic erzählte auf Frage von Verfahrensrichter Wolfgang Pöschl auch über die Beschlagnahmung des Handys des ehemaligen FPÖ-Chefs Heinz-Christian Strache bei einer Hausdurchsuchung. Das Handy wurde entsperrt beschlagnahmt, wenig später schaltete sich aber die Bildschirmsperre ein, so Adamovic. Er selbst sei irritiert gewesen, weil man zuvor mehrmals die Vorgangsweise besprochen habe.

Wie bekannt, hatte Strache sich bereiterklärt, die Sperre aufzuheben, wenn Nachrichten mit seinem Anwalt gelöscht werden. Auf die Frage von Verfahrensrichter Pöschl, ob es notwendig sei, dass sich ein Staatsanwalt bei Hausdurchsuchungen begleiten lässt, zögerte Adamovic. Er sagte, es sei nicht unüblich und auch nicht rechtswidrig. Ein Staatsanwalt könne vor der Amtshandlung nicht wissen, welche Hilfstätigkeiten anfallen.

Bericht über Videofund dauert mehrere Wochen

Davor war die Leiterin der Staatsanwaltschaft Wien (StA Wien), Maria-Luisa Nittel, vor dem Ausschuss. Beide Behörden sind mit den Ermittlungen rund um das „Ibiza-Video“ beschäftigt: Die StA Wien mit der Erstellung und den Hintermännern, die WKStA mit dem Inhalt, also dem mutmaßlichen Postenschacher. Beiden arbeitet die „SoKo Ibiza“ zu, die im April stundenlange Video- und Audioaufnahmen bei einer Hausdurchsuchung entdeckt hat – aber nur der StA Wien gemeldet hat.

Maria Luise Nittel
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Nittel sieht keine Panne bei den Ermittlungen

Dass die WKStA vom Fund des Materials nicht informiert wurde, darüber zeigte sich Nittel in der Befragung am Vormittag auch erstaunt. Es sei aber „nicht im Entferntesten“ die Aufgabe der StA Wien, Ermittlungsergebnisse anderen Abteilungen mitzuteilen, die StA sei davon ausgegangen, dass die WKStA auch informiert wurde. Sie sei von ihrem fallführenden Staatsanwalt Ende April informiert worden, dass es sich bei sichergestellten Datenträgern womöglich um das Video handeln könnte, so Nittel. Dann habe die Behörde auf einen schriftlichen Bericht gewartet.

Der offizielle Bericht der SoKo sei am 26. Mai bei der StA eingetroffen, einen Tag vor dem geplanten Hintergrundgespräch mit den Medien, wo die SoKo über den Fund des Videos erzählen wollte. Warum der Bericht so spät kam, könne sie nicht sagen. Womöglich habe die Pandemie auch die SoKo eingeschränkt, sagte Nittel. Der Fund an sich sei schon ein „toller Ermittlungsfund“ gewesen, aber viel wichtiger sei der Inhalt der Aufnahmen und daher habe man die Auswertungen abgewartet.

Teilung für Nittel sinnvoll

Nittel sagte, es sei schon sinnvoll, dass die Ermittlungen geteilt seien, sonst würde die WSKtA überfrachtet. Gefragt nach möglichen Spannungen zwischen den beiden Behörden sagte sie, es gebe keine, wenn die WKStA etwas abgebe, dann müsse die StA das übernehmen – jede Behörde müsse auch prüfen, ob sie dafür zuständig sei. Sie sei mit der Leiterin der WKStA auch gut befreundet. Die WKStA vermutete etwa im Zuge der „Schredderaffäre“, dass Beamte der SoKo befangen seien und parteipolitisch agieren. Die SoKo, die im Bundeskriminalamt vom Innenministerium eingesetzt wurde, fühlte sich angegriffen.

Kein Zweifel an BKA-Antworten

Zur „Schredderaffäre“ befragt, sagte Nittel, es habe keinen Anlass für weitere Ermittlungen gegeben, auch nachdem Arno M. angegeben habe, dass er zum Schutz der Regierung Kurz einen falschen Namen angegeben hatte. Das Bundeskanzleramt habe zudem eine umfangreiche Fragenliste der WKStA beantwortet, mit dem „Konvolut“ sei die Sache abgeschlossen gewesen.

„Wir können nicht davon ausgehen, dass die Antworten des BKA nicht stimmen.“ Keinerlei Verdachtsmomente hätten sich durch die Fragebeantwortung erhärtet. Dass M. Laptop und Handy hergeben wollte und das von der SoKo nicht angenommen wurde, sei mit der WKStA abgesprochen gewesen. Es gebe auch keine Hinweise des fallführenden Staatsanwalts, dass irgendwelche Ermittlungsschritte nicht korrekt oder sachgerecht waren. „Ich kann ein Ermittlungsergebnis nicht übergehen.“

Dass das Verfahren von der WKStA an die StA Wien abgetreten wurde, sei nicht ungewöhnlich. Die WKStA habe aufgrund der zeitlichen Abfolge zunächst einen Konnex zum „Ibiza-Video“ vermutet, die Ermittlungsergebnisse hätten diesen Verdacht aber nicht erhärtet. Daher habe die WKStA das Verfahren an die StA Wien abgetreten. Dann habe man abschließende Ermittlungsschritte gesetzt und einen Vorhabensbericht an die OStA Wien verfasst, mit der Absicht, das Verfahren einzustellen. Dieser sei dann vom Ministerium genehmigt worden.