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Arbeitsmarkt

Langzeitarbeitslosen hilft Erholung nicht

Mehr und mehr Menschen finden nach dem „Lock-down“ im Frühjahr und der folgenden Rekordarbeitslosigkeit wieder einen Job, doch für einige Gruppen bleibt es schwierig. Vor allem Langzeitarbeitslose mit gesundheitlichen Einschränkungen und bzw. oder geringer Bildung haben es im Moment besonders schwer. Hoch ist die Arbeitslosigkeit auch bei Menschen, die nicht aus Österreich sind, sowie bei Jugendlichen und Älteren.

Die Langzeitarbeitslosigkeit verfestige sich, schreibt das Arbeitsmarktservice (AMS) in seiner Analyse zu den aktuellen Arbeitsmarktzahlen vom Juli. Das sei „typisch“ für Erholungsphasen auf dem Arbeitsmarkt, denn zunächst würden Personen mit besseren Chancen einen Job finden. Auch wenn die Arbeitslosigkeit insgesamt sinke, bedeutet das daher nicht, dass auch Langzeitarbeitslose eher wieder einen Job finden würden.

Ende Juli 2020 waren 31 Prozent aller arbeitslos Vorgemerkten, umgerechnet 119.000 Personen (plus 24 Prozent im Vorjahresvergleich), laut AMS bereits seit Längerem vorgemerkt, unterbrochen nur von kurzen Phasen der Beschäftigung. Diese Personen, zu denen laut AMS vor allem ältere Menschen mit gesundheitlichen Vermittlungseinschränkungen und maximal Pflichtschulabschluss gehören, hätten es aktuell besonders schwer, eine Arbeit zu finden.

Im Juli waren fast 82.000 Personen mit gesundheitlichen Einschränkungen ohne Beschäftigung, ein Plus von 19,4 Prozent bzw. rund 13.000 Personen, Insgesamt waren im Juli 107.333 (plus 33 Prozent) mehr Menschen im Vergleich zum Vorjahr ohne Beschäftigung: 432.539 Personen waren arbeitslos gemeldet oder in Schulung. Der Höchststand im April lag bei 588.000 Betroffenen. Gegenüber Ende Juni sank die Zahl der registrierten Arbeitslosen weiter, um zuletzt 30.815 Personen (minus 7,4 Prozent).

Geringe Bildung und Alter als Hindernis

Auch andere Bevölkerungsgruppen profitieren laut AMS nicht direkt von der gestiegenen Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt, dazu zählen neben den Geringqualifizierten auch Jugendliche und Ältere sowie Personen ohne österreichische Staatsbürgerschaft. Ihre Situation und jene der Arbeitnehmer aus dem Tourismus verbessere sich nur langsam und sei „von großen Unsicherheiten geprägt“, so das AMS in seiner Analyse.

Grafik zeigt Details zur Arbeitslosigkeit
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: AMS

So war etwa die Zahl der Arbeitslosen und Schulungsteilnehmer mit maximal Pflichtschulausbildung im Juli 33,1 Prozent höher als im Vorjahresmonat. Noch höher war mit 35,2 Prozent nur die Zahl bei Personen mit höherer Ausbildung, am geringsten mit 28,3 Prozent bei Akademikern. Bei Personen ohne österreichische Staatsbürgerschaft wurde ein Plus von 42,4 Prozent verzeichnet.

Bei den Jugendlichen waren 63.358, ein Plus von 24,6 Prozent, arbeitslos oder in Schulung. Den stärksten Anstieg gab es bei den 25- bis 49-Jährigen mit plus 37,6 Prozent, gefolgt von den Älteren (50 Jahre und älter) mit plus 28,7 Prozent. Frauen waren weniger stark betroffen (plus 32,1 Prozent) als Männer (plus 33,8 Prozent). Bei Menschen mit Behinderungen stieg die Arbeitslosigkeit unterdurchschnittlich.

Tourismus bleibt am stärksten betroffene Branche

Der Tourismus blieb die am stärksten betroffene Branche mit einem Plus von 85,7 Prozent (ohne Schulungen, mit Schulungen plus 73,8 Prozent), es gab allerdings einen Rückgang gegenüber Ende Juni. Hoch waren die Zahlen (jeweils inklusive Schulungen) weiterhin auch im Bereich Verkehr und Lagerwesen (plus 55,4 Prozent), in der Baubranche (plus 41 Prozent), in der Warenproduktion (plus 36,4 Prozent), im Handel (plus 33,1 Prozent) sowie in der Arbeitskräfteüberlassung (plus 31,6 Prozent) und im Gesundheits- und Sozialwesen (plus 24,5 Prozent).

Grafik zur Arbeitslosigkeit in den Bundesländern
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: AMS

Alle Bundesländer sind von Arbeitslosigkeit betroffen, am stärksten Tirol mit einem Plus von 75 Prozent (inklusive Schulungen) und Salzburg (plus 50,8 Prozent) sowie Vorarlberg (plus 44,3 Prozent), wenn es auch leichte Rückgänge gab – mehr dazu in oesterreich.ORF.at. Geringer fiel das Plus in der Steiermark (plus 34,3 Prozent), in Oberösterreich (plus 31,6 Prozent), Wien (plus 31,1 Prozent) und dem Burgenland (plus 26,3 Prozent) aus, geht aus den aktuellen AMS-Daten hervor – mehr dazu in wien.ORF.at. Den geringsten Zuwachs gab es mit 25,6 Prozent in Kärnten.

Auswirkungen „längere Zeit“ spürbar

Man werde „die Auswirkungen dieser Weltwirtschaftskrise auf den Arbeitsmarkt noch längere Zeit spüren“, wurde Arbeitsministerin Christine Aschbacher (ÖVP) in einer Aussendung des Ministeriums vom Montag zitiert. Die Maßnahmen würden aber „Wirkung zeigen“, im Juli habe es 274.000 Kurzarbeitende weniger gegeben als im Vormonat. Mit Ende Juli seien noch knapp 42.000 Kurzarbeitsprojekte gelaufen, insgesamt wurden laut Ministerium über vier Milliarden Euro an Kurzarbeitsbeihilfen an die Betriebe ausgezahlt. Das AMS Wien geht davon aus, dass im Herbst die Arbeitslosenquote erneut steigt und fordert mehr Personal – mehr dazu in wien.ORF.at.

Grafik zur Arbeitslosigkeit im Juli 2020
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: AMS

Der Arbeitsmarkt bewege sich Richtung Erholung, es sei aber „zäh“, so auch Helmut Mahringer, Arbeitsmarktökonom beim Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO). Nicht nur der Jobabbau, sondern auch weniger Stellenbesetzungen durch Unternehmen würden den Arbeitsmarkt in Österreich belasten. Auch er warnte vor einer Verfestigung der Arbeitslosigkeit, vor allem bei älteren Personen. Es gebe „strukturelle Komponenten, die auf eine derartige Gefahr hinweisen“ würden. Er begrüßte die Verlängerung der Kurzarbeit und und die geplanten 700 Mio. für Weiterbildungen und Schulungen. Handlungsbedarf sieht er auf dem Lehrstellenmarkt, hier gebe es doppelt so viele Suchende wie Angebote.

Die Arbeitslosenquote nach nationaler Definition lag in Österreich im Juli 2020 mit 9,2 Prozent um 2,7 Prozentpunkte höher als im Juli 2019. Die Zahl der unselbstständig Beschäftigten ging im Juli im Vergleich zum Vorjahresmonat laut vorläufiger Prognose um 2,3 Prozent auf 3,79 Millionen zurück. Die Anzahl der sofort verfügbaren Stellen schrumpfte um 22 Prozent auf rund 65.000. Die Arbeitslosenquote gemäß Eurostat-Berechnung lag für Juni 2020 bei 5,7 Prozent (plus 1,3 Prozentpunkte).

Opposition fordert mehr Maßnahmen

Die Opposition forderte am Montag mehr Maßnahmen gegen die Arbeitslosigkeit und für eine schnellere Wiedereingliederung. Auch wenn Stellen verloren gegangen seien, würden in manchen Branchen Arbeitskräfte gesucht, so NEOS-Sozialsprecher Gerald Loacker. Die Menschen wieder in Beschäftigung zu bringen, müsse höchste Priorität haben, es brauche vernünftige Qualifizierungs- und Umschulungsmaßnahmen für Personen aus Branchen, die nachhaltig eingebrochen seien.

Es reiche nicht, die Kurzarbeit zu verlängern, um aus der Krise zu kommen, so SPÖ-Sozialsprecher Josef Muchitsch. Es brauche stattdessen ein umfassendes Konjukturpaket und eine Aufstockung der AMS-Mitarbeiter – und eine befristete Erhöhung des Arbeitslosengeldes, wiederholte Muchitsch eine SPÖ-Forderung. Das Konjunkturpaket solle gezielt Lehrstellensuchenden, älteren Arbeitslosen und Langzeitarbeitslosen helfen.

Ein „Desaster am Arbeitsmarkt“ sieht FPÖ-Sozialsprecherin Dagmar Belakowitsch angesichts der aktuellen Zahlen auf Österreich zukommen. Sie vermisse Impulse für eine Stärkung der Kaufkraft, Österreich brauche auch ein „Schutzpaket“ wie eine sektorale und temporäre Schließung des Zuzugs auf den österreichischen Arbeitsmarkt. Belakowitsch forderte auch ein höheres Arbeitslosengeld sowie einen 1.000-Euro-Gutschein und eine Halbierung der Mehrwertsteuer.