Plastikmüllsack ion Küche
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EU-Vorgaben

Debatte über Abbau von Plastikmüll

Mit kommendem Jahr wird die EU eine Plastikabgabe einführen. 80 Cent pro Kilogramm nicht recyceltem Plastikverpackungsmüll werden verrechnet. Für Österreich bedeutet das laut Berechnungen des Finanzministeriums rund 142 Millionen Euro pro Jahr. Wer dafür aufkommen soll und wie Plastikmüll vermieden werden kann, darüber gehen die Meinungen bei den beteiligten Akteuren und Akteurinnen in Österreich derzeit auseinander.

Zwar werden in Kürze Plastiksackerl verboten, für eine Reduktion des Kunststoffmülls wird das aber nicht ausreichen. Derzeit erreicht Österreich eine Sammelquote von 70 Prozent der Plastikflaschen. In neun Jahren müssen es 90 Prozent sein. Das sei ambitioniert, aber nicht utopisch, sagte der Generalsekretär der Wirtschaftskammer (WKO), Karlheinz Kopf. Bundesländer wie Tirol, Burgenland und Vorarlberg erreichen dieses Ziel schon jetzt. In Wien werden derzeit erst 34 Prozent aller verwendeten Plastikflaschen gesammelt.

Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) strebt ein Pfandsystem für Plastik an. Die Wirtschaftskammer will hingegen auf die bestehende Infrastruktur der Müllsammlung zurückgreifen. „Wir denken an ein ganzheitliches Modell, das aufsetzt auf dem derzeitigen Sammelsystem, dass wir diese Trennung über ein Abholsystem und über den Ausbau des Abholsystems forcieren sollten“, sagte Kopf am Samstag im Ö1-Morgenjournal. Entscheidend dafür seien einheitliche Sammelstrukturen in ganz Österreich.

Umweltministerin Leonore Gewessler
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Klimaschutzministerin Gewessler strebt ein Pfandsystem für Plastikflaschen an

Wirtschaftskammer gegen Pfandsystem

Die Wirtschaftskammer befürchtet zudem eine Gefährdung kleinerer Nahversorger. Diese würde ein Pfandsystem mehr als 10.000 Euro pro Jahr kosten. Kopf rechnet zudem damit, dass eine Duplizierung oder Paralleleinführung eines Pfandsystems 60 Millionen Euro mehr kosten würde. Dem steht eine vom Klimaschutzministerium bei der Universität für Bodenkultur in Auftrag gegebene Studie gegenüber, wonach ein Sammelsystem um 28 Millionen Euro teurer wäre als ein Pfandsystem.

Dass Österreich in puncto Plastikmüll Aufholbedarf hat, zeigt ein EU-Vergleich von Greenpeace. Pro Kopf fallen in Österreich 42 Kilogramm Plastikmüll im Jahr an. Das sind laut der Umweltschutzorganisation 24 Prozent mehr als im europäischen Schnitt. Nur ein Drittel des Plastikmülls wird in Österreich recycelt. Greenpeace fordert von Politik und Unternehmen, Verantwortung zu übernehmen und mehr auf Mehrweg zu setzen.

Gelber Sack
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Die Wirtschaftskammer will auf die bestehende Sammelinfrastruktur zurückgreifen

Blümel will Abgabe aus Budget zahlen

Wie das Geld für die Plastikabgabe aufgetrieben wird, bleibt jedem Mitgliedstaat selbst überlassen. Geht es nach den Plänen von Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP), sollen in Österreich nicht die Verpackungshersteller für die EU-Plastikabgabe zur Kasse gebeten werden, sondern die Abgabe soll aus dem Budget bezahlt werden.

EU-Verordnung soll Plastikmüll reduzieren

Den Plastikmüll reduzieren – das soll EU-weit Realität werden. Und zwar schon in den nächsten Jahren. Eine EU-Verordnung sieht vor, dass bis 2029 in jedem EU-Land 90 Prozent des Plastiks wiederverwertet werden.

„Wir haben in Österreich nur ein paar ausgesuchte Hersteller, die Verpackungen produzieren“, sagte ein Sprecher aus dem Finanzministerium gegenüber der „Presse“. Dazu zählen etwa Mondi und Henkel. Es sei „Illusion zu glauben“, dass diese eine etwaige Abgabe nicht an die Kunden weitergeben würden. Ein großer Teil des Plastikmülls in Österreich stamme auch aus dem Ausland. Ein Strafaufschlag für einzelne Unternehmen sei daher schwierig zu eruieren.

SPÖ-Europasprecher Jörg Leichtfried kritisierte diesen Zugang als schlechte Idee. Damit würden fast ausschließlich die Arbeitnehmer diese Abgabe bezahlen, da 80 Prozent des gesamten Steueraufkommens von ihnen kämen. Auch die FPÖ wünscht sich ein flächendeckendes Plastikpfand in ganz Österreich. Dadurch könnte die Recyclingquote angehoben und eine „Strafsteuer“ verhindert werden, so FPÖ-Umweltsprecher Walter Rauch.

Paket soll bis Ende des Jahres stehen

Die EU zielt mit der Plastikabgabe eigentlich schon auf einen Lenkungseffekt, um Plastikmüll zu reduzieren, nachhaltiger zu machen und zu recyceln. Das sei aber nicht Aufgabe des Finanzministers: „Wir sind auf die Einnahmen-Ausgaben-Rechnung konzentriert.“ Für Umweltorganisationen ist dieser Zugang „absolut unverständlich“. Gewessler äußert gegenüber der „Presse“ keine Kritik am Koalitionspartner, betont aber, dass die EU-Abgabe eine Müllreduktion zum Ziel habe.

Daher werde im Klimaschutzministerium an einem großen Gesamtpaket gearbeitet – mit Pfandsystem, einer höheren Mehrwegquote für wiederverwendbare Flaschen und ein Tarifmodell für Verpackungshersteller, das nicht recyclingfähiges Plastik teurer machen soll. Bis Ende dieses Jahres will Gewessler das Paket abgeschlossen haben. Es bleibt noch Zeit für Verhandlungen.