Die argentinische Zentralbank in Buenos Aires
Reuters/Enrique Marcarian
Einigung in letzter Minute

Argentinien wendet Staatsbankrott ab

Argentinien hat sich mit seinen Gläubigern auf einen Kompromiss verständigt – und konnte somit kurz vor Ablauf der Frist einen Staatsbankrott abwenden. Mit den drei Gläubigergruppen sei eine Vereinbarung zur Umschuldung von 66 Milliarden Dollar (56 Mrd. Euro) erzielt worden, teilte das Wirtschaftsministerium des Landes am Dienstag in Buenos Aires mit.

Man habe mit den Gläubigergruppen eine Vereinbarung getroffen, die es ihnen ermögliche, den argentinischen Umschuldungsvorschlag zu unterstützen und dem Land einen erheblichen Schuldenerlass zu gewähren, heißt es in der Stellungnahme des Ministeriums, das von einer „bedeutenden Erleichterung“ für das hoch verschuldete Argentinien sprach.

Die Frist für eine Einigung wäre am Dienstag um 23.00 Uhr MESZ abgelaufen. Ohne einen Kompromiss über die Umschuldung der Verpflichtungen hätte das südamerikanische Land, das bereits seit Mai Rückzahlungen in Milliardenhöhe nicht geleistet hat, endgültig zahlungsunfähig werden können. Es war bereits der neunte Zahlungsausfall in der Geschichte des Landes.

Argentiniens Präsident Alberto Fernandez
APA/AFP/Argentinian Presidency
Präsident Fernandez hat derzeit mit vielen Krisen zu kämpfen – zumindest ein Staatsbankrott scheint vorerst abgewendet zu sein

Verhandlungen lange in Sackgasse

Die Schulden der zweitgrößten Volkswirtschaft in Südamerika galten zu den aktuellen Bedingungen als nicht mehr tragfähig. Deshalb hatte Argentinien von seinen privaten Gläubigern gefordert, auf einen Teil ihrer Forderungen von rund 66 Milliarden US-Dollar (rund 56 Mrd. Euro) zu verzichten.

Argentinien hatte den Gläubigern in den seit drei Monaten geführten Verhandlungen zuletzt angeboten, 53,5 Dollar (rund 45,5 Euro) für einhundert geliehene Dollar zurückzuzahlen. Die Gläubiger forderten 56,5 Dollar pro einhundert Dollar Schulden. Seitens der Regierung hieß es am Dienstag, man habe die Konditionen des vorigen Angebots für die Gläubiger verbessert, indem man die Zahlungstermine für die Anleihen angepasst habe – ein Zugeständnis, das die „Financial Times“ („FT“) als „Durchbruch“ in den Verhandlungen bezeichnete.

Staatspleite 2001

Argentinien war bereits 2001 in die Staatspleite gerutscht, nachdem es seine Schulden nicht mehr bedient hatte. Ab 2015 konnte es sich dann wieder auf dem freien Kapitalmarkt finanzieren. Bis heute hat sich Argentinien aber nicht komplett von den Folgen der damaligen Krise erholt – und befindet sich bereits inmitten vieler neuer.

Bis 24. August unter Dach und Fach

Die jetzige Übereinkunft sei mit drei Gläubigergruppen erreicht worden. Sie soll bis 24. August unter Dach und Fach gebracht werden. Die Gläubiger stehen nach eigenen Angaben für mehr als die Hälfte der Schuldner des südamerikanischen Landes. Zu ihnen gehören unter anderem die Investmentkonzerne Blackrock, Fidelity, Greylock Capital und Ashmore.

Wirtschaftsminister Martin Guzman hatte bereits im Mai in einem Gastbeitrag für die „FT“ erklärt, gerade „in der neuen Welt von Covid-19“ könne man nicht weiter 20 Prozent oder mehr der staatlichen Einnahmen für den Schuldendienst aufwenden. Das sei „schlichtweg unmöglich“. Und es sei klar, dass Argentinien im Moment gar nichts bezahlen könne, schließlich habe es in den vergangenen Wochen hoher Subventionen bedurft, um einen wirtschaftlichen Zusammenbruch abzuwenden.

„Wenig Spielraum“ für Stabilisierung der Wirtschaft

Die Übereinkunft, die sich kurzfristig positiv auf den Finanzmarkt auswirkte, ist für Ökonomen nun ein Ausgangspunkt für weitere Maßnahmen, die die argentinische Regierung zur Stabilisierung und Wiederbelebung der heimischen Wirtschaft ergreifen muss. Spielraum bleibt dabei nur wenig. Zudem könnte Guzman als Nächstes Verhandlungen mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) aufnehmen.

Anstehende Verhandlungen mit IWF

Denn auch dem IWF schuldet Argentinien eine hohe Summe, nämlich 44 Milliarden Dollar. Als der argentinische Peso im vergangenen Jahr durch zwei Währungskrisen stark abgewertet wurde, hatte der IWF Argentinien den größten Kredit in seiner Geschichte gewährt: 57 Milliarden US-Dollar.

Der IWF kann laut seinen Statuten nicht auf Forderungen verzichten, denkbar ist aber auch hier eine Stundung der Rückzahlungen. Anders als die Gläubiger dürfte der IWF auch wirtschaftliche Reformen fordern, was in Argentinien böse Erinnerungen an den Zusammenbruch von 2001 auslöst und von den regierenden Peronisten nur schwer zu vertreten sein dürfte.

Hölzerne Kreuze in einem Massengrab in Buenos Aires (Argentinien)
AP/Gustavo Garello
Dank eines strengen „Lock-down“, der bereits seit Mitte März gilt, konnten hohe Todeszahlen bisher verhindert werden – allerdings mit hohen Kosten für die Wirtschaft

„Lock-down“ nicht ohne Folgen

Zusätzlich leidet die Wirtschaft stark unter der Coronavirus-Krise. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) dürfte heuer wegen der Pandemie um etwa zwölf Prozent einbrechen. Denn ähnlich wie in vielen anderen Ländern der Welt wurde Mitte März ein strikter „Lock-down“ verhängt, der Fabriken, Geschäfte und Büros zum Stillstand brachte.

Ende Juli kündigte Argentiniens Präsident Alberto Fernandez aufgrund des Höchststandes an Neuinfektionen eine Verlängerung des „Lock-down“ bis zum 16. August an. Derzeit gibt es laut Angaben der Johns-Hopkins-Universität über 200.000 Coronavirus-Fälle in Argentinien – rund 3.800 Menschen sind an den Folgen einer Coronavirus-Infektion verstorben.

324 Milliarden Dollar Schulden

Die zweitgrößte Volkswirtschaft Südamerikas befand sich bereits vor der Coronavirus-Pandemie in einer schweren Finanz- und Wirtschaftskrise. Seit 2018 steckt Argentinien in einer Rezession, die Inflationsrate lag im vergangenen Jahr bei 54 Prozent. Das wirtschaftlich schwer angeschlagene Land hat insgesamt 324 Milliarden Dollar Schulden. Dies entspricht rund 90 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Das Land leidet zudem unter einem aufgeblähten Staatsapparat, geringer Produktivität der Industrie und einer großen Schattenwirtschaft, die dem Staat viele Steuereinnahmen entzieht.