Schild mit der Aufschrift Grenzkontrolle
APA/AFP/Joe Klamar
„Schlampigkeit“

Scharfe Kritik an neuen CoV-Einreiseregeln

Die Coronavirus-Gesetzgebung steht schon seit Wochen in Kritik. Vergangene Woche erklärte der Verfassungsgerichtshof (VfGH) mehrere Bestimmungen zur CoV-Bekämpfung für gesetzeswidrig. Nun stehen die neuen Einreiseregeln im Fokus. Juristen orteten am Montag „Schlampigkeit“. Der Verfassungsdienst war eigenen Angaben zufolge in der aktuellen Novelle nicht eingebunden.

Am Wochenende hatten die neuen Einreisebestimmungen, die am späten Freitagabend erlassen wurden und seit Montag gelten, für Verwirrung und Missinterpretationen gesorgt. Während in einer ersten Presseunterlage die verpflichtende PCR-Testung erwähnt wurde, interpretierte man dann die Verordnung im Ministerium so, dass alternativ zum (nun doch obligatorischen) Test auch ein Verbleib in der zehntägigen Quarantäne möglich sei – und zwar ohne Testung. Das ist nun doch nicht der Fall. Der Test muss auf jeden Fall nachgeholt werden, so die finale Auskunft aus dem Gesundheitsministerium.

Für die Verfassungsjuristen Manfred Matzka und Heinz Mayer ist klar, warum unterschiedliche Interpretationen möglich waren: Die Verordnung habe zu viele Fehler und sei zu ungenau. Der langjährige Spitzenbeamte im Bundeskanzleramt Matzka sagte etwa, dass er in der Verordnung „27 Fehler“ gefunden habe, „Beistrichfehler, Rechtschreibfehler inklusive. Jetzt kann man sagen, es ist ja wurscht, ob ein Beistrichfehler … Aber es zeigt eine gewisse Schlampigkeit. Und die Schlampigkeit bei Rechtsvorschriften mindert das Vertrauen in das Recht und den Gehorsam gegenüber dem Recht.“

Auch Mayer hielt sich mit scharfer Kritik nicht zurück: „Ich bin eigentlich in wesentlichen Punkten gescheitert, weil schwere grammatikalische Schnitzer drinnen sind. Das ist sicherlich ein Meisterstück. Sowas habe ich eigentlich noch nicht erlebt.“ Für ihn legt die Verordnungen nahe, dass „offenbar die Formulierung von Rechtsvorschriften nicht in der Hand von ausreichend qualifizierten Juristen liegt“. Matzka betonte abermals die Kompetenz des Verfassungsdienstes im Bundeskanzleramt: „Gibt’s den nicht mehr? Darf er nichts sagen? Wird er nicht eingeschaltet? Ich verstehe das nicht. Es sind ja Profis vorhanden. Die werden offenbar nicht genutzt.“

Gesundheitsminister Rudolf Anschober
APA/Roland Schlager
Die Verordnungen aus dem Gesundheitsministerium werden teils scharf kritisiert

Ministerium übermittelte Präzisierung

Aus dem Verfassungsdienst hieß es am Montag auf ORF.at-Anfrage, dass man im Vorfeld der am Montag in Kraft getretenen Novelle der Einreiseverordnung „nicht eingebunden“ wurde. Erst nach der Kundmachung sei ein Vorschlag einer Präzisierung der Verordnung aus dem Gesundheitsministerium an den Verfassungsdienst übermittelt worden. „Durch diese Präzisierung sollen legistische Mängel beseitigt werden“, hieß es aus dem Rechtsdienst im Kanzleramt. „Der Verfassungsdienst steht in verfassungsrechtlichen und legistischen Fragen allen Ressorts stets zur Verfügung.“

Seit Montag gilt: Für die Rückkehr nach Österreich aus Coronavirus-Risikogebieten ist verpflichtend ein negativer PCR-Test notwendig. Liegt ein solcher bei der Einreise nicht vor, müssen die Betroffenen in Heimquarantäne und den Test innerhalb von 48 Stunden nachholen. Keinesfalls verlassen können die Quarantäne Drittstaatsangehörige – und zwar auch bei Vorlage eines negativen PCR-Tests, außer sie haben ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich.

„Der Kuddelmuddel ist beinand“

Warum es zwischen EU-Bürgern und Drittstaatsangehörige in Sachen Tests und Quarantäne eine Differenzierung gibt, ist für Matzka „nicht logisch“: „Wenn ein Test bedeutet, dass man nicht infektiös ist, würde ein normaler Mensch mit normalem Menschenverstand sagen: Okay, dann ist eine Quarantänepflicht zu Ende. Oder wenn der Test das nicht bedeutet, dann ist die Quarantänepflicht halt nicht zu Ende“, so der ehemalige Präsidialchef im Bundeskanzleramt. Es sei nicht logisch, wenn es in einem Fall so sei, im anderen aber anders.

Die Ausnahmen bei der Einreise für Drittstaatsangehörige – nämlich für Pflegepersonal, Saisonarbeitskräfte und Diplomaten – hält Matzka für nachvollziehbar. Allerdings kritisierte er, dass der „gewerbliche Verkehr“ nicht konkret genug ist. „Was ist der gewerbliche Verkehr?“, fragte er. Insgesamt sei die Gesetzgebung zu unscharf, und die Verordnungen würden zu spät kommen. „Unterschiedliche Leute interpretieren Unterschiedliches in den Text hinein, und der Kuddelmuddel ist beinand“, so Matzka.

Übergangsfrist endet früher als kommuniziert

Für Österreicher (sowie für Personen mit Wohnsitz in Österreich), die sich bereits im Ausland befinden, gilt laut Verordnung eine Übergangsfrist. Diese fällt aber kürzer aus als vom Ministerium ursprünglich angekündigt. In einer Aussendung des Ministeriums am Wochenende hatte es noch geheißen, dass die neuen Regeln für sie erst ab 1. August (Samstag) gelten. Tatsächlich ist das aber schon ab 30. Juli (Donnerstag) der Fall.

Im neuen Paragrafen 6a der Verordnung über die Einreise nach Österreich in Zusammenhang mit der Eindämmung von SARS-CoV-2 heißt es nämlich: „Für Personen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt in Österreich, die sich zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Novelle (…) außerhalb des Bundesgebietes befinden, gilt bis zum Ablauf des fünften Tages nach Kundmachung der Novelle (…) die Rechtslage vor Inkraftreten der Novelle (…).“ Kundgemacht wurde die Novelle am 24. Juli.

Rechtlich auf dünnem Eis

Dass die Coronavirus-Gesetzgebung teils Lücken hat und fehlerhaft ist, ist nicht neu. Dass etwa die von der ÖVP-Grünen-Regierung erlassenen Ausgangsbeschränkungen auf rechtlich dünnem Eis standen, war bereits seit März klar. Juristen und Juristinnen stießen sich nämlich nicht nur daran, dass die Regierung in ihren Pressekonferenzen Verbote verkündete, die tatsächlich nie erlassen wurden (etwa das Verbot, Freunde und Familienmitglieder zu besuchen). Auch dass die Ausgangsbeschränkungen in dieser Form überhaupt zulässig waren, wurde bald bezweifelt.

So hatte der Anwalt und frühere Liste-Pilz-Mandatar Alfred Noll Ende März in einem Gastkommentar in der Zeitung „Der Standard“ darauf hingewiesen, dass Anschobers Verordnung durch das Covid-19-Maßnahmengesetz nicht gedeckt war. Das Gesetz erlaubte Anschober nämlich nur, das Betreten „bestimmter Orte“ zu untersagen. Erlassen wurde dann aber ein generelles Ausgangsverbot mit einigen Ausnahmen. Genau das war nun der Grund für die Aufhebung durch den VfGH.

Kritik sowohl daran als auch an der restriktiven Auslegung der Ausnahmen wischte die Regierung damals allerdings wiederholt vom Tisch. So bestand der zuständige Gesundheitsminister Anschober noch Ende April – kurz vor dem Ende der Ausgangsbeschränkungen – auf deren Zulässigkeit. „Wir haben auch unsere Juristinnen und Juristen, die sehen das absolut anders, dass das selbstverständlich verfassungskonform ist“, sagte Anschober damals. Besonders deutlich abblitzen ließ die juristischen Kritiker Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP). „Es wird immer Personen geben, die juristisch spitzfindig sind“, sagte er im April und warf ihnen vor, „Verwirrung zu stiften“.