Wirecard-Logo auf Gebäude
APA/Matthias Balk
Medien zu Wirecard

Spur von Marsalek führt nach Weißrussland

Im Skandal um den untergetauchten Ex-Wirecard-Vorstand Jan Marsalek sind am Samstag neue Informationen rund um dessen Verbleib bekanntgeworden. Nach einer Recherche von „Spiegel“, den Investigativplattformen Bellingcat und The Insider sowie des McClatchy Report soll er am Tag seiner Freistellung im Juni nach Weißrussland geflüchtet sein.

Im russischen Ein- und Ausreiseregister – dieses umfasst ob fehlender Kontrollen an den Binnengrenzen auch Weißrussland – sei den Berichten zufolge für Marsalek ein Eintrag „nur Stunden nach seiner Freistellung bei Wirecard zu finden“, berichtete der „Spiegel“. Der Österreicher reiste in der Nacht vom 18. auf den 19. Juni über den Flughafen Minsk ein.

„Er benutzte dafür einen der Reisepässe, den er bereits zuvor bei Reisen an andere Ziele verwendet hatte“, hieß es weiter. Darüber, dass der 40-Jährige wieder ausgereist sei, finde sich in den Datenbanken bisher nichts, berichtete die deutsche Zeitung zudem. Das deute darauf hin, dass sich der Manager weiterhin in Weißrussland oder in Russland befinde.

Spekulationen über Aufenthaltsort

Im Juni war zunächst spekuliert worden, Marsalek halte sich auf den Philippinen oder in China auf. Dann wurde jedoch bekannt, dass philippinische Einwanderungsbeamte Daten gefälscht hatten, um die Ein- und Weiterreise des ehemaligen Wirecard-Vorstands vorzutäuschen.

Marsalek war bei dem Zahlungsdienstleister für das operative Tagesgeschäft zuständig und seit 2011 „Senator“ der Österreichisch-Russischen Freundschaftsgesellschaft mit Sitz in Wien, ebenso wie sein Wirecard-Kollege Markus Braun. Braun hat sich dagegen inzwischen der deutschen Justiz gestellt. Der Österreicher will nach eigenen Angaben kooperieren.

Details zu Flucht unklar

Wegen des Bilanzskandals wurde Marsalek am 18. Juni freigestellt und am 22. Juni entlassen. Wie genau er nach Weißrussland gekommen sein könnte, ist dem „Spiegel“-Bericht zufolge unklar. Zu seiner Einreise sei in den russischen Datenbanken keine Flugnummer vermerkt. Es finde sich lediglich ein Hinweis auf einen „Einmalflug“.

Wirecard hatte eingestanden, dass in der Jahresbilanz 1,9 Milliarden Euro fehlen und das Geld bei zwei philippinischen Banken vermutlich gar nicht existiert. Der Börsenkurs des DAX-Konzerns stürzte ab, das Unternehmen meldete Insolvenz an. In dem Fall ermittelt die Staatsanwaltschaft München I. Marsalek ließ über seinen Anwalt erklären, sich nicht der Justiz stellen zu wollen.

Chat-Protokoll: Marsalek dementiert Vorwürfe nicht

Unterdessen wurde zuletzt auch ein Chat-Protokoll, in dem Marsalek die Vorwürfe zumindest nicht dementiert, publik. „Ich dementiere die Vorwürfe auch nicht“, zitierte das „Handelsblatt“ am Donnerstag aus einer privaten Kommunikation Marsaleks mit einem Vertrauten über den Messengerdienst Telegram. Der gebürtige Österreicher habe in dem Austausch am 21. Juni geschrieben: „Einer muss Schuld haben, und ich bin die naheliegende Wahl.“

Auf die Frage, ob Braun überrascht gewesen sei, habe Marsalek getextet: „Es wäre schlimm, wenn er das nicht gewesen wäre.“ Und weiter: „Es geht zunächst mal darum, die Firma, Mitarbeiter und Kunden zu schützen. Ein vereinfachter Narrativ hilft da.“ Er betonte: „Also einer muss schuld sein – und ich qualifiziere mich ganz ausgezeichnet dafür.“

Allerdings sei er gerade schwer zu erreichen, schrieb Marsalek, der womöglich einen Hinweis auf seinen Aufenthaltsort gab. Er sei an einem Ort, an dem „immer noch dieselben Leute am Ruder wie vor 25 Jahren“ seien. Allerdings hat er bereits eine Reihe von falschen Fährten gelegt.

Berlin setzte sich in China für Wirecard ein

Im Wirecard-Skandal rückt zudem zunehmend die Rolle der Politik in den Fokus. Nachdem die deutsche Regierung zuletzt zugab, dass schon über einige Jahre Vorwürfe bekannt waren, bestätigte eine Sprecherin am Samstag auch, dass sich das deutsche Bundeskanzleramt im Herbst vergangenen Jahres für den Zahlungsdienstleister und dessen damals geplanten Markteintritt in China eingesetzt hatte.

In Deutschland steht vor allem Finanzminister Olaf Scholz (SPD) unter Druck. Dieser wurde nach Angaben seines Ministeriums bereits am 19. Februar 2019 darüber unterrichtet, dass die Finanzaufsicht BaFin bei Wirecard wegen Marktmanipulation ermittelt. Scholz kündigte als Konsequenz aus dem Bilanzskandal eine Reform der deutschen Finanzaufsicht an.

Kern kritisiert Kurz scharf

Wellen schlägt der Skandal auch hierzulande: Der frühere Regierungschef Christian Kern (SPÖ) attackierte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), weil dieser eine Geldspende des Ex-Wirecard-Vorstandschefs Braun an die ÖVP damit gerechtfertigt hatte, dass Braun auch ein gutes Verhältnis zu ihm, Kern, gehabt habe. „Der Mann ist ein notorischer Lügner. Absolut Kanzler unwürdig (sic)“, schrieb Kern auf dem Kurznachrichtendienst Twitter.

Bundeskanzler Kurz zu EU-Gipfel und Markus Braun

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) sprach in der ZIB2 am Freitag unter anderem über den Coronavirus-Aufbauplan und den Ex-Wirecard-Vorstandschef Markus Braun. Kurz hatte Braun dabei als „einen der erfolgreichsten Manager im Digitalbereich“ im deutschsprachigen Raum bezeichnet.

Kurz hatte zu einer behaupteten ÖVP-Nähe Brauns, weil dieser in einem Thinktank von Kurz war und an die ÖVP gespendet hatte, in der ZIB2 festgehalten, dass Braun auch an die NEOS gespendet und auch ein gutes Verhältnis zum früheren SPÖ-Vorsitzenden Kern sowie zu FPÖ-Politikern gehabt habe. Kurz hatte außerdem Braun als „einen der erfolgreichsten Manager im Digitalbereich“ im deutschsprachigen Raum bezeichnet.