Hans Peter Doskozil, Mario Kunasek und Edmund Entacher
APA/Robert Jaeger
Bundesheer

Ungewöhnliche Allianz gegen Tanner

Am Montag hat sich mit den beiden ehemaligen Verteidigungsministern Mario Kunasek (FPÖ) und Hans Peter Doskozil (SPÖ) sowie dem Ex-Generalstabschef Edmund Entacher eine ungewöhnliche Allianz gegen die aktuelle Ressortchefin Klaudia Tanner (ÖVP) gestellt. Das Trio kritisierte die Reformpläne für das Heer, warnte vor einem „Kaputtsparen“ und bekundete die Ansicht, dass Tanner „rücktrittsreif“ sei.

Anlass sind die Reformpläne für das Heer, die jüngst mit ihren Einsparungsvorhaben für hitzige Debatten gesorgt hatten. Gefordert wurden in der Pressekonferenz in Wien unter anderem eine klare Kommunikation Tanners, mehr Budget für das Heer und ein größeres Bekenntnis zur Landesverteidigung. Aktuell würden Strukturen zerschlagen, so das Trio.

Der burgenländische Landeshauptmann Doskozil forderte Tanner auf, endlich zu erklären, was sie mit dem österreichischen Bundesheer vorhabe. Sie müsse ihre politischen Ziele und Planungsparameter darlegen. Aktuell gebe es kaum Kommunikation zwischen dem Generalstab und der Ressortführung. „Es gibt keine Vorgaben zur Saab, es gibt keine Vorgaben zum Eurofighter, es gibt keine Vorgaben zur Struktur.“ Einzig ein kleiner Kreis an Kabinettsmitarbeitern mache sich abseits der Öffentlichkeit Gedanken zum Heer.

Hans Peter Doskozil, Mario Kunasek und Edmund Entacher
APA/Robert Jaeger
Das Trio schoss sich auf die Reformpläne ein

Dabei ließ er auch kein gutes Haar an Tanners grundsätzlicher Einstellung: „Ich glaub, die Frau Bundesministerin weiß nicht, was es heißt, ein souveräner Staat zu sein.“ Ihm fehle es bei Tanner zudem an „Leadership“. Zum jetzigen Zeitpunkt sei sie „rücktrittsreif“. Es gehe schließlich um die Existenz des Bundesheeres.

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) müsse sich endlich etwas überlegen, meinte Doskozil. Er erwarte sich vom Kanzler eine Erklärung, immerhin habe sich dieser „über Jahre die Sicherheitspolitik an die Fahnen geheftet“. Viel Hoffnung hat er aber nicht, denn in Wirklichkeit interessiere es niemanden in dieser Bundesregierung, was mit dem Bundesheer weiter passiere.

Kunasek kritisiert Gesinnungswandel bei ÖVP

Genauso sieht das Kunasek, der Verteidigungsminister in der ÖVP-FPÖ-Regierung war. Man habe damals eigentlich festgelegt, dass beim Bundesheer nicht gespart werden soll, so der jetzige Klubobmann der FPÖ Steiermark. Ein paar Wochen später sei das Papier dann nichts mehr wert gewesen – erst bei einem Gespräch mit dem damaligen Regierungskoordinator und heutigen Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP), bei dem er mit seinem Rücktritt gedroht habe, habe er mehr Geld fürs Heer heraushandeln können, so Kunasek: „Innerhalb der ÖVP interessiert sich für das Thema Bundesheer und Landesverteidigung eigentlich niemand.“

Tanner versuche jetzt, die militärische Landesverteidigung auszuhöhlen. Auch ein unter ihm erstellter Bericht zu den Mängeln innerhalb des Heeres sei folgenlos geblieben. In Wahrheit brauchte es ein Regelbudget von zumindest drei Milliarden Euro jährlich und natürlich Sonderinvestitionen für große Beschaffungen, forderte Kunasek.

Tanner verbreite zudem „Unwahrheiten“, so Kunasek, etwa dass die Kommission im Heer unter ihm festgestellt habe, man solle keine Unterschalljets als Ersatz für die alten Saab nachbeschaffen. Auch bei der Nachbeschaffung von Hubschraubern sei Tanner „säumig“. Sollte es tatsächlich zur Aufwertung der Milizsoldaten kommen, müsse sich diese auch finanziell für die Betroffenen niederschlagen, so Kunasek. Aktuell gebe es große Gehaltsunterschiede innerhalb der Miliz, diese müssten beseitigt werden.

Ex-Minister sehen keine eigenen Versäumnisse

Eigene Versäumnisse bei der finanziellen Ausstattung des Bundesheers sehen die Ex-Verteidigungsminister nicht. Für den früheren Generalstabschef Entacher ist es auch gar nicht so wichtig, wer am Zustand schuld ist, es ist für ihn schlicht „glasklar“, dass das Heer einfach mehr Budget brauche.

Verteidigungsministerin Klaudia Tanner
APA/Robert Jaeger
Tanner stand am Montag im Zentrum der Kritik

Die Politik habe mittlerweile die „Weltmeisterschaft“ erreicht „in Ausreden“ – mal sei Österreich von Freunden umzingelt, dann gebe es wieder keine Panzerschlachten mehr. Dabei sei Landesverteidigung eigentlich leicht zu erklären: Bei jedem europäischen Konflikt sei Österreich allein geografisch betroffen, gab Entacher zu bedenken. Es spitze sich alles auf eine Frage zu: „Wollen wir, dass Österreich in der Lage ist, sich zu verteidigen – ja oder nein?“

„Das kann das heutige Bundesheer nicht mehr“

Wenn man sich nicht vorbereite, werde man im Notfall auf den Schalter drücken und dann werde nichts passieren – ein vernünftiger Mensch könne das nicht wollen, ist sich Entacher sicher. Man dürfe sich keine Illusionen machen, Hilfsleistungen wie beim Hochwasser 2002 oder den Schneekatastrophen 2005/2006, „das kann das heutige Bundesheer nicht mehr“. Entacher ortet ein „echtes Zerstören von Strukturen“.

Ob man bei Cyberdefense oder der ABC-Abwehr besser werde, werde man erst sehen, wenn tatsächlich investiert werde. Und auch für die Miliz gebe es „viele Sonntagsreden“, aber die aus seiner Sicht notwendige Übungspflicht für die Verbände komme erst wieder nicht. In einem Interview mit der „Presse“ hatte Entacher zuvor kritisiert, dass der Plan verfolgt werde, vollkommen auf die Landesverteidigung zu verzichten: „Meiner Meinung nach steckt ein moderner österreichischer Pazifismus dahinter. Man darf nicht alle in einen Topf werfen: Manche Bubis und Bobos in den Parteien wollen das Bundesheer einfach nicht. Und das ist ein wichtiger Teil der politischen Klasse.“

Auch Wirecard-Affäre Thema

Zur Sprache kam auch der Nationale Sicherheitsrat, bei dem es um die Wirecard-Affäre und ein angebliches Milizprojekt in Libyen gehen soll. Der untergetauchte Wirecard-Manager Jan Marsalek soll versucht haben, mit finanzieller Unterstützung des österreichischen Verteidigungsministeriums ein angebliches Wiederaufbauprojekt für das Bürgerkriegsland Libyen zu starten, soll aber laut „Financial Times“ eigentlich die Errichtung einer Miliz geplant haben.

Das Verteidigungsressort bestätigte Gespräche mit einer „deutschen Expertengruppe“, die 2017 unter Doskozil begannen und sich bis 2018 unter Kunasek zogen. Es gab demnach eine „Absichtserklärung“ des Ministeriums, sich zu beteiligen, umgesetzt wurde das Projekt aber nicht. Die beiden früheren Minister äußerten sich auf Nachfrage bei einem gemeinsamen Medientermin zum Bundesheer nicht zu Details der Causa. Er sei von diesem Thema selbst überrascht worden und habe davon aus den Medien erfahren, meinte Doskozil. Nach dem, was er dann recherchiert habe, sei es um ein Flüchtlingslager gegangen – daraus abzuleiten, dass Österreich eine Miliz in Libyen aufbauen wollte, „das ist ja mehr als skurril“. Kunasek nannte die Vorwürfe eine "schwere Nebelgranate.

ÖVP sieht „intrigante“ und „durchschaubare“ Inszenierung

Die ÖVP ließ sich die Kritik nicht gefallen: Deren gemeinsame Pressekonferenz sei eine „intrigante und leicht durchschaubare Inszenierung“, befand die stellvertretende ÖVP-Generalsekretärin Gabriela Schwarz. „Die Allianz Doskozil–Kunasek ist an Absurdität wohl kaum zu überbieten, da beide für die aktuelle schwierige finanzielle Situation des österreichischen Bundesheeres verantwortlich sind“, so Schwarz. Doskozils Verhalten sei eines Landeshauptmannes nicht würdig.

ÖVP-Wehrsprecher Michael Hammer echauffierte sich ebenfalls über die „Ablenkungs-Pressekonferenz“, diese sei eine „Farce“ und „der Gipfel am Eisberg der Showpolitik“. Beide hätten genug Zeit gehabt, ihre Forderungen, die sie jetzt an Tanner richten, selbst umzusetzen, erinnerte Hammer. Doskozil und Kunasek seien „Veteranen des Scheiterns“. Auch Ex-Verteidigungsminister Werner Fasslabend (ÖVP) rückte zur Verteidigung Tanners aus. Er sei „persönlich enttäuscht und befremdet, dass zwei ehemalige Minister versuchen, politisches Kleingeld aus der schwierigen Situation des Österreichischen Bundesheeres zu machen“.