Commerzialbank-Filiale
ORF.at/Michael Baldauf
Gutachten zu Commerzialbank

Ungereimtheiten hätten auffallen müssen

Die Vorwürfe gegen die Prüforgane im Skandal um die Mattersburger Commerzialbank werden lauter. Ein Gutachten im Auftrag einer Anwaltskanzlei stützt diese Vorwürfe. Ein Ertrags- und Bilanzvergleich der Jahresabschlüsse von 2008 bis 2018 mit dem Bankensektor insgesamt deutet auf große Auffälligkeiten hin.

Rechtsanwalt Markus Spani von der Kanzlei Hausmaninger Kletter kann nicht nachvollziehen, wie das den Behörden habe entgehen können. Es hätte keines anonymen Hinweises bedurft, um eine Prüfung zu rechtfertigen. Ein erfahrener Prüfer hätte klar erkennen müssen, dass das Geschäftskonzept der Commerzialbank Mattersburg schon aufgrund der Bilanzdaten nicht nachvollziehbar und der Verdacht der Bilanzmanipulation eindeutig gegeben sei, schreibt die Anwaltskanzlei, die im Bilanzskandal der Bank Geschädigte vertreten will.

Auf 25 Seiten werden in dem Gutachten von Oliver Lintner als Sachverständigem Auffälligkeiten aufgelistet, etwa die Entwicklung der Bilanz: Die Bilanzsumme des österreichischen Bankensektors sei von 2008 bis 2019 von 1.069 Mrd. Euro auf 884 Mrd. Euro oder um 17,2 Prozent geschrumpft, der Bankensektor insgesamt sei in acht der letzten elf Jahre geschrumpft. Indes sei die Bilanzsumme der Commerzialbank von 413 Mio. auf 795 Mio. Euro im Jahr 2018 gewachsen, ein Zuwachs von 92,62 Prozent.

Deutliche Unterschiede zu anderen Banken

In Sachen Kunden-Einlagen-Verhältnis kommt das Gutachten zu dem Schluss, dass bei österreichischen Banken jedem Euro, der als Kredit an Kunden vergeben wird, zwischen 0,85 und 1,07 Euro Kundeneinlagen gegenüberstünden. In der Commerzialbank Mattersburg seien es mit der 2018er-Bilanz 2,05 Euro Kundeneinlagen pro Euro Kreditsumme gewesen.

In Bezug auf Guthaben bei anderen Banken (Kredite an andere Banken) heißt es: Banken hätten 2018 13,9 Prozent ihrer Bilanzsumme als Kredit bzw. Einlage an andere Banken vergeben. Bei der Commerzialbank Mattersburg habe dieser Satz 47,84 Prozent betragen – dreimal mehr als im Branchenschnitt.

Im Ertragsvergleich kam Lintner auf eine mehr als doppelt so hohe Zinsspanne wie jene von vergleichbaren Banken im Land. Gleiches gelte für den Provisionsertrag bezogen auf die Bilanzsumme.

Signifikante Zinsunterschiede

Der Zinsertrag auf Kredite an Kunden bzw. Einlagen bei anderen Banken sei historisch mit 4,58 Prozent signifikant über dem Branchenschnitt von 2,87 Prozent gelegen. Für einen Zinsertrag von jährlich 4,58 Prozent wären auf dem Bondmarkt Investitionen in riskante Unternehmensanleihen bzw. Ramsch-Papiere nötig gewesen, schreibt die Kanzlei. Von österreichischen Banken seien auf Gelder bzw. Kredite, die sie von anderen Banken erhielten, im Schnitt 1,98 Prozent pro Jahr bezahlt worden.

Unter der Annahme, dass auch die Veranlagungen der Commerzialbank Mattersburg bei anderen Banken durchschnittlich 1,98 Prozent p. a. erzielt hätten, hätten die Kreditzinsen an Kunden 7,31 Prozent ausmachen müssen, um die ausgewiesenen Zinserträge zu erzielen, errechnete der Gutachter.

Wie mehrfach berichtet, dürfte weit mehr als die Hälfte der Bilanz auf „Fake“-Geschäfte zurückzuführen sein. Es erhärte sich der Verdacht, dass staatliche Organe wie Oesterreichische Nationalbank (OeNB) und Finanzmarktaufsicht (FMA) bei der Commerzialbank ihre Aufsichtspflichten klar verletzt hätten, so die Kanzlei, für die eine Amtshaftungsklage gegen die Republik naheliegt. Für wirtschaftliche Analysen ist seit 2008 die OeNB zuständig. Rechtliche Schritte prüfe man auch gegen das Land Burgenland.

Bruch des Amtsgeheimnisses fraglich

Ob zusätzlich zu den bisher angekündigten Ermittlungen auch wegen Bruchs des Amtsgeheimnisses ermittelt werden wird, ist laut Ö1-Morgenjournal fraglich. Dass die Finanzmarktaufsicht Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) die bevorstehende Bankschließung bestätigt habe und dass womöglich jemand aus der Landesregierung diese Information an die Regionalmanagement Burgenland weitergegeben habe, ist laut WU-Professor Harald Eberhard rechtens.

„Die Finanzmarktaufsicht ebenso wie die Organe des Landes Burgenland, aber auch des RMB sind Organe, die der Amtsverschwiegenheit unterliegen. Informationen zwischen diesen Organen, die weitergegeben werden, sind kein Bruch der Amtsverschwiegenheit“, so Eberhard im Ö1-Interview. Wären andererseits Privatpersonen vorinformiert gewesen, wäre das laut dem Experten potenziell strafbar.

Parteien planen U-Ausschuss

Über die Einsetzung eines U-Ausschusses sind sich die Parteien im burgenländischen Landtag unterdessen einig – auch Doskozil hatte am Montag in der ZIB2 bereit angekündigt, dem zuzustimmen. NEOS forderte zudem die Einsetzung einer unabhängigen Untersuchungskommission. Als Vorbild könnte die 2014 von der Bundesregierung eingesetzte „Griss-Kommission“ dienen, welche die Vorkommnisse in Zusammenhang mit der Hypo-Alpe-Adria-Bank untersuchte.

„Wie beim Kriminalfall um die Hypo Alpe-Adria, muss auch diese Causa lückenlos aufgeklärt und darf nicht für tagespolitisches Hickhack missbraucht werden“, so NEOS-Abgeordneter Douglas Hoyos. Ein Untersuchungsausschuss im Burgenland könne das allein nicht leisten, zudem seien SPÖ und ÖVP zu sehr involviert. Auch bei der Hypo habe eine unabhängige Untersuchungskommission parallel zu einem Untersuchungsausschuss im Land Kärnten gearbeitet und „wesentliche Aufklärungsarbeit“ geleistet.

ÖVP und SPÖ für Untersuchungskommission

Alles, was zur Aufklärung des burgenländischen Bankskandals helfe, sei selbstverständlich zu unterstützen, hieß es von ÖVP-Seiten aus dem dafür zuständigen Finanzministerium gegenüber dem Ö1-Mittagsjournal. Auch Vizekanzler und Grünen-Chef Werner Kogler erklärte in einer Stellungnahme, die Untersuchungskommission sei sicher eine von mehreren Möglichkeiten, zur unbedingt notwendigen Aufklärung beizutragen. Auch für SPÖ spricht nichts dagegen, so der stellvertretende SPÖ-Klubchef Jörg Leichtfried im Ö1-Gespräch.

FPÖ-Chef Norbert Hofer zeigte sich ablehnend gegenüber dem Vorschlag von NEOS, den Skandal um die Commerzialbank Mattersburg von einer unabhängigen Untersuchungskommission aufarbeiten zu lassen. „Ich halte das für überflüssig“, sagte er am Donnerstag in einer Pressekonferenz. Sowohl ein Untersuchungsausschuss als auch die Behörden würden in diesem Fall zur Aufklärung beitragen.