Salatschüssel mit Halloumi
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Halloumi

Grillkäse stellt CETA auf die Probe

In aller Munde ist Halloumi nicht nur als vegetarische Option auf Grillpartys, sondern auch als anschauliches Beispiel der EU-Handelspolitik und deren Herausforderungen. Letzte Woche stimmte das Mitgliedsland Zypern mit 37 zu 18 Stimmen gegen das Umfassende Wirtschafts- und Handelsabkommen EU-Kanada (CETA). Grund für die Abwehrhaltung ist unter anderem der Ärger über den dürftigen Rechtsschutz von Grillkäse.

Die zypriotischen Gemüter sind erhitzt, da Halloumi – auf Türkisch Hellim – nicht nur in Zypern hergestellt werden darf. Dabei rückt sogar die sonst vorherrschende Rivalität zwischen dem griechischen und türkischen Teil der Insel in den Hintergrund. Ein Großteil der Parlamentarierinnen und Parlamentarier nämlich fordert vom EU-Handelsabkommen, dass es die zypriotische Version von Halloumi vor der ausländischen Konkurrenz schützt. Die Abgeordneten argumentieren, CETA mache in seiner jetzigen Auslegung den kanadischen Markt für amerikanische, dänische, britische und kanadische Kopien des Grillkäses leichter zugänglich.

Tatsächlich könnte eine geschützte Marke Halloumi dem Land hohe Dividenden einbringen, schließlich erfreut sich der Quietschekäse weltweit immer größerer Beliebtheit und ist ein wichtiges Exportgut. Die zypriotischen Abgeordneten wünschen sich deshalb ein Qualitätgsetikett ähnlich wie bei Champagner und Parmaschinken. Diese Produkte dürfen nur ihren Namen tragen, wenn sie auch wirklich aus der jeweiligen Gegend stammen und nach einem streng festgelegten Prozedere hergestellt werden.

Käse als Politikum

Es ist nicht das erste Mal, dass Halloumi zum Politikum wird. Bereits in der Vergangenheit setzte die Europäische Kommission den Käse als Druckmittel gegenüber Nikosia ein, um auf die Wiedervereinigung der Insel zu drängen. So schlug die Kommission vor, eine geschützte Bezeichnung erst dann einzuführen, wenn der Käse – der sowohl im griechischen als auch im türkischen Teil hergestellt wird – von einer gemeinsamen Qualitätskontrolle überwacht würde. Jetzt aber versucht das zypriotische Parlament, den Spieß gegenüber Brüssel umzudrehen und selbst Druck auszuüben.

Halloumi
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Wie Champagner? Zypern wünscht sich Halloumi als geschützte Marke.

„Wir fordern die Registrierung von Halloumi als Produkt mit geschützter Ursprungsbezeichnung aus Zypern so bald wie möglich, damit wir die Ratifizierung von CETA unterstützen können“, sagte ein Sprecher der Partei Bewegung der Sozialdemokraten, die gegen das Abkommen stimmten. Er fügte hinzu, Brüssel müsse „die Angelegenheit schnell und verantwortungsbewusst behandeln“. Auch die kommunistische AKEL-Partei hält das Thema Halloumi für wichtig, ihre Einwände gegen CETA konzentrieren sich aber mehr auf die Rechte von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie die Umweltaspekte in Zypern.

Die Mitte-rechts-Partei DISY, die größte Einzelpartei im Parlament, bezeichnete das Votum gegen CETA hingegen als einen politischen Fehler, der die Kluft zwischen der EU und Zypern vertiefen würde. Nicos Tornaritis zufolge, Fraktionschef der DISY, würde Zypern von CETA enorm profitieren, da das kanadische und das zypriotische Rechtssystem ähnlich sei. Halloumi-Käse ist ihm zufolge „nur eine Ausrede“. Mit der mehrheitlichen Ablehnung im Parlament ist der Inselstaat im Mittelmeer jedoch das erste EU-Land, dass das seit 2017 vorläufig in Kraft getretene Abkommen ablehnt.

Widerstand auch aus den Niederlanden und Italien?

EU-Beamtinnen und Beamte, die CETA verhandelt hatten, sind noch der Meinung, dass sie genügend Schutz in den rechtlichen Rahmen des Handelsabkommens eingebaut haben. Der Schutz reiche so weit, dass auch ein nationales Parlament eines Mitgliedsstaats das gesamte Abkommen nicht einfach sprengen könne, meinen sie. Jedoch waren es gerade eben jene Verhandlerinnen und Verhandler, die bereits 2016 nervös wurden, als das Regionalparlament der Region Wallonien in Belgien CETA zu Fall bringen wollte, indem es dagegen gestimmt hatte.

Die Frage bleibt jedenfalls, ob Zypern unter den EU-Mitgliedsstaaten einen Dominoeffekt auslösen könnte. In den Niederlanden etwa – eigentlich eine eingefleischte Freihandelsnation – ist die CETA-Ratifizierung keineswegs garantiert. Das Abkommen wurde durch eine Abstimmung im Unterhaus durchgesetzt, aber der niederländische Senat könnte anders stimmen, da die Regierung dort keine Mehrheit hat.

Italien hat unterdessen noch nicht über das CETA-Abkommen abgestimmt, da es innerhalb der Regierungskoalition zu einem Konflikt mit der Fünf-Sterne-Bewegung, der größten Partei im Parlament, kam, die sich offen gegen die Ratifizierung ausgesprochen hatte. Italiens Juniorminister für Handel, Manlio Di Stefano von der Fünf-Sterne-Bewegung, sagte wiederholt, Italien solle das Abkommen nicht ratifizieren.

Noch keine offizielle Mitteilung

Offiziell wurde vonseiten der Regierung Zyperns noch kein offizielles Dokument Richtung Brüssel geschickt. Die zypriotische Regierung müsste dem Rat mitteilen, dass das Scheitern der Ratifizierung von CETA „dauerhaft und endgültig“ ist, schreibt „Politico“. Dieser Schritt lässt einige Möglichkeiten für eine interne Lösung offen, bevor sich Brüssel ernsthaft weitere Gedanken machen muss. DISY-Fraktionschef Tornaritis sagte indes voraus, dass die Dinge ganz anders verlaufen könnten, wenn das Parlament nach der Sommerpause erneut über CETA abstimme.

EU-Kommission
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Halloumi wird nicht zum ersten Mal als politisches Druckmittel in der EU eingesetzt

Auch die Möglichkeit, Halloumi zu schützen, ohne CETA wieder aufzuschnüren, könnte sich ergeben. „Die EU und Kanada könnten auf Beschluss des Gemischten Ausschusses neue Regierungsangelegenheiten in das Abkommen aufnehmen, ohne das Abkommen erneut zu öffnen“, sagte etwa Guillaume Van der Loo vom Zentrum für Europäische Politische Studien zu „Politico“. Jedoch: „Natürlich könnte dies die Tür für andere Mitgliedsstaaten öffnen, die ähnliche Anträge stellen.“

Wenn es im Herbst allerdings keinen Kompromiss gebe und Zypern Brüssel formell mitteile, dass es das Abkommen nicht ratifizieren würde, erklärte der Rat, dass „die vorläufige Anwendung beendet werden muss und wird“. „Die notwendigen Schritte werden in Übereinstimmung mit den EU-Verfahren unternommen“, hieß es vom EU-Rat. Das bedeutet, dass die Kommission einen Vorschlag zur Beendigung der vorläufigen Anwendung des Abkommens ausarbeiten und dieser vom Rat mit qualifizierter Mehrheit angenommen werden müsste. Zypern bräuchte also große Geschütze zur Unterstützung.

CETA von 15 Staaten ratifiziert

Das CETA-Freihandelsabkommen enthält zahlreiche Handels- und Zollerleichterungen zwischen der EU und Kanada. Für seine Kritikerinnen und Kritiker ist das Abkommen insbesondere beim Investitionsschutz umstritten, der es Unternehmen ermöglichen soll, bei veränderter Rechtslage von Staaten unter Umständen Schadenersatz zu fordern. Das CETA-Abkommen wurde 2016 vom Europäischen Rat, der Europäischen Kommission und der kanadischen Regierung unterzeichnet, nachdem alle 28 europäischen Regierungen zugestimmt hatten.

Das Europäische Parlament stimmte 2017 mit großer Mehrheit dem Abkommen zu. Daraufhin wurden Teile von CETA seit dem 21. September 2017 vorläufig angewendet. Für ein vollständiges Inkrafttreten bedarf das Abkommen noch der Ratifizierung durch die nationalen Parlamente in der EU, Kanadas und der EU selbst. Bisher haben 15 EU-Mitgliedsstaaten das Abkommen ratifiziert, darunter auch Österreich. 2018 wurde das Abkommen im Nationalrat unter den damaligen Regierungsparteien ÖVP und FPÖ zusammen mit Unterstützung von NEOS beschlossen, ein SPÖ-Antrag für eine Volksabstimmung wurde mehrheitlich abgelehnt. CETA war FPÖ-Angaben zufolge eine Koalitionsbedingung der ÖVP.