Übersicht in St. Wolfgang
APA/Barbara Gindl
Cluster in St. Wolfgang

Wieder mehr Fälle, 18 Betriebe betroffen

Die Zahl der Infizierten im Salzkammergut-Tourismusort St. Wolfgang ist bis zum späten Montagabend auf 62 angestiegen. Das teilte der Krisenstab des Landes Oberösterreich mit. Alle 1.183 Tests wurden ausgewertet. 18 Betriebe im Ort sind inzwischen betroffen. Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) verteidigte das Vorgehen der Behörden.

Dabei handelt es sich um 17 Hotels bzw. Lokale sowie ein Geschäft. Ebenfalls betroffen sind ein Gasthaus und ein Badeplatz in der Ortschaft Ried/St. Gilgen im Bundesland Salzburg sowie ein Gasthof in Strobl (ebenfalls Bundesland Salzburg). Das Land Salzburg beginnt am Dienstag deshalb damit, alle Tourismuspraktikantinnen und -praktikanten in den zwei Salzburger Anrainergemeinden zu testen. Die Landessanitätsdirektion hat dazu am Montag die Betriebe in St. Gilgen und Strobl kontaktiert, mit der Bitte, die betroffenen Mitarbeiter zu melden.

„Die Maßnahme dient als Vorsorge, um eine mögliche weitere Ausbreitung einzudämmen“, sagte ein Sprecher von Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP) zur APA. „Je nachdem, wie viele Praktikanten betroffen sind, wird eine eigene Teststraße eingerichtet oder betriebsweise getestet.“ Zugleich werde auch abgeklärt, wie viele der Praktikanten bereits durch die Tourismusscreenings des Bundes getestet wurden, die in der Region gerade stattfinden.

Am Dienstag hatte eine Hotelmitarbeiterin in St. Wolfgang Coronavirus-Symptome gezeigt. Sie wurde noch am selben Tag getestet. Mittwochfrüh wurde der Krisenstab des Landes Oberösterreich über das positive Ergebnis informiert. Man habe sofort mit großangelegten Testungen und dem Kontaktpersonenmanagement begonnen, hieß es dort. Die Öffentlichkeit wurde allerdings erst am Freitag unterrichtet, damals waren acht Fälle bekannt.

Übersichtsaufnahme von St. Wolfgang
APA/Fotokerschi.at/Kerschbaummayr
In St. Wolfgang gibt es derzeit über 60 Fälle

St. Wolfgang „ein Cluster wie andere“

Derzeit gehe man davon aus, dass der Cluster eingegrenzt sei, sagten die Krisenstabsmitglieder Carmen Breitwieser und Tilman Königswieser bei einer Pressekonferenz. Man habe bei vorherigen Clustern – etwa im Bereich der Freikirchen – Routine gesammelt, die Fälle in St. Wolfgang seien „ein Cluster wie andere“.

Königswieser, Ärztlicher Direktor im Salzkammergut Klinikum, erklärte, dass man das Virus mittlerweile gut kenne. Mit Ischgl sei die Situation nicht vergleichbar – „das ist ein riesiger Unterschied“, auch von der Zahl der Infizierten. Derzeit sind es 62, „vielleicht werden’s auch 70, das ist keine Zahl“, so Königswieser, der auf ein gut vorbereitetes Gesundheitssystem und ausreichend Intensivbetten verwies.

Mediziner Tilman Königswieser über den St.-Wolfgang-Cluster

Tilman Königswieser ist der Ärztliche Direktor des Salzkammergut-Klinikums, wo die meisten Tests aus St. Wolfgang auch ausgewertet werden, und Mitglied des Coronavirus-Krisenstabs in Oberösterreich. Er spricht über den aktuellen Erkenntnisstand hinsichtlich des entdeckten Clusters.

Nachverfolgung der Infektionsketten prioritär

Auch Landeshauptmann-Stellvertreterin Christine Haberlander (ÖVP) betonte bei der Pressekonferenz, dass es weniger um die Zahl der Infizierten gehe als darum, die Infektionsketten nachvollziehen zu können. In dieser Hinsicht habe man den Cluster nach wie vor gut unter Kontrolle. Es sei für die Entscheidung weiterer Maßnahmen auch nicht ausschlaggebend, ob die positiv Getesteten zum Servicepersonal oder zu den Gästen gehören würden, solange eben die Quelle der Ansteckung zurückverfolgt werden könne. Genaue Angaben zur Verteilung der Kontaktpersonen in andere Bezirke, Bundesländer oder ins Ausland würden ihr derzeit nicht vorliegen, sie gehe aber davon aus, dass es eine gewisse Verteilung gegeben habe.

Man habe jedenfalls rasch und maßvoll reagiert, so Haberlander. Laut Breitwieser sei man gut vorbereitet gewesen: Schon vor Wochen hätte man sich gemeinsam mit den Touristikern Szenarien für einen potenziellen Cluster im Tourismusbereich eingestellt.

Keine Betriebsschließungen angedacht

Betriebsschließungen oder gar eine Schließung des Ortes seien aus aktueller Sicht nicht angedacht. Die beiden Lokale „13er Haus“ und „W3“, in denen zahlreiche Betroffene unterwegs waren, bleiben vorerst geschlossen – „freiwillig“, wie Gesundheitslandesrätin Haberlander erwähnte. Sie schloss weitere Schließungen nicht aus, sollten sich die Infektionsketten „in eine Richtung entwickeln, die uns sorgt“. Das sei aktuell nicht der Fall.

Gesundheitsminister Anschober verteidigte am Dienstag bei einer Pressekonferenz die Vorgangsweise der Behörden in St. Wolfgang. Beim Freikirchen-Cluster in Oberösterreich vor einigen Wochen war es zu umfassenden Schulschließungen gekommen, die Hotels in St. Wolfgang bleiben aber weiterhin offen. Entscheidend für die Maßnahmen sei, dass das Kontaktpersonenmanagement funktioniere, sagte Anschober. In St. Wolfgang wisse man, wer die Betroffenen sind, und könne anders vorgehen. Das Land Oberösterreich sei hier „nicht mit zweierlei Maß vorgegangen“, befand Anschober.

Auch Daniela Schmid, Infektionsepidemiologin von der AGES erklärte, in St. Wolfgang werde das gesamte Hotelpersonal auch weiter beobachtet, das minimiere das Risiko. Zur Frage, ob man denn nicht auch gesamte Schulen wiederholt testen könnte, meinte Schmid, das möge beispielsweise eine Strategie für den Herbst sein. Das Prozedere werde in der Ferienzeit erarbeitet.

Nehammer: Quarantäne für Ort nicht wahrscheinlich

Eine Quarantäne für den Ort oder einzelne Ortsteile zeichne sich nicht ab, so auch Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) am Montag am Rande einer Pressekonferenz in Salzburg. „Weil man in der Lage ist, die Cluster rasch zu identifizieren und die Menschen zu isolieren.“ Auch Betriebsschließungen seien nicht angedacht. Ziel sei es immer gewesen, flächendeckende Maßnahmen zu verhindern. Wie der Cluster im Ort im angekündigten Ampelsystem des Bundes beurteilt worden wäre, konnte Nehammer nicht sagen. Die ersten „Pflöcke“ der Ampelregelung sollen ihm zufolge beim Ministerrat am Donnerstag präsentiert werden.

Pessimistisch bezüglich des Verlaufs der Saison zeigte sich im Morgenjournal die Besitzerin des „Weissen Rössl“, Gudrun Peter: Sie traue sich keine Prognose mehr abzugeben, auch ihr Haus sei von Storno betroffen. „Es ist völlig unplanbar. Ich gehe davon aus, dass diese Saison damit mehr oder weniger zu Ende ist.“ Für sie hängt die große Aufmerksamkeit für den Cluster mit der großen Bekanntheit des Ortes zusammen – dieser sei „Fluch und Segen“.

Hoher Andrang in Drive-in

Am Sonntag machten erneut zahlreiche Gäste, Einheimische und Tourismusmitarbeiter von der Möglichkeit Gebrauch, sich bei der Drive-in-Station des Roten Kreuzes testen zu lassen. Dem Vernehmen nach war der Andrang stark, die Wartezeit soll bis zu eine Stunde betragen haben. Gleichzeitig wurde das Zeitfenster für Tests von drei auf fünf Stunden ausgeweitet. Insgesamt wurden am Sonntag 419 Tests durchgeführt. Zuletzt hielten sich rund 2.300 Gäste in St. Wolfgang auf.

Coronavirus-Testung bei der Drive-In-Station vor der Dienststelle des Roten Kreuz St. Wolfgang
APA/Fotokerschi.at/Kerschbaummayr
Der Andrang auf die Drive-in-Station des Roten Kreuzes war stark

Gemeinde sieht Infektionskette durchtrennt

Bürgermeister Franz Eisl und Tourismusdirektor Hans Wieser gingen am Sonntagabend in einer Presseaussendung davon aus, mit der „raschen und konsequenten Reaktion“ auf die ersten Infektionen im Ort erfolgreich gewesen zu sein. Zu diesem Zeitpunkt standen die Ergebnisse von rund 560 Tests von Samstag bzw. Sonntag noch aus.

Beide freuten sich aber über den jüngsten Rückgang bei der Steigerung der Infektionszahlen. Mit großflächigen Testungen habe man die infizierten Personen schnell gefunden und die Infektionskette durchtrennt. Die Testreihe in St. Wolfgang sei eine der umfangreichsten gewesen, die bisher in einem räumlich so eng begrenzten Gebiet durchgeführt wurden.

Man habe dazu die Verdachtstests durch die oberösterreichischen Gesundheitsbehörden mit den freiwilligen Tests des Tourismusministeriums kombiniert. „Das erklärte Ziel ist es, alle Betriebe in St. Wolfgang über den Sommer regelmäßig durchzutesten, um so eine optimale Sicherheitslage zu gewährleisten“, teilten Eisl und Wieser mit.

Hotline für Gäste

In der Tourismusinformation wurde zudem eine Hotline für Gäste eingerichtet (06138/8003). Sie steht auch jenen zur Verfügung, die einen Aufenthalt in St. Wolfgang geplant haben. Sowohl der Bürgermeister als auch der Tourismusdirektor verteidigten in ihrem Schreiben die infizierten Praktikantinnen und Praktikanten. Die zum überwiegenden Teil sehr jungen Menschen seien hier unverschuldet und völlig überraschend in eine sehr unangenehme Situation gekommen.

Die meisten der infizierten Praktikanten hielten sich mittlerweile nicht mehr im Ort auf, sondern seien bereits zu Hause, hieß es. Tourismusdirektor Wieser berichtete zugleich von verstärkten Stornierungen von Gästen. „Nachdem Medien in Deutschland das Thema aufgegriffen haben, verzeichnen wir seit heute eine höhere Zahl an Absagen und Stornos.“