Chemieabteilung von Harvard
Reuters/Katherine Taylor
Trump und Pandemie

US-Unis bangen um Geld und Image

Nach harschen Protesten hat Präsident Donald Trump eine geplante Regelung zurückgenommen, die ausländische Studierende in den USA bei der ausschließlichen Belegung von Onlinekursen aufgrund der Coronavirus-Pandemie zur Ausreise gezwungen hätte. Allerdings teilte die US-Einwanderungsbehörde mit, dass es im nächsten Semester keine Studienvisa für reine Onlinekurse geben soll. US-Universitäten bangen um entscheidende Einnahmen und internationales Ansehen.

Die finanziellen Beiträge ausländischer Studierender sind für US-Universitäten und -Gemeinden ein wichtiger Budgetposten, zahlen diese doch durchschnittlich eineinhalb bis zweimal so hohe Studiengebühren wie ihre einheimischen Kolleginnen und Kollegen. Im akademischen Jahr 2018/2019 studierten Daten des Instituts für Internationale Bildung (IIE) zufolge knapp 1,1 Millionen Ausländer und Ausländerinnen in den USA – sie machten damit 5,5 Prozent der gesamten Hochschulanmeldungen aus.

Laut Analyse der NAFSA, einer internationalen Lobbygruppe für Bildung, tragen ausländische Studierende rund 41 Milliarden Dollar (36 Milliarden Euro) zum Bruttoinlandsprodukt in Höhe von insgesamt rund 20 Billionen Dollar bei und sichern fast 460.000 Arbeitsplätze. Die meisten dieser Jobs sind in der Bildung angesiedelt, aber auch Immobilienmarkt, Einzelhandel, Transport und Krankenversicherung profitieren. Die finanzielle Unterstützung für die Studierenden kommt größtenteils aus dem Ausland – 57 Prozent von ihnen geben an, dass ihr Hauptlebensunterhalt aus ihren eigenen bzw. familiären Ressourcen bestritten wird.

Hunderte Kläger gegen Visaverordnung

Wenig Wunder also, dass der Aufschrei groß war, als die US-Einwanderungsbehörde Anfang Juli verkündete, ausländische Studierende mit Visa des Typs F1 und M1 dürften nicht im Land bleiben, wenn sie vom Herbst nur an Onlinekursen teilnehmen würden. Die Eliteuniversitäten Harvard und Massachusetts Institute of Technology (MIT) zogen gegen das Vorhaben vor Gericht, 180 US-Universitäten sowie 26 Städte und Bezirke schlossen sich der Klage an. Zudem gingen 17 US-Bundesstaaten sowie der Hauptstadtbezirk Washington juristisch gegen die geplante Regelung vor. Die Kläger prangerten den geplanten Visaentzug als „willkürliche“ Maßnahme an, die das Bildungswesen „ins Chaos“ stürzen würde.

Yale Universität
Reuters/Shannon Stapleton
Die Yale University in New Haven (Connecticut) ist eine der renommiertesten Universitäten

Rund eine Woche später hieß es, die Regierung verwerfe die geplante Maßnahme und kehre zur Regelung vom März zurück. Darin wurde ausländischen Studierenden wegen der Pandemie ausdrücklich erlaubt, ausschließlich Onlinekurse zu besuchen – schon zuvor sahen die US-Bestimmungen nämlich vor, dass Ausländer mit einem Studentenvisum nur sehr begrenzt Kurse online absolvieren dürfen, der überwiegende Anteil der Vorlesungen musste persönlich besucht werden. Doch mittlerweile teilte die US-Einwanderungsbehörde mit, dass es im nächsten Semester keine neuen Studienvisa für reine Onlinekurse geben werde.

Trumps Politik wirkt abschreckend

Die Folgen sind noch offen. Allerdings hatte bereits die Ankündigung Sorgen verursacht. „Wer damit rechnen muss, mitten im Semester plötzlich unverschuldet ausreisen zu müssen, wird sich künftig vielleicht zweimal überlegen, ob er überhaupt dorthin geht“, hielt Alexandra Michel, Geschäftsleiterin der deutschen College Contact GmbH, gegenüber der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ („FAZ“) fest. Die wiederholten Versuche der Trump-Regierung, die Einwanderung einzudämmen, haben bereits jetzt ihre Spuren hinterlassen: Seit 2016 ist die Zahl neuer internationaler Studierender in den USA nach Jahren des steten Wachstums um zehn Prozent zurückgegangen.

Denis Wirtz, stellvertretender Direktor für Forschung an der Johns Hopkins University, warnte davor, dass US-Unis nicht mehr als offene, einladende Orte wahrgenommen werden. Für Wirtz ist das bitter: Er kam 1988 aus Belgien in die USA und erinnert sich, wie herzlich er empfangen wurde. Jetzt würde er angehende Studenten und Forscher davor warnen, dass es eine wachsende Feindseligkeit gegenüber Einwanderern gebe.

Schleichender Abstieg befürchtet

Zudem hätten höhere Schulen in Kanada, Australien und anderen Ländern ihre Bemühungen intensiviert, internationale Talente zu lukrieren. „Diese jungen Menschen könnten sich jetzt dafür entscheiden, woanders hinzugehen oder einfach zu Hause zu bleiben“, sagte er. „Wir werden die Auswirkungen in vier, fünf Jahren sehen. Es ist kein radikaler Absturz, aber ein schleichender Abstieg Richtung Mittelmäßigkeit.“ Die Besorgnis wird an anderen Eliteinstituten geteilt. „Unsere Konkurrenten beneiden uns um unsere Fähigkeit, Talente von überall her anzulocken und gebührend aufzunehmen. Ich fürchte langsam, dass wir diese strategische Stärke erst dann erkennen werden, wenn sie verloren ist“, schrieb der Präsident des MIT, L. Rafael Reif.

Es ist auch ein ökonomischer Kampf, den die US-Universitäten derzeit zu führen haben: Viele von ihnen – etwa alle Topinstitute – sind privat, erhalten also keine Basisfinanzierung von öffentlicher Hand. Studienbeiträge sind für sie essentiell, die höheren der Auslandsstudierenden entsprechend gefragt. Ökonom Richard Vedder, der seit Jahrzehnten an der Ohio University lehrt, sagte dem Schweizer Radio und Fernsehen (SRF): „Der Anteil der Gebühren an den gesamten Einnahmen der Unis beträgt bis zu 70 Prozent.“ Hochschulen würden sogar in Spots und Inseraten um Studierende werben. Viele junge Leute hätten wegen der Pandemie nun aber Angst, im Herbst auf den Campus zurückzukehren.

Universität in Miami
Die University of Miami musste im Zuge der Pandemie Personal abbauen

Stark steigende Gebühren

Auch die hohen Studiengebühren würden einige davon abhalten, sich für das neue Semester einzuschreiben. „Die Gebühren sind in den letzten Jahren überproportional gewachsen“, so Vedder. Ein vierjähriges Bachelorstudium an der privaten University of Miami (UM) etwa kostet rund eine Viertel Million Euro, an der staatlich unterstützten Ohio University sind es noch immer an die 150.000 Euro. In der Krise würden sich auch Fehlentwicklungen der letzten Jahre zeigen, sagte Vedder: „Sport, Events und auch Marketing sind an US-Hochschulen zu wichtig geworden.“ Die Verwaltung sei größer als der Lehrkörper, Wirtschaftsberater hätten Einzug gehalten, Profitabilität sei oft wichtiger als akademischer Erfolg.

Am Beispiel der University of Miami wird das Problem offensichtlich: Höhere Kosten für gesundheitliche Schutzmaßnahmen und Investitionen in den Onlineunterricht stünden Millioneneinbußen gegenüber, weil etwa externe Gelder für Forschungsprojekte, die gestoppt werden mussten, ausbleiben. Zudem musste die UM ihren Studentinnen und Studenten bereits bezahlte Gebühren für Unterkunft und Verpflegung zurückerstatten, weil der Campus nach den Frühlingsferien geschlossen war, sagte der stellvertretende Rektor Jeffrey Duerk gegenüber dem SRF. Im Mai musste die Universität einen Teil ihrer 16.000 Angestellten entlassen.

Kleine Unis im Überlebenskampf

Vermögenden Eliteunis dürfte die Krise nicht allzu nahe gehen, kleinere Institute kämpfen laut SRF dagegen um ihr Existenz: Schätzungen zufolge dürfte von 4.000 Einrichtungen jede fünfte die nächsten zwei Jahre finanziell nicht überstehen. Diese Einschätzung teilt auch Georg Fürlinger, Innovationsbeauftragter der Außenwirtschaft Austria. Harvard, Stanford und Co. hätten eine „starke Credibility und werden bestehen bleiben. Das Problem sind aber die Universitäten aus der zweiten und dritten Reihe. Hier stellt sich die Frage, wie man die hohen Studiengebühren noch rechtfertigen kann, wenn die Kurse hauptsächlich online stattfinden.“