Rauchender Schutt in Beirut
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Beirut

43 Meter tiefer Krater nach Explosion

Die Explosion von 2.750 Tonnen Ammoniumnitrat im Hafen der libanesischen Hauptstadt Beirut hat einen 43 Meter tiefen Krater in den Boden gerissen. Das sagte ein Sicherheitsvertreter am Sonntag unter Berufung auf französische Fachleute, die derzeit den Unglücksort untersuchen. Nach der Katastrophe wächst der Druck auf die libanesische Regierung. Die Informationsministerin reichte ihren Rücktritt ein.

Die insgesamt zwei Explosionen am Dienstag haben in Beirut schwere Zerstörungen angerichtet. Nach Angaben der Behörden wurden mindestens 158 Menschen getötet, 21 weitere werden noch vermisst. Mehr als 6.000 Menschen wurden verletzt und Hunderttausende obdachlos. Die US-Erdbebenwarte USGS registrierte eine Explosion von der Erdbebenstärke 3,3.

Nach Angaben von Regierungschef Hassan Diab lagerte das Ammoniumnitrat jahrelang ungesichert in einer Halle im Hafen. 21 mutmaßliche Verantwortliche wurden festgenommen.

Schutt am Hafen von Beirut
APA/AFP/Anwar Amro
Durch die Wucht der Explosion wurde ein gewaltiger Krater in den Beiruter Hafen gerissen

Die tatsächliche Ursache der Explosionen ist Gegenstand von Ermittlungen. Die Rede ist von einem Unfall oder Fahrlässigkeit bei der Lagerung. Am Freitag schloss der libanesische Präsident Michel Aoun aber auch einen Anschlag nicht aus. Es sei möglich, dass die Explosionen durch „Fahrlässigkeit oder durch äußere Einwirkung, mit einer Rakete oder einer Bombe“, ausgelöst wurden, sagte er. Hinweise auf einen möglichen politischen Hintergrund oder einen Anschlag gab es aber nicht.

Premier für vorgezogene Neuwahlen

Viele Libanesinnen und Libanesen machen die Regierung und politische Führung des Landes für die verheerende Explosionskatastrophe verantwortlich. Aus Protest waren Tausende Menschen am Samstag durch Beirut marschiert und hatten kurzzeitig mehrere Regierungsgebäude gestürmt.

Demonstranten in Beirut
Reuters/Thaier Al-Sudani
Tausende Menschen gingen am Samstag in Beirut auf die Straße

Bei Zusammenstößen am Rande der Demonstration wurde ein Polizist getötet, mehr als 230 Menschen wurden verletzt. Demonstrierende warfen Steine auf die Polizei, die Sicherheitskräfte setzten Tränengas und Gummigeschoße ein.

Regierungschef Diab kündigte daraufhin an, vorgezogene Neuwahlen zu beantragen. Ein entsprechendes Gesetz will er seinem Kabinett in einer Sitzung am Montag vorlegen. Einen möglichen Termin nannte er nicht. Die nächste Wahl stünde eigentlich erst 2022 an.

Informationsministerin reichte Rücktritt ein

Die libanesische Informationsministerin Manal Abdel Samad reichte am Sonntag ihren Rücktritt ein. „Ich entschuldige mich bei allen Libanesen, die ihre Ziele nicht erreichen konnten“, sagte Samad bei einer im Fernsehen übertragenen Erklärung. Als Grund für ihren Rücktritt nannte sie unter anderem die Explosion vom Dienstag. Ein möglicher Wandel für den Libanon sei jetzt „außer Reichweite“.

Einsatzkräfte in Beirut
AP/Felipe Dana
Die Ursache der Katastrophe ist Gegenstand von Ermittlungen

Es ist der erste Rücktritt eines Kabinettsmitglieds seit der Explosion. Einen Tag davor – am Montag – hatte bereits Außenminister Nassif Hitti seinen Rücktritt eingereicht. Als Begründung nannte er dabei auch die seiner Meinung nach schwache Leistung der Regierung bei dem Versuch, das Land aus seiner schweren wirtschaftlichen und politischen Krise zu führen. Zum Nachfolger wurde Scharbil Wihbi bestimmt, der bisherige diplomatische Berater von Präsident Aoun.

Frankreich hat indes nach eigenen Angaben eine Luftbrücke eingerichtet, um Katastrophenhelferinnen und -helfer sowie Hilfsgüter in den Libanon zu bringen. Es werden auch zwei Schiffe, darunter ein Kriegsschiff, vom Mittelmeer-Hafen Toulon aus in Bewegung gesetzt, die unter anderem Nahrungsmittel transportieren, wie das französische Außenministerium erklärte.

Geberkonferenz gestartet

Frankreich und die UNO richteten am Sonntagnachmittag eine internationale Geberkonferenz ein, um Spenden für die humanitäre Nothilfe in dem ehemaligen Bürgerkriegsland zu sammeln. An der Videokonferenz nahmen unter anderem US-Präsident Donald Trump, EU-Ratspräsident Charles Michel und der EU-Kommissar für humanitäre Hilfe, Janez Lenarcic, teil.

Zu Beginn der Konferenz forderte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron die internationalen Partner zu einer hohen Nothilfe für den Libanon auf. Beirut sei im Herzen getroffen worden, sagte der 42-Jährige. „Wir müssen schnell und effizient handeln, damit diese Hilfe direkt dort ankommt, wo sie benötigt wird“, so Macron.

Der Internationale Währungsfonds (IWF) stellte Milliardenhilfen in Aussicht, unter der Bedingung, dass Reformen durchgesetzt würden. Die UNO schätzt die notwendige Hilfe auf fast 100 Mio. Euro.

EU stockt Nothilfe auf

Die EU gab am Sonntag bekannt, ihre Libanon-Hilfe um 30 Millionen Euro aufzustocken. Das Geld ergänze den Betrag von 33 Millionen Euro, der bereits direkt nach der Explosionskatastrophe in Beirut zugesagt worden war, wie die EU-Kommission mitteilte.

Deutschlands Außenminister Heiko Maas hatte zuvor bereits eine Soforthilfe von zehn Millionen Euro für den Libanon angekündigt. Die österreichische Regierung stellt eine Million Euro aus dem Auslandskatastrophenfonds (AKF) als Soforthilfe zur Verfügung.

Papst Franziskus bekräftigte unterdessen seine Forderung nach internationaler Hilfe für den Libanon. „Die Katastrophe vom vergangenen Dienstag erfordert von allen, angefangen bei den Libanesen, eine Zusammenarbeit für das Gemeinwohl dieses geliebten Landes“, sagte das Kirchenoberhaupt in Rom – mehr dazu in religion.ORF.at.