Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne)
APA/Georg Hochmuth
Testphase startet

Vierfarbige „Corona-Ampel“ ab August

Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) hat am Mittwoch erste Details zu einer „Corona-Ampel“ präsentiert, die im August in eine Testphase und im September in den Echtbetrieb starten wird. Die Ampel soll in vier Farben zeigen, wie sich die Coronavirus-Situation in Österreich entwickelt. Basis dafür sollen Fallindikatoren und die Bewertung einer Expertenkommission sein.

Zur Anwendung kommen die Farben Grün (niedriges Risiko), Gelb (mittleres Risiko), Orange (hohes Risiko) und Rot (Akutsituation), die Situation wird bis hinunter auf Bezirksebene angezeigt. Die Lagebewertung soll nach Indikatoren wie der siebentägigen Fallzahl, der Belegung der Spitäler, der Nachvollziehbarkeit von Infektionsketten und der Zahl der Tests in der Region stattfinden.

Dabei soll es sich um keine automatische „Zahlenampel“ handeln. Stattdessen wurde die Einrichtung einer Fachkommission beschlossen, welche die „Ampelstellung“ fixieren soll. Sie soll aus Vertretern von Bund (aus dem Krisenstab, dem Bundeskanzleramt und dem Gesundheitsministerium) und Bundesländern sowie Virologen, Vertretern der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH (AGES) und Public-Health-Fachleuten bestehen.

Individuelle Beurteilung vorgesehen

Die Kommission soll bei ihrer Beurteilung auch die individuelle Situation in den Bezirken berücksichtigen. Anschober verwies hier auf das Beispiel eines Clusters in einem Schlachthof in Niederösterreich: Dieser habe in einem Bezirk mit relativ geringer Bevölkerungsdichte für verhältnismäßig hohe Fallzahlen gesorgt. Deswegen aber über den gesamten Bezirk strikte Maßnahmen zu verhängen, wäre überschießend gewesen. In solchen Fällen soll die Kommission ein abwägendes Urteil fällen.

Viele Details sind noch ungeklärt. Laut Anschober soll die Kommission in nächster Zeit die Leitlinien für die Ampel ausarbeiten, also festlegen, welche Schritte bei welcher Farbe gemacht werden sollten. Dabei handelt es sich um Empfehlungen für die Politik. Er gehe aber davon aus, dass sich die Politik an die Empfehlungen halten werde, sagte Anschober.

Noch viele offene Fragen

Ziel ist es laut Anschober, dass man dann auf Basis der Ampel auf klare und transparente Weise ein Set an einheitlichen Vorgangsweisen für jede Farbe ausarbeite und dieses bei Bedarf entsprechend einsetze. Die Ampel soll im September in den Vollbetrieb gehen. Wo sie abrufbar sein wird, wurde noch nicht mitgeteilt. Auch Fragen zur rechtlichen Umsetzung der empfohlenen Maßnahmen blieben vorerst offen. Im Herbst müsse die Politik einen entsprechenden rechtlichen Rahmen abstecken, damit die Empfehlungen auch umgesetzt werden können, so Anschober.

Welche Farben welche Konsequenzen hätten, ließ Anschober mit Verweis auf die noch ausstehende Arbeit der Kommission noch offen. Bundesrettungskommandant Gerry Foitik sagte allerdings im Ö1-Mittagsjournal, dass er die Lage in Österreich aktuell als Grün einstufen würde. Es gebe zwar steigende Infektionszahlen, allerdings sei nur ein geringer Anteil der Neuinfektionen nicht erklärbar. Solange die Infektionsketten nachverfolgbar seien, sei die Lage gut unter Kontrolle. In St. Wolfgang wäre hingegen wohl Gelb angemessen – vor allem weil viele Menschen durchreisen würden und womöglich nicht erfasst werden.

17-Punkte-Programm für den Herbst

Die Ampel ist laut Anschober Teil eines 17-Punkte-Programms, mit dem sich die Regierung auf den Herbst vorbereiten will. Denn: „Die Herausforderungen werden im Herbst groß sein, sie sind es jetzt schon“, so Anschober. Er verwies auf die wachsende Bewegungsfreiheit und die Reisetätigkeit. Diese seien aber „notwendig“, um eine Wirtschaftskrise und in Folge eine soziale Krise abzudämmen bzw. abzuwenden.

Das Aktionsprogramm sieht neben der Ampel wieder eine stärkere Sensibilisierung für die Gefahr des Virus vor. Zudem sollen die Testungen weiter erhöht und auch bei asymptomatischen Personen ausgeweitet werden. Deren Zahl sei vergleichsweise hoch, so Anschober. Er appellierte in diesem Zusammenhang auch an die Tourismuswirtschaft, das Personal durchtesten zu lassen.

App, Kontaktdaten, Schutzausrüstung

Weiters kündigte Anschober an, dass das Kontaktpersonenmanagement eingehender und schneller gemacht werden soll. So soll unter anderem die Möglichkeit ausgeweitet werden, etwa bei Besuch einer Veranstaltung „freiwillig und datenschutzkonform“ seine Daten zu deponieren, damit man bei einem etwaigen Fall kontaktiert werden kann. Hier arbeite man an einer rechtlichen Grundlage. Der Minister warb zudem einmal mehr für die Corona-App, die „technisch absolut ausgereift“ sei. Weiters sollen die Quarantänekontrollen verstärkt und Clusteranalysen ausgebaut werden.

Zwei Frauen mit Schutzmasken kurz vor dem Betreten eines Geschäftes
APA/Helmut Fohringer
Die Normalität lässt noch auf sich warten

Derzeit werde auch Schutzausrüstung für den Herbst über die Bundesbeschaffungsagentur organisiert. Auch die Verhandlungen für den Erwerb von Impfstoffen mit Pharmakonzernen würden aktuell anlaufen, auch wenn es noch keinen gebe. Ziel sei es, bereits jetzt dafür zu sorgen, dass möglichst jeder und jede mit einem Impfstoff versorgt werden könne, so Anschober. Das treffe auch auf die Versorgung mit Medikamenten zu.

Einmal mehr betonte Anschober, dass der Kampf gegen die Pandemie ein „Marathon“ sei. Man müsse davon ausgesehen, dass sich diese bis zum Vorhandensein einer Impfung hinstrecke. Aktuell rechne man mit der Verfügbarkeit eines Impfstoffs für das zweite Quartal 2021. Bis dahin müsse man bei Reisetätigkeit vorsichtig agieren und schnell auf regionale Clusterbildungen reagieren. Einen „Lock-down“ wolle die Regierung um jeden Preis vermeiden, so Anschober. Dieser sei zur Zeit „denkunmöglich“.

SPÖ skeptisch

Kritisch äußerte sich in einer ersten Reaktion Philip Kucher, Gesundheitssprecher der SPÖ: „Nach dem verwirrenden Ostererlass, dem Testchaos im Tourismus, dem Chaos bei den Einreisebestimmungen“ und nach den vom Verfassungsgerichtshof (VfGH) „gekippten Verordnungen, gibt es nun eine Ampel, bei der man nichts weiß, außer dass sie vier Farben hat“. Eine Regierung, die eine Ampel vorstellt und nicht weiß, welche Farbe sie etwa für den aktuellen Coronavirus-Hotspot St. Wolfgang zeigt, sei gescheitert.