Menschen mit Schutzmasken auf einem Markt in Lüttich (Belgien)
APA/AFP/Nicolas Maeterlinck
Steigende CoV-Zahlen

Belgien schränkt Kontakte wieder ein

Belgien führt erneut Einschränkungen im Kampf gegen die Ausbreitung des Coronavirus ein. Seit Wochen steigen die Infektionszahlen. Am Wochenende gab es mit über 500 Neuinfektionen in 24 Stunden einen neuen Höhepunkt. Premierministerin Sophie Wilmes hatte daher bereits für Montag den Nationalen Sicherheitsrat einberufen.

„Die Viruslast scheint bei manchen Menschen höher zu sein als gewöhnlich, sodass sie viel ansteckender sind“, sagte Wilmes und zeigte sich über die aktuellen Entwicklungen besorgt. Ab Mittwoch sollen nun für die kommenden vier Wochen die Kontakte wieder reduziert werden.

Jeder Haushalt soll in diesem Zeitraum zu maximal fünf Personen statt wie bisher 15 engeren Kontakt haben. Es handle sich dabei um Situationen, in denen der Mindestabstand nicht eingehalten werden kann, präzisierte Wilmes. Kinder unter zwölf Jahren zählen nicht als Teil dieser fünf Personen. Hochzeiten und Feiern sind für bis zu zehn Personen erlaubt. Grund sei, dass Cluster oft mit Aktivitäten dieser Art in Zusammenhang standen, so die Regierung.

Die belgische Premierministerin Sophie Wilmes
AP/Dirk Waem
Belgiens Premierministerin Wilmes will für die nächsten vier Wochen die Kontakte der Belgier reduzieren

In 30 Minuten einkaufen

Organisierte Veranstaltungen sollen von den lokalen Behörden überwacht und im Risikofall abgesagt werden. Auch die erlaubte Teilnehmerzahl wurde wieder reduziert. Erlaubt sind hier nun 100 Personen in geschlossenen Räumen, 200 Personen im Freien – mit Maskenpflicht. An Ausflügen in einer Gruppe dürfen nach den neuen Regelungen nicht mehr als zehn Personen teilnehmen – auch hier sind Kinder unter zwölf Jahren ausgenommen. Ausnahmen sind auch Sportaktivitäten. Einkäufe sollten alleine und in der Regel in 30 Minuten erledigt werden.

Schon vergangene Woche hatte die Regierung die Schutzmaßnahmen verstärkt. An allen „stark besuchten Orten“ wie Märkten, Einkaufsstraßen, Hotels, Restaurants und Cafes gilt seit Samstag Maskenpflicht. Am Tisch können die Masken fallen. Allerdings müssen Kunden und Kundinnen von Lokalen und Hotels ihre E-Mail-Adresse und Telefonnummern angeben, um bei möglichen CoV-Fällen kontaktiert werden zu können. Diese Daten werden für 14 Tage gespeichert. In Geschäften, Kinos, Museen, Bibliotheken und öffentlichen Verkehrsmitteln gilt schon seit Anfang Juli die Maskenpflicht.

Nächtliche Ausgangssperre in Antwerpen

In den ersten Wochen der Pandemie musste sich die Regierung den Vorwurf gefallen lassen, zu langsam mit Gegenmaßnahmen reagiert zu haben und das Coronavirus unterschätzt zu haben. Nun möchte die Regierung nichts mehr versäumen. Ein weiterer „Lock-Down“ soll zwar verhindert werden, doch die bisher gesetzten Verschärfungen reichen für die derzeitige Phase der Epidemie nicht aus, betonte die Virologin Erika Vlieghe, die die belgische Regierung berät.

Besonders betroffen ist die Provinz Antwerpen. Hier verhängte die Regierung eine nächtliche Ausgangssperre zwischen 23.30 und 6.00 Uhr. Nicht absolut notwendige Reisen nach Antwerpen sollen vermieden werden. Aber das Virus breitet sich im ganzen Land aus, wie die Zahlen bestätigen.

Neuinfizierte mehrheitlich unter 60 Jahre

Steckten sich Anfang Juli noch im Schnitt täglich 101 Menschen an, lag im Zeitraum von 17. bis 23. Juli der Durchschnitt der täglichen Neuinfektionen bereits bei knapp 279 Personen, wie die Zahlen des nationalen belgischen Instituts für Gesundheit (Sciensano) zeigen. Das sei ein besorgniserregender Zuwachs von 71 Prozent, so Wilmes.

Besonders auffällig ist, dass bei den Neuinfektionen der vergangenen Wochen wie auch in anderen Ländern wie Spanien vor allem jüngere Menschen betroffen sind. 80 Prozent der Neuinfizierten in Belgien sind unter 60 Jahre. Zugleich sank die Zahl der Todesfälle – von durchschnittlich drei auf zuletzt zwei pro Tag. Doch die Sorge der Regierung ist groß, dass die Jungen die ältere Bevölkerung anstecken und einem größeren Risiko aussetzen könnte.

Fast 10.000 Tote

Seit Beginn der Pandemie verzeichnet Belgien rund 66.000 Infektionsfälle. Mit mehr als 9.800 verzeichneten Toten hat Belgien auf die Bevölkerungszahl hochgerechnet – abgesehen von Kleinstaat San Marino – die höchste Todesrate weltweit. Auf 100.000 Einwohner kommen laut Daten der John Hopkins University rund 86 Todesfälle. Zum Vergleich: Großbritannien liegt mit 69 Toten auf Rand drei in dieser Statistik, in Österreich sind es rund acht. Allerdings liegt das zu einem Gutteil an der belgischen Zählweise: Hier wurden auch Verdachtsfälle inkludiert, die nicht einmal auf das Virus getestet wurden. Das betraf vor allem Tote in Senioren- und Pflegeheimen.

Nur 15 Prozent der Verstorbenen dort wurden getestet, die anderen wurden schon auf Verdacht in die Statistik einbezogen. Und diese Heime waren in Belgien besonders von der Pandemie betroffen. Unterschiedlichen Schätzungen zufolge sind mehr als die Hälfte aller Opfer der Pandemie in Alters- und Pflegeheimen zu verzeichnen.

Dass das Land schwer von der Pandemie getroffen wurde, sieht man aber auch an der Zahl der positiv Getesteten hochgerechnet auf die Bevölkerung. Auf 100.000 Einwohner kommen 577 Infizierte. Das entspricht in etwa der Rate von Spanien, liegt aber höher als in den meisten europäischen Ländern. In Österreich liegt dieser Wert bei 232.