SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner und der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ)
APA/Helmut Fohringer
Politologen

Vorstöße Richtung SPÖ-Spitze „ohne Not“

Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) hat in den vergangenen Wochen seiner Bundespartei mehrmals ein schlechtes Zeugnis ausgestellt. Die Umfragewerte seien zu niedrig, es gebe keine einheitliche Linie. Dass er heute schon von „besten Köpfen“ für die kommende Wahl spricht, obwohl diese planmäßig erst in vier Jahren ansteht, befeuert für Politikfachleute eine Personaldebatte „ohne Not“.

Es ist nicht ungewöhnlich, dass sich Landeshauptleute Richtung eigene Bundespartei äußern. Niederösterreichs früherer Landeshauptmann Erwin Pröll (ÖVP) tat das, aber auch Wiens Ex-Bürgermeister Michael Häupl war selten um ein Wort verlegen. „In vielen Fällen haben sie sich durch Kritik an der Bundespolitik profiliert“, so Politikberater Thomas Hofer im Gespräch mit ORF.at. Bei Doskozil sei es ein wenig anders. Er positioniere seine Person „mittel- und langfristig“, „die Landesgrenzen des Burgenlands scheinen ihm zu eng zu sein“.

Doskozil hatte in mehreren Interviews („Salzburger Nachrichten“, Ö1 und „Kronen Zeitung“) die Bundespartei kritisiert. Im „Sommergespräch“ mit dem ORF Burgenland sagte der Landeshauptmann, dass er damit die Partei und die Bevölkerung „aufrütteln“ möchte. Für Doskozil sei es „das Normalste in der Politik“, dass sich jeder die Frage stellen muss, ob er oder sie die richtige Person an der Spitze ist. Das gelte für Bürgermeister, Landeshauptleute und Parteivorsitzende – mehr dazu in burgenland.ORF.at.

„Zeitfenster“ bis zur nächsten Debatte verkürzt

„In der Sache hat Doskozil recht“, betont Politikwissenschaftler Peter Filzmaier gegenüber ORF.at. Wenn die SPÖ bei den Umfragewerten weiter unter 20 Prozent liegt, wird es eine Personaldebatte geben müssen. Aber, so Filzmaier, das Timing sei „völlig unverständlich“. Mit der Mitgliederbefragung im Mai, bei der die Teilnehmenden (41,3 Prozent) der Parteivorsitzenden Pamela Rendi-Wagner das Vertrauen (71,41 Prozent) ausgesprochen haben, habe die SPÖ-Spitze ein wenig Zeit gewonnen. Aber Doskozil „verkürzt nun dieses Zeitfenster“, so der Politikexperte, „ohne Not“.

Filzmaier kann sich die Vorstöße nur vor dem Hintergrund der „strategischen Perspektivenlosigkeit“ der SPÖ vorstellen. „Wenn man glaubt, es sei etwas hoffnunglos, dann spielt der menschliche Faktor eine größere Rolle als die Logik“, erklärt der Politikwissenschaftler. Wenn überhaupt, sei es eine „Überschriftenstrategie“, weil Doskozil über Wahlen spricht, die vier Jahre entfernt sind – solange sie nicht vorgezogen werden –, und über Spitzenkandidaten, die es noch nicht gibt.

Hans Peter Doskozil (SPÖ) und der steirische FPÖ-Klubobmann Mario Kunasek
APA/Robert Jäger
Ex-Verteidigungsminister Doskozil gab erst kürzlich eine Pressekonferenz mit Ex-Verteidigungsminister Mario Kunasek (FPÖ)

Rein hypothetisch sei die Idee von Doskozil, dass für die SPÖ jene Person in den Wahlkampf gehen soll, die die besten Umfragewerte mit sich bringt, schon sinnvoll. „Erinnern wir uns an Wilhelm Molterer, der 2007 die Große Koalition aufkündigte und die ÖVP anschließend in die Wahl führte, obwohl Josef Pröll bei den Beliebtheitswerten vor ihm lag. Erst nach der verlorenen Wahl übernahm Pröll den Chefposten – etwas zu spät“, sagt Filzmaier. Solche Überlegungen aber zu einer Zeit, in der bis zu einer Wahl noch viel passieren kann, öffentlich zu ventilieren, ist für den Politikwissenschaftler nicht nachvollziehbar.

Vorbereitung für die ungewisse Zukunft

Dass Doskozil vermehrt auf bundespolitischer Ebene mitmischt – etwa mit einer gemeinsamen Pressekonferenz mit der FPÖ gegen Klaudia Tanner (ÖVP), amtierende Verteidigungsministerin –, deute zumindest darauf hin, dass sich der Landeshauptmann breiter aufstellen möchte, sagte Politikberater Hofer. „Doskozil versucht der SPÖ-Basis wohl zu zeigen, dass er mehr kann als nur Migration. Er spricht vermehrt linke, wenn nicht linkspopulistische Politik an. Die Wortmeldungen passieren bestimmt nicht zufällig. Er bereitet sich für den Tag X vor, auch wenn er nicht weiß, wann das sein wird. Aber das muss er jetzt auch nicht.“

Rendi-Wagner sagte am Rande einer Pressekonferenz zu Doskozil nur, dass die Mitgliederbefragung ergeben habe, dass die Partei solche Debatte intern führen und nach außen geschlossen auftreten sollte. In dasselbe Horn stießen am Freitag fast alle Landeschefs, die ebenfalls auf die Befragung hinwiesen. Für Filzmaier und Hofer könne die Partei derzeit auch wenig anderes sagen. „Von allen schlechten Möglichkeiten ist abwiegeln noch die weniger schlechte“, sagt Hofer.

Dass sich die Wiener Landespartei dazu überhaupt nicht zu Wort meldete, erscheint logisch. Immerhin wird im Herbst in Wien gewählt. Sich jetzt auf eine Diskussion einzulassen, wäre wohl nicht hilfreich. Insgeheim werde man sich in der SPÖ freilich eine solche Debatte in einigen Monaten stellen müssen, so Filzmaier.

Landespolitiker auf Bundesebene

Die Frage, die sich Beobachterinnen und Beobachter natürlich stellen, ist, ob Doskozil dann selbst in den Ring steigen wird. Er habe im Burgenland einen Job, den er auch erfüllen will. Aber man könne „nie wissen, was politisch passiert“, sagte er in einem Interview. Woanders betonte Doskozil, dass sich „mittelfristig“ die Frage nach dem Parteivorsitz nicht stelle. Im jüngsten Interview hieß es: „Mit der Wahl im Burgenland habe ich der burgenländischen Bevölkerung klar zum Ausdruck gebracht, im Burgenland zu bleiben, und das wird auch so sein.“ Der Nationalrat wird 2024 gewählt, als Landeshauptmann ist der ehemalige Verteidigungsminister zumindest bis 2025 im Amt.

Ob Doskozil eine bundesweite Wahl für sich gewinnen könnte, ist laut Filzmaier ohnehin ungewiss. Wie Hofer sagte er, dass er wohl ein paar Prozentpunkte dazugewinnen könnte. Allerdings darf man nicht außer Acht lassen, dass der burgenländische Landeshauptmann derzeit nur die burgenländischen SPÖ-Wähler und -Wählerinnen von sich überzeugen konnte. „Das sind umgerechnet auf Österreich ein bis zwei Prozent“, betont Filzmaier. „Das klingt dann schon anders als die absolute Mehrheit im Burgenland, die die SPÖ unter Doskozil im Frühjahr 2020 holen konnte.“

Für Landeshauptleute sei es ohnehin untypisch, in die Bundespolitik zu wechseln, so Politikberater Hofer. An die Beliebtheitswerte von Landespolitiker kommen Bundespolitiker kaum ran, zudem würde Doskozil eine „sichere Bastion“ verlassen, um in eine „unsichere Situation“ zu kommen. Wenn man vom Landessessel in den Bund gehen will, habe es mehr mit der „Persönlichkeitsstruktur“ zu tun, sagt Filzmaier. Aber es gebe schon genügend Gründe, warum etwa Erwin Pröll und Michael Häupl ihren Bundesparteien zwar immer wieder etwas ausrichteten, aber diese selbst nie führen wollten.