Wahlbanner von Jannelle R. Leung und Joshua Wong
AP/Kin Cheung
HongKong

Wahl vor Verschiebung

Der Druck Pekings auf die Hongkonger Demokratiebewegung wird höher: Nach dem Erlass des international umstrittenen „Staatssicherheitsgesetzes“ folgte am Donnerstag eine weitere Niederlage für die Dissidenten. Joshua Wong, Galionsfigur der Protestbewegung, und elf Mitstreiterinnen und Mitstreiter wurden von der Parlamentswahl ausgeschlossen. Medien berichten allerdings, dass die Wahl verschoben wird.

Die Wahl für den Legislativrat ist für den 6. September geplant, eigentlich ist der Wahlkampf in der chinesischen Sonderverwaltungsregion in vollem Gange. Doch Hongkongs Regierungschefin Carrie Lam soll einem Medienbericht zufolge im Laufe des Tages die Verschiebung der Wahl ankündigen. Es werde erwartet, dass die Abstimmung wegen der Coronavirus-Pandemie ein Jahr später stattfinden solle, berichtete das Fernsehen am Freitag.

Das wäre ein Rückschlag für die Demokratiebewegung in Hongkong. Die Opposition hofft auf eine Mehrheit der Stimmen, um den Widerstand der Bürger und Bürgerinnen gegen das neue, von China verhängte Hongkong-Gesetz zu demonstrieren. Viele westliche Staaten hatten das Gesetz scharf kritisiert und werfen China vor, damit die Bürgerrechte in seiner Sonderverwaltungszone auszuhöhlen.

Von Wahl ausgeschlossen

Der Hongkonger Demokratieaktivist Wong kritisierte unterdessen seinen Ausschluss von der Wahl als „ungültig und lächerlich“. Das werde den Kampf für die Demokratie nicht stoppen, erklärte er. Wong ist einer von zwölf Oppositionskandidaten, die die Behörden am Donnerstag von der Wahl ausgeschlossen hatten. Am Donnerstag erhielten die Aktivistinnen und Aktivisten aber Nachricht vom Wahlamt. Ihnen wurde mitgeteilt, dass ihre Nominierung ungültig und damit abgelehnt worden sei. Zu der Gruppe gehören nach Medienberichten auch Dennis Kwok, Kwok Ka-ki und Alvin Leung von der Civic Party sowie Lester Shum.

„Peking zeigt völlige Missachtung gegenüber dem Willen der Hongkonger“, schrieb Wong auf dem Kurznachrichtendienst Twitter und verwies darauf, dass er bei Vorwahlen des demokratischen Lagers die meisten Stimmen bekommen habe. Peking trample den letzten Pfeiler der Autonomie in Hongkong nieder und versuche, den Legislativrat fest im Griff zu behalten, schrieb der Aktivist. Fast alle prodemokratischen Kandidaten seien ausgeschlossen worden. „Unser Widerstand wird weitergehen.“

„Völlig verrückt“

Auch der frühere Studentenführer und heutige Bezirksrat Shum war von der hohen Zahl der Ablehnungen überrascht. „Das Ausmaß ist völlig verrückt“, zitierte ihn der öffentliche Rundfunk RTHK. „Ich denke, es übersteigt unsere Erwartungen, dass fast alle Kandidaten, die das ‚Sicherheitsgesetz‘ ablehnen, von einer Teilnahme an der Wahl ausgeschlossen wurden.“ Die Pekinger Regierung wolle keine oppositionellen Stimmen zulassen. Es sei das Ende der Parlamentswahlen, sagte Shum.

Civic-Party-Mitglieder Kwok Ka-ki, Alvin Yeung, Alan Leong, Dennis Kwok, Tat Cheng and Tanya Chan bei einer Pressekonferenz
Reuters/Tyrone Siu
Die Mitglieder der Civic Party dürfen nicht antreten – die Aktivisten kündigten weiteren Widerstand an

Das Verbindungsbüro der chinesischen Regierung in Hongkong begrüßte freilich den Ausschluss der Aktivisten. Ihre politischen Ansichten hätten die Grenze des rechtlich Zulässigen überschritten, hieß es. Die Mitglieder der Demokratiebewegung seien „skrupellose Kriminelle“. Auch die pekingtreue Regionalregierung unterstützte die Entscheidung und wies darauf hin, dass alle Nominierten aktiv die Verfassung Hongkongs unterstützen müssten.

Nach dieser Definition eigne sich niemand zum Abgeordneten, der das „Staatssicherheitsgesetz“ nicht unterstütze, die Selbstbestimmung oder Unabhängigkeit Hongkongs befürworte, sich um die Einmischung ausländischer Regierungen bemühe oder drohe, mit seiner Stimme Druck auf die Regierung auszuüben, „bestimmte politische Forderungen“ zu erfüllen, wie RTHK zitierte.

Erste gezielte Festnahmen

Seit der Rückgabe der früheren britischen Kronkolonie 1997 an China wurde Hongkong autonom mit eigenen Freiheitsrechten regiert – mit mehr Freiheiten, als die Menschen in Festlandchina genießen. Die Sorge, dass dieser Zustand nun ein Ende haben könnte, ist groß.

Bereits der Erlass des „Gesetzes zum Schutz der nationalen Sicherheit“ Ende Juni durch Peking hatte Proteste nach sich gezogen. Es gibt Chinas Staatssicherheit weitreichende Vollmachten in Hongkong und richtet sich im weitesten Sinn gegen Aktivitäten, die Peking als „subversiv, separatistisch, terroristisch oder verschwörerisch“ ansieht. Es erlaubt sogar den Einsatz chinesischer Sicherheitskräfte.

Medienvertreter filmen einen Polizeiwagen, in dem die zwölf verhafteten Vertreter der Demokratiebewegung vermutet werden
Reuters/Tyrone Siu
Verhaftungen in Hongkong: Tony Chung und seine Mitstreiter wurden in ihren Wohnungen festgenommen

Am Mittwoch hatte es auf Grundlage des Gesetzes erstmals gezielte Verhaftungen gegeben. Der frühere Studentenführer Chung und drei seiner Mitstreiter, der jüngste erst 16 Jahre alt, wurden Medien zufolge inhaftiert, weil sie zum Kampf für eine von China unabhängige „Nation Hongkong“ aufgerufen haben sollen. Die Polizei nahm bei der Razzia auch körbeweise Material aus Chungs Wohnung mit.

Auch im Ausland erntete das Gesetz, das gegen die Demokratiebewegung angewendet wird, viel Kritik. Großbritannien, die USA, Kanada und Neuseeland beendeten deshalb bereits ihre Auslieferungsabkommen mit Hongkong. Die EU-Staaten reagierten gemeinsam. Ein Maßnahmenpaket sieht unter anderem eine weitere Einschränkung von Exporten vor, die zur Niederschlagung von Protesten und zur Überwachung von Kommunikation genutzt werden können. Zudem sollen bis auf Weiteres keine neuen Verhandlungen mehr mit Hongkong aufgenommen werden.