Nackte Demonstrantin in Portland, Oregon
Reuters/Nathan Howard
Portland

Nackte Demonstrantin als Protestikone

Ein Einsatz von militarisierten Sicherheitskräften des Bundes in Portland im US-Staat Oregon schlägt immer höhere Wellen. Am Wochenende wurde auch Tränengas gegen Demonstranten eingesetzt, die seit fast zwei Monaten täglich gegen Rassismus und Polizeigewalt protestieren. Stadt und Bundesstaat wehren sich gegen die Einmischung aus Washington – vorerst ohne Erfolg. Dafür hat die Protestbewegung eine neue Ikone: Eine unbekannte Nackte stellte sich den Einsatzkräften entgegen – bis diese abzogen.

Die Frau tauchte in der Nacht auf Sonntag aus dem Nichts auf, so Augenzeugen. Nur mit einer schwarzen Gesichtsmaske und einer Mütze bekleidet stellte sie sich an einer Kreuzung provokativ den Einsatzkräften gegenüber. Ein Demonstrant wollte sie mit einem selbst gebastelten Schild schützen, allerdings gab sie zu verstehen, dass sie das nicht wolle. Die Frau setzte sich später auf den Asphalt und zeigte einige ballettartige Posen, heißt es in den Sozialen Netzwerken.

Während die Sicherheitskräfte zuerst noch Pfefferspraygeschoße eingesetzt hatten, wurde es laut Augenzeugen später ruhig. Nach einigen Minuten zogen die Sicherheitskräfte ab, andere Polizisten, die zwischenzeitlich am Schauplatz eingetroffen waren, suchten schließlich ebenfalls das Weite. Die Nackte verschwand nach ihrem rund 15-minütigen Auftritt unerkannt und ebenso plötzlich, wie sie aufgetaucht war.

Nackte Demonstrantin in Portland, Oregon
Reuters/Nathan Howard
Nackter Protest in Portland

„Nackte Athena“ in den Sozialen Netzwerken

In den Sozialen Netzwerken tauchten am Sonntag rasch Bilder und Videos der Frau auf. Die „Nackte Athena“, wie sie mittlerweile genannt wird, wurde rasch zur Ikone der Proteste in Portland. Verwiesen wurde auf die Tradition von nacktem Protest – von der Legende der nackt auf einem Pferd reitenden Lady Godiva im 11. Jahrhundert bis hin zu den Femen-Aktivistinnen. In Medien wurde aber auch darauf verweisen, dass nackte politische Statements in Oregon offenbar eine Art Tradition haben – so gibt es zwei Gerichtsurteile, die Textilfreiheit als legitime Form des Protests anerkennen.

Portland gilt mit seiner großen und lebendigen Kultur- und Alternativszene als eines der linksliberalen Zentren der USA. Seit dem gewaltsamen Tod des Afroamerikaners George Floyd bei einem Polizeieinsatz in Minneapolis Ende Mai finden in der Stadt täglich Demonstrationen statt.

Ungewöhnliche Einmischung aus Washington

Eskaliert war die Lage erst, als Präsident Donald Trumps Regierung gegen den Willen der Stadt und des Bundesstaates militarisierte Sicherheitskräfte nach Portland schickte. Seit damals kommt es zu gewaltsamen Zusammenstößen, die Sicherheitskräfte setzen auch Tränengas ein.

Der Einsatz von Kräften des Bundes gegen den erklärten Willen eines Bundesstaats oder einer Stadt ist sehr ungewöhnlich. Die Regierung beruft sich bei dem seit einigen Tagen andauernden Einsatz auf das Recht, ein Bundesgericht zu schützen. Das Gebäude war im Zuge der Proteste beschmiert worden.

„Gewaltsame Anarchisten“

Der amtierende Heimatschutzminister Chad Wolf verteidigte den Einsatz gegen die „gewaltsamen Anarchisten“ in Portland und erklärte, die Kräfte des Bundes würden die Situation unter Kontrolle bekommen. Trump hatte sich zuvor abfällig über die anhaltenden Proteste in der von Demokraten kontrollierten Stadt geäußert und für ein hartes Durchgreifen der Sicherheitskräfte geworben.

Polizisten in Portland
AP/Noah Berger
Ausnahmezustand in den Straßen von Portland

Am Sonntag verhängte die Polizei in der Stadt den Ausnahmezustand, nachdem Demonstranten das Gebäude der Polizeivereinigung in Brand gesetzt hatten. Das Feuer sei gelöscht und die Situation unter Kontrolle gebracht worden, schrieb die Polizei auf Twitter.

Bürgermeister fordert Rückzug

Der Bürgermeister der US-Westküstenmetropole forderte am Sonntag den Rückzug der von Trump entsendeten Bundespolizisten. Diese würden mit verfassungswidrigen Taktiken die Situation gefährlich eskalieren lassen, sagte Bürgermeister Ted Wheeler dem Sender CNN. „Ihre Anwesenheit hier führt tatsächlich zu mehr Gewalt und mehr Vandalismus“, führte der Demokrat aus. Dutzende, wenn nicht Hunderte Sicherheitskräfte des Bundes würden „auf unsere Stadt einstürmen“, sagte Wheeler. Die Beamten würden sich nicht ausweisen und Demonstranten in nicht gekennzeichnete Lieferwagen sperren. "Sie sind hier nicht erwünscht. Wir haben sie nicht hergebeten.

Wie „autoritäre Regierungen“

Die demokratische Vorsitzende des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, übte in einer am schon Samstagabend verbreiteten Erklärung vehemente Kritik. „Im Vormonat hat die Regierung Tränengas gegen friedliche Demonstranten in (der Hauptstadt) Washington eingesetzt, jetzt zeigen Videos, wie Protestierende in Portland in nicht gekennzeichneten Fahrzeugen entführt werden“, schrieb sie in der Erklärung, die auch der Abgeordnete Earl Blumenauer aus Portland unterzeichnete. „Wir leben in einer Demokratie, nicht in einer Bananenrepublik“, heißt es in der Erklärung weiter. Der Missbrauch von Bürgern Oregons oder Washingtons für die „politischen Spiele“ Trumps werde nicht toleriert.

Demonstranten in Portland
AP/Noah Berger
Die Proteste halten schon seit Wochen an

Ein Senator des Westküstenstaats, Jeff Merkley, warf Trump vor, sich aus dem Handbuch „autoritärer Regierungen“ zu bedienen. „Eine Geheimpolizei hat in unserer demokratischen Republik keinen Platz“, schrieb er. Die Justizministerin des Bundesstaats, Ellen Rosenblum, reichte in der Nacht auf Samstag Klage bei einem Bundesgericht ein, um ein Verbot des pseudopolizeilichen Einsatzes zu erzielen.

Trump: Einsatz auch in anderen Städten

Trump will hingegen den Einsatz von Bundesbeamten gegen Teilnehmer von Anti-Rassismus-Demonstrationen ausweiten. „Wir können dies in den Städten nicht zulassen“, sagte er am Montag. Er plane die Entsendung von Strafverfolgungseinheiten in einige größere Städte. „Die Politiker da draußen haben Angst vor diesen Leuten.“ Das Heimatschutzministerium kündigte an, den Einsatz seiner Sicherheitskräfte auch nach heftiger Kritik am Vorgehen in Portland fortsetzen. „Wir werden uns nicht dafür entschuldigen“, sagte Minister Chad Wolf dem Sender Fox News. „Wir eskalieren nicht, wir schützen.“