Commerzialbank-Filiale
ORF.at/Michael Baldauf
Causa Commerzialbank

Kundenanwalt sieht Land in der Pflicht

Im Fall der Commerzialbank Mattersburg habe das Land Burgenland eine Verpflichtung gehabt, die Bank zu prüfen: Das sagte der Anwalt Ernst Brandl am Mittwoch im Ö1-Mittagsjournal. Brandl begründete diese Ansicht mit der Rolle des Landes als Genossenschaftsrevisor jener Genossenschaft, die wiederum die beherrschende Stellung in der Bank innehabe.

Die Auffassung von Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ), dass das Land Burgenland nur die Genossenschaft zu prüfen habe und kein Recht habe, in die Bankgeschäfte Einblick zu nehmen, sei „schlichtweg falsch“ und widerspreche den Bestimmungen im Genossenschaftsrevisionsgesetz, sagte Brandl, der Kundinnen und Kunden vertritt, die das Land klagen wollen.

Ein Genossenschaftsrevisor habe die Gebarung und die Wirtschaftlichkeit zu prüfen – „und zwar nicht nur die Genossenschaft selbst, sonder auch all jene Unternehmen, die von der Genossenschaft beherrscht werden“, sagte Brandl.

„Wie wenn der Hund auf die Wurst aufpasst“

Das Land Burgenland sei für die Prüfung des Haupteigentümers der Genossenschaft zuständig: „Und damit habe ich in dieser Konstellation einen Genossenschaftsrevisor, eine Verpflichtung, diese Genossenschaft zu überprüfen, und auch eine direkte Verpflichtung, die Gebarung und Wirtschaftlichkeit all jener Unternehmen zu überprüfen, an denen die Genossenschaft einen beherrschenden Einfluss hat.“

Im Fall der Commerzialbank sei die Konstellation „so, wie wenn der Hund auf die Wurst aufpasst“, sagte Brandl. Es gebe mit der TPA einen Bankprüfer, der die Bilanz der Bank prüfe. Dazu komme ein vom Land beauftragter Genossenschaftsrevisor – zufälligerweise auch die TPA. Hier verschmelze „die Funktion des zu Kontrollierenden mit der Funktion des Kontrollors“.

Anwalt: Land soll TPA-Berichte veröffentlichen

Jeder andere – unabhängige – genossenschaftliche Revisor hätte nach Ansicht des Juristen bei einem durchschnittlichen betriebswirtschaftlichen Know-how erkennen müssen, dass die Ertragssituation der Bank nicht mit den gewährten Zinsen zusammenpasst. „Und spätestens da hätte man nachfragen müssen“, so Brandl.

Haftungsbeschränkungen seien dann nicht gegeben, „wenn eine solch gravierende Verletzung der Revisions- und Kontrollpflichten vorliegt, dass es fast schon in den Bereich des bedingten Vorsatzes geht“. Der Anwalt forderte das Land auf, „die Revisionsberichte der TPA zu veröffentlichen“. Die TPA hätte jedenfalls an das Amt der burgenländischen Landesregierung berichten müssen. „Und da hätte man dann schon einmal sehen können: Na was machen die denn dort eigentlich in ihrer Funktion als Revision.“

Doskozil: Geständnis von Aufsichtsratsmitglied

Doskozil sprach am Mittwoch gegenüber der Tageszeitung „Heute“ davon, dass bei der Commerzialbank in gewissem Maße Geldwäsche betrieben worden sei. „Da gibt es bereits ein Geständnis eines Aufsichtsratsmitgliedes“, so Doskozil. Wegen des Skandals habe er „jegliche Achtung gegenüber (Ex-Bank-Chef, Anm.) Martin Pucher verloren“, sagte der Landeshauptmann.

„Warum ist es so, dass Martin Pucher persönlich – glaube ich – weit über 30 Konten besitzt, die gar nicht Konten der Commerzialbank sind“, fragt sich der Politiker weiters. Es sei die Rede von einem Schaden von 700 Millionen Euro. „Der Masseverwalter muss jetzt klären, wie hoch der tatsächliche monetäre Schaden ist.“

SPÖ will U-Ausschuss zustimmen

Die Causa Commerzialbank hatte zu einem politischen Schlagabtausch zwischen SPÖ und ÖVP geführt. Die Volkspartei drohte mit der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses. Landeshauptmann Doskozil sagte dazu Dienstagabend in der ZIB2, die SPÖ werde einem U-Ausschuss „jederzeit“ zustimmen. Am Mittwoch sprach sich auch die FPÖ für einen solchen Ausschuss aus und wäre in der Folge auch für vorzeitige Neuwahlen – mehr dazu in burgenland.ORF.at.

Doskozil zur Commerzialbank-Pleite

Der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) nahm in der ZIB2 zu den Vorwürfen Stellung, der Geschäftsführer des landeseigenen Regionalmanagements Burgenland habe zwei Stunden vor der Insolvenz der Commerzialbank noch 1,4 Millionen Euro abziehen wollen.

Zudem fordern die Freiheitlichen die Suspendierung der Eisenstädter Bezirkshauptfrau, weil diese Insidertipps nach außen gegeben habe. Hintergrund: Der Geschäftsführer des Regionalmanagements Burgenland (RMB) hatte am späten Abend des 14. Juli, kurz vor der Schließung der Bank, noch versucht, Geld zu beheben.

Bezirkshauptfrau laut Doskozil Quelle der Gerüchte

Doskozil bekräftigte in der ZIB2, dass er erst am 14. Juli von der Finanzmarktaufsicht (FMA) von der bevorstehenden Schließung informiert worden sei – und zwar vor 18.45 Uhr. Danach habe er die Mitglieder der Landesregierung informiert. Zuvor waren ihm, wie er durchblicken ließ, nur unverifizierte Gerüchte zu Ohren gekommen.

Die Quelle dieser Gerüchte, „die im ganzen Bezirk Mattersburg gelaufen sind“, habe man mittlerweile ausfindig gemacht: Die Frau des gefallenen Bankchefs Martin Pucher habe die Bezirkshauptfrau von Eisenstadt-Umgebung telefonisch informiert, dass es eine Schieflage der Bank bzw. Selbstanzeige ihres Ehemannes gebe. Auch anderen persönlich Bekannten habe sie darüber Bescheid gegeben – damit diese nicht womöglich erst aus der Presse davon erfahren.

Landeshauptmann sieht „schiefe Optik“

Zudem bekräftigte Doskozil, dass es „im Nachhinein eine schiefe Optik“ ergebe, wenn das Land mit der Kanzlei TPA dieselbe Kanzlei mit der Prüfung der Bankgenossenschaft beauftragt habe wie die Bank selbst.

„Wirtschaftsrechtlich ist das aber okay“, so Doskozil. Für die Bankprüfung seien Nationalbank, FMA, Finanzministerium und zweimal auch die Staatsanwaltschaft zuständig gewesen. Das Land sei nur für die Prüfung der Eigentümergenossenschaft zuständig. Eine mögliche Sammelklage gegen das Land fürchtet er nicht, angesprochen darauf erinnerte er in der ZIB2 an die geplante Amtshaftungsklage des Landes gegen die Republik.

ÖVP richtete sieben Fragen an Doskozil

Die ÖVP richtete indes sieben Fragen an Doskozil. Unter anderem forderte die Landespartei vom Landeshauptmann und seinem Team die Offenlegung der Telefonprotokolle aus den beiden Tagen vor der Schließung der Bank, sollte sich Doskozil nicht mehr daran erinnern können, mit wem er am 13. und 14. Juli gesprochen habe, so ÖVP-Klubobmann Markus Ulram. Doskozil sagte in der ZIB2, er habe „überhaupt kein Problem“ mit der Offenlegung.

Aufsichtsbehörden versagten bei Commerzialbank

Martin Pucher, der Gründer und Vorstandschef der Commerzialbank Mattersburg, soll über Jahre hinweg Kredite und Einlagen von mehreren hundert Millionen Euro einfach erfunden haben. Aufsichtsbehörden und Wirtschaftsprüfer haben den Betrug jahrelang übersehen.

Die burgenländische SPÖ wiederum wies auf den Umstand hin, dass im obersten Kontrollgremium der Commerzialbank, dem Aufsichtsrat, „vorwiegend ÖVP-Funktionäre“ säßen. Laut einem Bericht der „Presse“ ist in der Causa Commerzialbank aktuell von einem Schaden von rund 690 Millionen Euro auszugehen – mehr dazu in burgenland.ORF.at . SPÖ-Bundesvorsitzende Pamela Rendi-Wagner lobte das Krisenmanagement Doskozils – mehr dazu in burgenland.ORF.at.

Grüne gegen Schnellschüsse

Die burgenländischen Grünen warnten indes vor Schnellschüssen. „Zunächst muss einmal geklärt werden, wie hoch die tatsächlichen Schäden bei Gemeinden und Landesunternehmungen sind, bevor man über die Höhe der Landesgelder als Unterstützung spricht“, so Klubobfrau Regina Petrik.

Forderungen nach Rücktritten und Neuwahlen, aber auch vorschnelle Geldfreigabe von Landesmitteln rund um den Commerzialbank-Skandal, seien für die Grünen „nicht zielführend“. Das Land müsse nun dringend einen Statusbericht über die Landesfinanzen samt Beteiligungen erstellen, forderte Petrik.

Kritik an einer „rot-türkisen Schlammschlacht“ um die Commerzialbank kam am Dienstag von NEOS. Diese nehme „immer skurrilere Ausmaße“ an, die Diskussion sei von „gegenseitigen Schuldzuweisungen“ geprägt, so Landessprecher Eduard Posch. Eine Möglichkeit zur Aufklärung wäre es, dem Landesrechnungshof einen Prüfauftrag zu erteilen, so die Partei.

Guthaben von Kindern grundsätzlich gesichert

Die Einlagensicherung teilte indes mit, dass die meisten Rückerstattungen abgearbeitet seien. Sie deckt Guthaben bis zu 100.000 Euro. 10.100 Kunden und damit rund 75 Prozent der Kundschaft wurden bisher entschädigt, hieß es. „Die Frequenz lässt nach“, sagte Stefan Tacke von der Einlagensicherung in „Burgenland heute“. Grundsätzlich gesichert sein sollen auch die von der Bank angebotenen Kindersparbücher – mehr dazu in burgenland.ORF.at.

Die APA meldete indes am Mittwoch, dass der Commerzialbank zwar der weitere Betrieb untersagt sei, die Bank sei aber weiterhin im Besitz ihrer Konzession. Es sei das erste Mal, dass mit der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens eine Bankkonzession nicht erlischt. Neue Bankengesetze hätten das früher übliche Prozedere verändert.