Launige Staatspreisverleihung an Drago Jancar

Mit, wie er selbst sagt, „großer Freude“ hat der slowenische Autor Drago Jancar heute den Österreichischen Staatspreis für Europäische Literatur im Salzburger Mozarteum entgegengenommen. Er freue sich, dass er gerade in Salzburg diesen Preis erhalte, „wo wir bei der Vorstellung meiner Werke nächtelang diskutiert haben“. Er freue sich, dass sein Werk in Österreich gelesen und gewürdigt werde.

„Ist es möglich, dass all das passiert ist?“, fragte Jancar in seiner Dankesrede nach der Konstitution des Menschen im 20. Jahrhundert: „Von dieser Unruhe und Zerrissenheit spricht ein Großteil der europäischen Literatur.“

Sein Freund Karl-Markus Gauß habe früh erkannt, dass die europäische Literatur auch an den Rändern zu Hause sei, wo sie oft vergessen werde. Jancar bedankte sich besonders für die Übersetzer seines Werkes, die in Wahrheit die Koautoren seien. Er würdigte Klaus-Detlef Olof und Daniela Kocmut.

Österreich, so Jancar am Ende launig, sei ein „eigenartiges Land“. „Je mehr ein Land seine Schriftsteller auspeitscht, desto mehr liebt man sie; ich nehme an, dass darin eine bestimmte Offenheit steckt, die man aus der Ferne besser erkennt“, so Jancar.

Verleihung „Österreichischer Staatspreis für europäische Literatur 2020“ durch Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer und Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen an Schriftsteller Drago Jancar
APA/Barbara Gindl
Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer und Bundespräsident Alexander Van der Bellen überreichen Drago Jancar den Staatspreis

„Diese Literatur hält sich nicht die Welt vom Leib“

ORF-Kulturjournalistin Katja Gasser würdigte in ihrer Laudatio die Multiperspektive des Werks Jancars. Die Wahrheit realisiere sich nur in kurzen Momenten, von knapper Dauer; sie lasse sich aber auch nicht verhindern, so Gasser über das Werk des slowenischen Romanciers und Essayisten. In dieser Literatur halte sich niemand die Welt vom Leib. Und: Es gebe hier moralische Gewissheiten. „Kunst hat das Potenzial, den Menschen vor der absoluten Realität zu bewahren“, erinnerte Gasser an eine Aussage von Peter Handke, der am Tag nach der Uraufführung seines Werkes „Zdenek Adamec“ an der Laudatio teilnahm.

Jancar sei stets gegen Mono-Kulturen und Verengungen der Identitäten aufgetreten und in diesem Sinn auch geistesverwandt mit Robert Musil und dessen Warnung vor dem Kollektivismus. Jancar bezeichne sich als „Jugonostalgiker im kulturellen Sinn“; Jugoslawien sei, da wolle Jancar nichts beschönigen, eine Diktatur gewesen, aber, so erinnerte Gasser, das Kulturkonglomerat habe das Land ausgezeichnet. Literatur sei bei Jancar auch der Ort, wo sich der Mensch vor den Zumutungen der Welt flüchten könne. Die Literatur gibt den Menschen die Möglichkeit, gegen die Zerrüttungen der Welt eine andere Form von Erinnerung zu formulieren. Seine Literatur sei aber auch eine Studie über die Verrohung des Menschen.

Mayer würdigt Jancars starke Frauen

Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer erinnerte in ihrer Rede an die literarische Kraft und Genauigkeit Jancars. „Viele Romane Jancars spielen in Slowenien, handeln aber von europäischen Tragödien“, so Mayer: „Jancar beschreibt Menschen in allen ihren Facetten, ihren Größen wie ihren Abgründen.“

Auffällig, so Mayer, seien die gebrochenen Lebensgeschichten, aber auch, welche klugen und starke Frauen seine Romane bevölkerten.

Van der Bellen und das überraschende Strandgeschenk

Eine launige Würdigung kam an diesem Tag von Bundespräsident Alexander Van der Bellen. Sein Kontakt mit dem Werk Jancars verdanke sich über Umwege einem Botschafterempfang, wo er von der slowenischen Botschafterin in Wien gebeten wurde: „Please explain Austria to me.“ Eine Antwort auf diese scheinbar simple Frage sei ihm gar nicht leicht gefallen, „denn Österreich ist ein kompliziertes Land“. Der Diskurs über den Charakter Österreichs habe zu einer vertieften Freundschaft geführt. Und eines der Resultate sei ein Buchgeschenk gewesen. Nämlich das letzte Werk Drago Jancars „Wenn die Liebe ruht“.

Er habe sich sehr gefreut, denn man bekomme ja unzählige „sinnlose“ Geschenke als Bundespräsident – „und der Keller der Hofburg ist groß“. Jedenfalls habe ihn das Buch überzeugt gegen ein anfängliches Vorurteil, dass es sich hierbei um einen Titel des Zuschnitts „Strandlektüre“ gehandelt hätte.