Gerasdorf-Mord: Ukraine hält Verfahren unter Verschluss

Drei Tage bevor der gebürtige Tschetschene Martin B. in Gerasdorf bei Wien erschossen worden ist, hat der ukrainische Geheimdienst SBU laut Recherchen der APA ein Ermittlungsverfahren, in dem B. als Zeuge befragt wurde oder werden sollte, zur Geheimsache erklärt. Eine bereits veröffentlichte Gerichtsentscheidung mit Österreich-Bezügen wurde aus dem ukrainischen Gerichtsregister entfernt.

„Auf Anweisung des Sicherheitsdienstes der Ukraine (SBU, Anm.) vom 1. Juli wurde im Zusammenhang mit Maßnahmen zum Schutz von Personen, die an den Ermittlungen beteiligt sind, der Zugriff auf die elektronische Kopie der betreffenden Gerichtsentscheidung gesperrt“, begründete die verantwortliche ukrainische Dienststelle heute das Verschwinden aus dem öffentlich zugänglichen Gerichtsregister.

Frist um ein Jahr verlängert

Konkret hatte ein Kiewer Untersuchungsrichter auf Antrag von Geheimdienst und Staatsanwaltschaft vom 22. Mai 2020 beschlossen, die Fristen bei Ermittlungen zu einem Terroranschlag um ein weiteres Jahr zu verlängern. Die Rede ist von einer Bombenexplosion in Kiew, bei der im Oktober 2017 der damalige Parlamentsabgeordnete Igor Mossijtschuk fast getötet worden wäre. Ein Bodyguard sowie ein Passant kamen ums Leben.

Begründet wurde die zusätzliche Frist insbesondere mit der Notwendigkeit, im Rahmen von Rechtshilfe Materialien aus Österreich zu bekommen und diese anschließend auch zu analysieren.

Laut dem nunmehrigen Ex-Politiker Mossijtschuk ist Martin B. nicht nur der einzige bekannte Österreich-Bezug im Ermittlungsverfahren, B. ist auch die einzige bekannte Person, die durch veröffentlichte Informationen im Gerichtsregister in eine zusätzliche Gefahr hätte gebracht werden können. Der am 4. Juli in Gerasdorf bei Wien erschossene Tschetschene hatte erstmals im Februar 2020 öffentlich erklärt, von tschetschenischen Hintermännern mit der Ermordung von Mossijtschuk beauftragt worden zu sein.