Chinesisches Konsulat in Houston
AP/Steve Campbell
Konsulatsschließung

Rätselhafte Eskalation im Streit USA – China

Der Streit zwischen den USA und China eskaliert weiter – diesmal mit einer eher rätselhaften Wendung. Die US-Behörden ordneten die Schließung des chinesischen Konsulats in der texanischen Stadt Houston an. Begründet wurde der Schritt vage: „um das geistige Eigentum der USA sowie die privaten Daten von US-Bürgern zu schützen“. Offenbar gibt es einen Zusammenhang mit der Anklage gegen zwei Chinesen, Daten zu Coronavirus-Impfstoffen gestohlen zu haben.

Chinas Außenministeriumssprecher Wang Wenbin sprach am Mittwoch vor der Presse in Peking von einem „ungeheuerlichen und ungerechtfertigten Schritt“. „Wir fordern die USA auf, ihre falsche Entscheidung sofort zurückzuziehen“, sagte der Sprecher. „Anderenfalls wird China eine legitime und notwendige Reaktion geben.“ Nach Angaben in Staatsmedien wurde den Diplomaten nur 72 Stunden gegeben, die USA zu verlassen.

Die Schließung sei erfolgt, „um geistiges amerikanisches Eigentum und private amerikanische Informationen zu schützen“, teilte in Washington die Sprecherin des Außenministeriums, Morgan Ortagus, nach Angaben der US-Botschaft in Peking mit. Nach der Wiener Konvention hätten Diplomaten die Gesetze und Vorschriften des jeweiligen Gastlandes zu respektieren. Auch hätten sie die Pflicht, „sich nicht in innere Angelegenheiten des Staates einzumischen“.

Zusammenhang mit Anklage gegen Hacker?

Die USA würden es nicht zulassen, dass ihre Souveränität verletzt und Amerikaner eingeschüchtert würden – genauso wie die unfairen Handelspraktiken Chinas, der Diebstahl amerikanischer Jobs und anderes „ungeheuerliches Verhalten“ nicht geduldet werde, wurde die Sprecherin ferner zitiert. Details nannte sie zunächst nicht. Chinas Außenamtssprecher sprach von einer „politischen Provokation“.

Spekuliert wurde, dass ein Schritt der US-Behörden von Dienstag mit der Schließung im Zusammenhang steht: Die USA klagten zwei chinesische Staatsbürger wegen des mutmaßlichen Internetdiebstahls von Forschungsergebnissen zu Impfstoffen gegen das neuartige Coronavirus. Die Hacker im Alter von 33 und 34 Jahren hätten geistiges Eigentum von Firmen in den USA und anderen Ländern abgreifen wollen und auch Menschenrechtsaktivisten in den USA und Hongkong angegriffen, sagte John Demers vom US-Justizministerium am Dienstag bei einer Pressekonferenz.

„Auch Firmen außerhalb der USA ausspioniert“

Die Hacker hätten teilweise „zu ihrem eigenen Vorteil“, teilweise für das chinesische Ministerium für Staatssicherheit gearbeitet, sagte Demers. Beide sollen sich in China und damit außerhalb der Reichweite der US-Justiz befinden.

Erst kürzlich hätten die Angeklagten kalifornische Unternehmen angegriffen, die an Impfstoffen und Tests gegen das neuartige Coronavirus arbeiten, sagte der zuständige Staatsanwalt William Hyslop. Sie sollen aber auch Firmen außerhalb der USA ins Visier genommen haben. Hyslop sagte, weltweit seien „viele Unternehmen, Individuen und Behörden“ gehackt worden. Dabei seien viele sensible und wertvolle Geschäftsgeheimnisse, Technologien, Daten und persönliche Informationen gestohlen worden.

Schon im Mai hatte China den Vorwurf der USA, es wolle mit Hilfe von Hackern Forschungsergebnisse zu möglichen Coronavirus-Impfstoffen stehlen, zurückgewiesen.

Ähnliche Vorwürfe gegen Russland

Ende vergangene Woche waren aus Großbritannien ähnliche Vorwürfe erhoben worden – allerdings gegen Russland. Britische Behörden warfen Hackern vor, im Auftrag Moskaus weltweit Cyberspionage bei Impfstoffforschern zu betreiben. Laut einer Mitteilung des britischen Zentrums für Cybersicherheit NCSC (National Cyber Security Centre) vom Donnerstag versucht eine Hacker-Gruppe, die unter dem Namen „APT29“ oder auch „Cozy Bear“ und „The Dukes“ bekannt ist, seit Beginn der Coronavirus-Pandemie unter anderem von Organisationen in der Forschung und Entwicklung von Impfstoffen „wertvolle Daten“ zu stehlen. Die Gruppe operiere „beinahe sicher“ als Teil von russischen Geheimdiensten, hieß es in einer NCSC-Mitteilung. Diese Einschätzung werde auch von Behörden in den USA und Kanada geteilt. Inwieweit die Fälle zusammenhängen, ist unklar, allerdings ist die Ähnlichkeit der Vorwürfe frappant.

Spannungen verschärft

Die Schließung des Konsulats verschärft indes die Spannungen zwischen den beiden größten Volkswirtschaften, die schon wegen Chinas Umgang mit dem Ausbruch des Coronavirus, der Handelspolitik und dem harten chinesischen Vorgehen in Hongkong und in Xinjiang im Streit liegen. Das Verhältnis ist aus chinesischer Sicht so schlecht wie seit Aufnahme der diplomatischen Beziehungen 1979 nicht mehr. Schon zuvor hatte es Gerangel um Diplomaten auf beiden Seiten gegeben.

Das chinesische Konsulat in Houston ist vergleichsweise groß – mit Dutzenden von Diplomaten. Es dient den Südstaaten der USA. Allerdings ist die Visavergabe wegen der Coronavirus-Pandemie ohnehin eingestellt, da China die Grenze für Ausländer seit März praktisch geschlossen hat.

Dokumente verbrannt

Nach der angeordneten Schließung verbrannten Mitarbeiter des Konsulats nach Angaben von US-Medien massenhaft Dokumente. Chinas Außenamtssprecher wollte die Berichte auf Fragen von Journalisten nicht bestätigen, sondern sagte nur, das Konsulat arbeite „normal“. Polizei und Feuerwehr hatten auf Berichte von Anrainern reagiert, das Gelände aber nicht betreten können. Im Hof des Konsulats seien Dokumente in Mülltonnen verbrannt worden, hieß es.

Feuerwehrauto vor dem chinesisches Konsulat in Houston
AP/David J. Phillip
Die Feuerwehr in Houston rückte aus, nachdem das Verbrennen von Dokumenten Feueralarm ausgelöst hatte.

China beklagt Schikanen

Chinas Sprecher sagte, die US-Regierung habe am Dienstag überraschend gefordert, dass das Generalkonsulat in Houston „seinen ganzen Betrieb und alle Veranstaltungen einstellt“. Der Schritt verstoße gegen internationale Normen und die konsularischen Vereinbarungen beider Länder. Er werde die Beziehungen „sabotieren“.

Seit einiger Zeit schon belästigten die USA das diplomatische und konsularische Personal Chinas, kritisierte Wang Wenbin. Auch sei diplomatische Post, die eigentlich geschützt ist, mehrfach geöffnet worden. Dabei seien auch Gegenstände konfisziert worden. Die einseitige Schließung eines Konsulats in einer derart kurzen Zeit sei eine „beispiellose Eskalation des jüngsten Vorgehens gegen China“.

Gegenreaktion erwartet

Die USA hätten im vergangenen Oktober und im Juni schon zweimal Beschränkungen gegen das diplomatische Personal Chinas in den USA erlassen, beklagte der Außenamtssprecher. Er warf amerikanischen Diplomaten in China seinerseits vor, sich in China „einzumischen“ und die chinesische Gesellschaft zu „infiltrieren“. Auch gebe es mehr Personal in den diplomatischen Missionen der USA in China als umgekehrt.

Im diplomatischen Geschäft folgt auf eine drastische Maßnahme wie die Schließung eines Konsulats oder die Ausweisung von Diplomaten meist eine ähnliche Gegenreaktion, sodass eines der fünf Konsulate der USA in China in Chengdu, Guangzhou, Shanghai, Shenyang und Wuhan von Vergeltungsmaßnahmen betroffen sein könnten. Die USA und Russland hatten vor einiger Zeit ein ähnliches Ping-Pong-Spiel betrieben.