Kunden mit Mund- und Nasenschutz in einem Supermarkt
APA/Roland Schlager
Maskenpflicht und Co.

Regierung weitet CoV-Maßnahmen aus

Die Regierung hat am Dienstag die Ausweitung der Maskenpflicht bekanntgegeben. Mit Freitag sollen nun wieder Masken, etwa im Lebensmitteleinzelhandel, getragen werden müssen. Auch weitere Maßnahmen wie ein Probebetrieb des Ampelsystems und der Umgang mit Clustern in Religionsgemeinschaften bzw. mehr Kontrollen an Grenzen wurden erklärt.

Die Maskenpflicht werde zum Schutz besonders Schutzbedürftiger wieder erweitert, so Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP). „Im Lebensmitteleinzelhandel, in Supermärkten, Bank- und Post-Filialen wird der Mund-Nasen-Schutz wieder eingeführt“, so der Kanzler bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Vizekanzler Werner Kogler (Grüne), Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) und Innenminister Karl Nehammer (ÖVP).

Jeder müsse diese Orte aufsuchen, hier gebe es keine Freiwilligkeit, so Kurz. Die Maske habe auch einen symbolischen Effekt. Je mehr sie aus dem Alltag verschwinde, desto größer werde die Sorglosigkeit, so Kurz. Die Maskenpflicht soll ab Freitag gelten. „Wir haben in den letzten Wochen einen Anstieg bei den Neuinfektionen erlebt“, so Kurz. Man habe auch die „magische Schwelle“ des dreistelligen Anstiegs überschritten, so der Kanzler. Das Motto bleibe das gleiche: „So viel Freiheit wie möglich, so viel Einschränkung wie nötig.“

Innenminister Karl Nehammer (ÖVP), Vizekanzler Werner Kogler (Grüne), Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne)
APA/Roland Schlager
Innenminister Nehammer, Vizekanzler Kogler, Kanzler Kurz und Gesundheitsminister Anschober bei der Pressekonferenz

Strenge Kriterien bei Tests bei Einreise

Ein Problem sei die Einschleppung aus dem Ausland, und da besonders aus der Balkan-Region, so Kurz. Hier würden weitere Maßnahmen an der Grenze gesetzt, so Kurz. Man habe trotz der bisherigen Maßnahmen zu viele Fälle aus der Region in Österreich. „Die Grenzkontrollen werden verschärft und die Quarantäne stärker überprüft. Bitte unterlassen Sie diesen Sommer Reisen in diese Region“, appellierte Kurz. Ebenfalls ab Freitag ist die Einreise aus Risikogebieten nur noch mit negativem PCR-Test erlaubt. Dieser muss aus zertifizierten Laboren stammen.

Grafik zur Maskenpflicht
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA

Man habe auch vermehrt Ansteckungsfälle von Religionsgemeinschaften mit Bezug zu Risikogebieten. Die Gottesdienste würden wieder reduziert, Masken seien auch zu tragen. Jene mit positiven Fällen sollen geschlossen werden. Kurz dankte den Religionsgemeinschaften für die gute Kooperation. Man müsste auch schneller werden bei den Testungen, so Kurz. Das dauere noch zu lange. Auch hier soll es künftig schneller gehen, so Kurz.

Ampelsystem: Probebetrieb für August angekündigt

Kurz nannte bei der Pressekonferenz auch erneut das Ampelsystem. Es solle rasch kommen, damit Österreich kein Fleckerteppich werde. Mit dem vom Gesundheitsministerium noch fertigzustellenden Ampelsystem werde man dann regional gut auf das Ansteigen von Coronavirus-Fallzahlen reagieren können, so Kurz am Dienstag bereits im Ö1-Morgenjournal.

Laut Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) wird das Ampelsystem im Laufe des Augusts in Probebetrieb gehen, wie er am Dienstagnachmittag in der Regierungspressekonferenz ankündigte. Zwei grundlegende Beschlüsse dafür sollen bereits im Sommerministerrat Ende Juli beschlossen werden. Einerseits seien das die Kriterien, nach denen die vierstufige Ampel gestellt wird, andererseits die Schaffung der CoV-Kommission, die diese Ampel schaltet. Im August soll die Regelung dann gemeinsam mit allen betroffenen Ministerien verankert werden. Insgesamt soll die Ampel vier Kriterien berücksichtigen. Und je nach Ampelstufe – von grün bis rot – sollen dann in den betreffenden Bezirken Maßnahmen verhängt werden.

Gesundheitsminister Anschober über die Maskenpflicht

Wegen des Anstiegs der täglichen Covid-19-Infektionszahlen hat die Regierung die Mitte Juni gelockerte Maskenpflicht wieder verschärft. Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) spricht über die Rückkehr der Maskenpflicht in Supermärkten, Bank- und Postfilialen.

Supermarktketten vorbereitet

Die großen Supermarktketten geben sich gerüstet: „Wir sind auf die neuerliche MNS-Pflicht vorbereitet und haben ausreichend Mund-Nasen-Schutz lagernd“, sagte ein Sprecher des Handelskonzerns REWE (u. a. Billa, Merkur, Penny) zur APA. Auch Spar ist gerüstet. „Für die Kunden stellen wir Masken, sofern welche gebraucht werden, weiterhin gratis zur Verfügung“, sagte Spar-Sprecherin Nicole Berkmann am Dienstag. Man gehe aber davon aus, dass nur wenige Kunden eine Maske brauchen werden, da mittlerweile fast jeder eine eigene habe. „Am Ende der letzten Maskenpflicht brauchten nur noch zehn Prozent der Kunden eine Maske von uns“, so Berkmann.

Rainer Trefelik, Obmann der Bundessparte Handel der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ), sieht die Wiedereinführung der Maske als vernünftig, wenngleich er einräumte, dass sich die Freude in Grenzen halte. Die Beschäftigten müssten den Mund-Nasen-Schutz den ganzen Tag tragen, „da ist keiner glücklich“, sagte Trefelik zur APA. Auch sei nicht jeder Supermarkt um jede Zeit gleich gut besucht. „Hier zu differenzieren geht aber nicht, es ist ein schwieriger Balanceakt, den die Regierung hier gehen muss“, betonte Handelsobmann Trefelik.

Ärztekammer erfreut

Die Maskenpflicht geht auch mit Umsatz- und Frequenzeinbußen einher. Seit der Wiedereinführung in Oberösterreich seien Umsatz und Frequenz im Vergleich zu Anfang Juli um bis zu 25 Prozent zurückgegangen, räumte der Handelsverband kürzlich ein. Trefelik hofft, dass die gesunden Handelsfirmen das heurige Jahr überstehen. „Wenn heute eine generelle Maskenpflicht verkündet worden wäre, hätte ich es deutlich pessimistischer gesehen. Jetzt haben wir eine Chance. Wir sehen ein zartes Pflänzchen der Konsumfreude.“ Trefelik appellierte an die Menschen, auch im Freien und bei privaten Feiern verantwortungsvoll zu sein. Er habe noch nie einen Cluster im Handel gesehen.

Die Österreichische Ärztekammer (ÖAK) begrüßt indes die Entscheidung der Regierung. Diese Maßnahme wäre in Anbetracht der Sorglosigkeit vieler Menschen und der damit verbundenen stetig steigenden Zahl an Infizierten „schon längst notwendig gewesen“, so Ärztekammer-Präsident Thomas Szekeres.

Kritik der Opposition

Die SPÖ begrüßt die Erweiterung der Maskenpflicht, bemängelt aber ein fehlendes Gesamtkonzept der Bundesregierung. Für SPÖ-Gesundheitssprecher Philip Kucher sind die Österreicher „noch immer mit einem Fleckerlteppich und Stückwerk an verschiedenen Regeln konfrontiert“. Dass die Regierung die von SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner eingeforderte Ausweitung der Maskenpflicht umsetze, sei zu begrüßen, aber es mache überhaupt keinen Sinn, wenn auf eine ähnliche Situation in Oberösterreich anders reagiert wird als in Vorarlberg, so Kucher in einer Aussendung.

Die FPÖ kann dem Vorgehen der Regierung nichts abgewinnen. Außer Symbolik habe die Maske „wirklich keinerlei Effekt“, sondern sei „reine Schikane, mit der man der Öffentlichkeit eine Art von Tätigkeit vorgaukeln, die Menschen aber vor allem in Angst versetzen könne“, so FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl. Bei der Regierung heiße es offensichtlich „Inszenierung statt evidenzbasierter Maßnahmen“, so NEOS-Gesundheitssprecher Gerald Loacker. Die Maskenpflicht sei verwirrend und widerspreche jeder wissenschaftlichen Evidenz und den angekündigten Plänen, regionale Maßnahmen setzen zu wollen.

AGES: Keine Auswirkung auf Infektionskurve

Franz Allerberger, Leiter des Bereichs Humanmedizin der Agentur für Ernährungssicherheit (AGES), wies am Dienstag darauf hin, dass sich weder Einführung noch Abschaffung der Maskenpflicht auf die Infektionskurve ausgewirkt hätten. Das hätten Untersuchungen der AGES ergeben. Es sei weitgehend bekannt, wo in Österreich Covid-Ansteckungen erfolgt seien, so Allerberger gegenüber dem Ö1-Morgenjournal am Dienstag. Von 19.500 nachgewiesenen Infektionen konnte die AGES 9.000, also fast die Hälfte einem Cluster zuordnen, so Allerberger weiter.

In Supermärkten seien im Ausland kaum Infektionen erfolgt. „Wir haben in Österreich bis zum heutigen Tag keinen belegten Ausbruch, der auf einen Supermarkt zurückzuführen ist. Es gibt belegte Fälle in Einkaufszentren, wir in Österreich haben bislang keinen einzigen“, so Allerberger. „Da bisher keine belegten Infektionen sind, gehen wir davon aus, dass diese Epidemiekurve auch durch Einführung der neuen Maskenpflicht in Supermärkten nicht beeinflusst wird.“ Doch es sei eine Frage der Politik. Hilft’s net, schadet’s net, so das Credo Allerbergers. „Am Ende des Tages muss der Politiker entscheiden. Nichtstun ist immer schlecht“, so Allerberger.

Allerberger hatte bereits zu Beginn der CoV-Krise, wie etwa Anfang April, darauf hingewiesen, dass es anhand von Studien nicht belegbar sei, dass das Tragen einer Maske bei „durch die Luft übertragenen Krankheitserregern“ einen wirklichen Effekt habe. „Man sieht ja bei diesen Einmalmundschutzmasken links, rechts, oben, unten, wie die Luft hineinkommt“, so Allerberger Anfang April.

Mikrobiologin kritisiert Kärntner Touristenorte

Dass es keinen wissenschaftlichen Beleg zur Einführung einer Maskenpflicht gebe, sah auch die Innsbrucker Mikrobiologin Cornelia Lass-Flörl so. „Der Druck auf die Politik ist so groß, dass Maßnahmen gesetzt werden, ohne Fakten heranzuziehen“, kritisierte sie. „Eine österreichweite Maskenpflicht einzuführen halte ich derzeit für nicht nötig“, hielt sie fest.

Zudem zeigte sie Unverständnis über Maßnahmen wie jene in Kärntner Tourismusorten, wo eine abendliche Maskenpflicht gilt. Ihr fehle hier der „rote Faden“. „Draußen muss man eine Maske tragen und im Lokal nicht? Das ist unlogisch“, merkte sie an. Es gelte nun, die Zahlen der AGES auszuwerten und daraus eine Handlungsmaxime abzuleiten. „Wir müssen langsam wissen, wie wir mit dem Virus weiterleben wollen“, forderte Lass-Flörl.