Wirecard: Cobin Claims zeigt Grazer Tochter bei WKStA an

Die Sammelklagsplattform Cobin Claims hat die österreichische Wirecard Central Eastern Europe GmbH (WDCEE) in Graz bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) angezeigt. Die Plattform zweifelt unter anderem an dem Jahresabschluss 2019 und sieht auch Unregelmäßigkeiten im Finanzierungsmodell des Unternehmens, wie auch der „Standard“ heute berichtete.

Bereits Anfang Juli hatte Cobin Claims bemängelt, dass die Grazer Wirecard-Tochter bei ihrer Insolvenz ein negatives Eigenkapital von 0,6 Mio. Euro angeführt hat, jedoch in dem zuvor eingereichten Jahresabschluss für 2019 noch ein Eigenkapital von 8,4 Mio. Euro ausgewiesen hatte.

Der Abschluss war erst im April 2020 beim Firmenbuchgericht eingereicht worden. In einer Aussendung schrieb Cobin Claims damals, es sei „kaum nachvollziehbar“, dass die Gesellschaft so schnell, binnen sechs Monaten, insolvent wurde.

Plattform sieht Ungereimtheiten bei Finanzierungsmodell

Nun wurde eine Sachverhaltsdarstellung bei der WKStA eingebracht. In dieser merkt Cobin Claims unter anderem Ungereimtheiten beim Finanzierungsmodell an. So habe Wirecard von den Händlern eine Zahlung für seine Leistungen für drei Monate im Voraus verlangt, sagte ein Cobin-Claims-Vorstand zur APA. Das habe zum einen für einen permanenten Überhang an liquiden Mitteln gesorgt, die Wirecard nicht ohne Einschränkung zur Verfügung gestanden seien. Zum anderen müsse geprüft werden, ob die Firma mit diesem Modell nicht ein Einlagengeschäft betreibe, wofür Wirecard aber keine Konzession besitze.

Bemerkenswert sei außerdem ein Umlaufgesellschafterbeschluss über eine Dividendenausschüttung vom April 2020. „Die Frage ist, ob sie die Dividende wirklich ausgeschüttet haben“, so der Vorstand. Denn zu diesem Zeitpunkt lag noch keine Bilanz der deutschen Wirecard-Mutter für 2019 vor, gegen die die Grazer Tochter aber bestehende Forderungen gehabt habe. Solange aber keine Klarheit herrsche, ob die Forderungen gegenüber der Mutter auch werthaltig sind, seien sowohl der bereits eingereichte Jahresabschluss als auch eine mögliche Dividendenausschüttung überprüfungswürdig.

Bilanzprüfer zogen Bestätigungsvermerk zurück

Die Bilanzprüfer der TPA haben indessen ihren Bestätigungsvermerk für die Bilanz 2019 zurückgezogen. Begründet wurde der Rückzug so: „Grund für den Widerruf sind die aktuellen Entwicklungen innerhalb des Wirecard-Konzerns, vor allem der beiden größten Schuldnerinnen der WDCEE, konkret der Wirecard Technologies GmbH und (der mittlerweile selbst insolventen) Wirecard AG, da seitens dieser Schuldnerinnen aus heutiger Sicht kein Mittelzufluss für – ausschließlich das Geschäftsjahr 2020 betreffende – bereits von der WDCEE erbrachte Dienstleistungen und dafür von der WDCEE gestellte Rechnungen zu erwarten ist“, heißt es in dem im Wirtschafts-Compass zugänglichen Dokument.

Gleichzeitig liege der Geschäftsführung der Grazer Wirecard-Tochter aktuell keine positive Fortführungszusage aus dem Konzern vor, hießt es in der Begründung des Prüfers weiter. Das Rückzugsschreiben ist mit dem 3. Juli 2020 datiert – also dem Tag, an dem die Grazer Wirecard-Tochter Insolvenz angemeldet hat.