US-Soldaten im August 1990 in Saudi Arabien
APA/AFP/Gerard Fouet
30 Jahre Kuwait-Invasion

Beginn „endloser Kriege“ in Nahost

Vor 30 Jahren ist der damalige irakische Machthaber Saddam Hussein mit seiner Armee in das kleine Nachbarland Kuwait einmarschiert. Am 2. August 1990 wurde das wohlhabende Ölemirat annektiert und zur 19. Provinz des Irak erklärt. Der Überfall löste den zweiten Golfkrieg und damit die „endlosen Kriege“ der USA in Nahost aus.

Das Verhältnis zwischen dem Irak und Kuwait war schon vor dem Einmarsch mehr als angespannt. Der Irak, der damals hoch verschuldet war, beschuldigte Kuwait, die OPEC-Förderquoten zu überschreiten und damit die Preise ins Bodenlose fallen zu lassen. Der Irak warf dem kleinen Ölstaat auch vor, er habe seit 1980 Erdöl aus einem irakischen Ölfeld gefördert. Schon Ende Juli ließ Bagdad 30.000 Mann an der gemeinsamen Grenze aufmarschieren. Wenige Tage später waren es bereits 100.000 Mann, 300 Panzer und 300 Geschütze.

Am 2. August meldeten die Nachrichtenagenturen erste Grenzkämpfe. „Wir bestätigten, dass es eine Offensive an der kuwaitischen Grenze gibt“, sagte ein kuwaitischer Diplomat damals. Nur wenige Stunden später sind 350 irakische Panzer in Kuwait-Stadt eingefahren, Kuwait bat die internationale Gemeinschaft um Hilfe. Diese reagierte mit teils scharfen Sanktionen. Die „Washington Post“ zitierte wenige Tage nach dem Start der Invasion aus einem US-Geheimdienstpapier, wonach der irakische Präsident Hussein gestürzt werden müsse. Alles wurde dementiert.

Ehemaliger irakischer Machthaber Saddam Hussein während einer Rede 1995 in Baghdad
AP
Saddam Hussein verteidigte die Invasion damit, dass man die Revolutionsregierung in Kuwait unterstützen wollte

Internationaler Druck zu hoch

Mit der Vehemenz der Reaktionen auf den Einmarsch rechnete der irakische Staatschef wohl kaum. Dass der UNO-Sicherheitsrat am 29. November 1990 eine Resolution verabschiedete, in der dem Irak eine Frist bis 15. Jänner gesetzt und bei Nichterfüllung „alle erforderlichen Mittel“ angedroht wurden, galt als Sensation. Die Sowjetunion und die USA stellten dem Irak einen Krieg in Aussicht. Doch die Gemeinschaft unterschätzte offenbar den Kriegswillen von Hussein. Dieser rief in einer Rede zur „Mutter aller Schlachten“ aus.

Fünf Monate nach dem Einmarsch in Kuwait startete die „Operation Wüstensturm“ gegen den Irak. Am 16. Jänner bombardierte die von den Vereinigten Staaten geführte Streitmacht irakische Stellungen in Kuwait. Der Krieg war schnell beendet, die wenig motivierte und überforderte irakische Armee tratt rasch den Rückzug an. Nach 41 Tagen erbitterter Kämpfe akzeptierte der Irak einen Waffenstillstand, Kuwait war befreit. Sieben Monate war das Land besetzt, Hunderte Menschen waren gestorben. In der Folge legte der UNO-Sicherheitsrat in einer Resolution die gemeinsamen Land- und Seegrenzen des Irak und Kuwaits fest.

Unter internationalem Druck näherten sich die beiden Nachbarländer aneinander an. Am 2. August 2004 nahmen sie diplomatische Beziehungen zueinander auf. Einen Botschafter schickte Kuwait allerdings erst 2008 ins Nachbarland, der irakische Botschafter für Kuwait wurde erst im März 2010 ernannt. Bagdad und Kuwait-Stadt arbeiteten dann beim Austausch von sterblichen Überresten von Opfern des Golfkriegs zusammen. Der Irak gab außerdem in Kuwait beschlagnahmte Archive und Dokumente zurück.

„Mutter aller Schlachten“

Die „Mutter aller Schlachten“-Aussage von Hussein wird von einigen Experten und Expertinnen heute anders interpretiert als noch vor 29 Jahren. Er habe damit den Beginn weiterer „endloser Kriege“ der USA im Nahen Osten gemeint und auf die vom damaligen US-Präsident George W. Bush senior bereits zuvor angekündigte „neue Weltordnung“ reagiert. Die USA würden lediglich Pyrrhussiege feiern, so eine von vielen Interpretationen der Saddam-Äußerung.

Der ehemalige US-Diplomat und Ex-CIA-Mitarbeiter Bruce Riedel schrieb erst kürzlich in einem Beitrag, dass US-amerikanische Kampfhandlungen im Nahen Osten vor dem Sommer 1990 „im Allgemeinen vorübergehend und kurzfristig“ gewesen seien. Erst der Einmarsch des Irak in Kuwait habe zu einem Wendepunkt geführt, der einem Punkt ohne Wiederkehr ähnelt.

US-Panzer fahren auf Autobahn Richtung Kuwait City im Februar 1991
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Im Februar 1991 endete der Zweite Golfkrieg. US-Truppen machten sich mit Panzern nach Kuwait-Stadt auf.

Der Ex-Sicherheitsberater beschrieb auf der Website der US-Denkfabrik Brookings, die sich selbst als unabhängige Forschungsstelle bezeichnet, seine Wahrnehmungen zur irakischen Invasion in Kuwait. Er selbst sei noch im Juni 1990 als CIA-Mitarbeiter in Bagdad und Kuwait gewesen. Riedel könne sich aber nicht daran erinnern, dass jemand nur ansatzweise das Risiko erwähnt hätte, dass der Irak in Kuwait einmarschieren könnte. „Unser Fokus lag auf Saddams Drohungen, Israel ‚verbrennen‘ zu wollen.“

Unmöglich, wieder rauszukommen

Erst Mitte Juli, als der Irak noch verbale Drohgebärden Richtung Kuwait schickte, habe die CIA jedoch irakische Vorbereitungen entlang der kuwaitischen Grenze wahrgenommen. „Wir sagten dem Präsidenten (George Bush senior, Anm.), dass Kuwait dachte, der Irak würde bluffen; wir dachten das nicht“, so Riedel. Daraufhin habe Bush bereits reagiert und mit seinem nationalen Sicherheitsberater Brent Scowcroft eine internationale Koalition mit Dutzenden Staaten zur Bekämpfung des Irak gegründet.

Nach der Befreiung Kuwaits sei Bush „klugerweise nicht in den Irak eingedrungen“, so der ehemalige Diplomat. Der August 1990 sei aber trotzdem ein „Wendepunkt“ für die US-Amerikaner und -Amerikanerinnen gewesen. Zwar habe Bush senior schnell und gut reagiert, allerdings sei der Rückzug nicht optimal gelaufen. Dass Bushs Sohn, George W. Bush, die USA mehr als zehn Jahre später in den Irak einmarschieren ließ, sei „als die schlimmste Entscheidung in der amerikanischen Außenpolitik aller Zeiten bezeichnet“ worden, so Riedel. Der damalige US-Präsident ignorierte sogar Warnungen von Scowcroft, der in einem Gastkommentar für „The Wall Street Journal“ Bush von einer Invasion abriet.

Aber der US-Präsident hörte nicht und entließ Geheimdienstmitarbeiter, die sagten, dass der Irak mit dem Anschlag vom 11. September 2001 nichts zu tun habe. Auch US-Präsident Barack Obama und sein Vizepräsident Joe Biden konnten keine Trendumkehr einläuten. Sie hätten zwar versucht, aus dem Irak herauszukommen, wurden jedoch von der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) zurückgezogen. US-Präsident Donald Trump habe auch darüber gesprochen, die „endlosen Kriege“ zu beenden, setzte allerdings dann tatsächlich mehr Truppen ein. Riedel: „Washington hat festgestellt, dass das Einsteigen einfach und das Aussteigen scheinbar unmöglich ist.“