Weißrusslands Präsident Alexander Lukaschenko
APA/AFP/Sergei Gapon
Zu wenige Stimmzettel

Vorwürfe begleiten Lukaschenkos Wahlsieg

In Weißrussland haben sich am Sonntag enorme Schlangen vor den Wahllokalen gebildet. Es wollten so viele Menschen wählen, dass die Stimmzettel nicht ausreichten. Eine Revolution an der Wahlurne gab es ohnedies nicht: Alexander Lukaschenko wird laut offizieller Prognose seine sechste Amtszeit als Staatschef antreten. Am Abend kam es bei Protesten zu Ausschreitungen.

Lukaschenko gewann laut offiziellen Prognosen die Präsidentschaftswahl klar und deutlich: Er errang 79,7 Prozent der Stimmen. Seine unerfahrene Herausforderin Swetlana Tichanowskaja kam demnach auf nur 6,8 Prozent. Befragt wurden den Angaben nach mehr als 12.000 Wahlberechtigte nach dem Urnengang. 30 Prozent von ihnen hätten keine Antwort geben wollen, hieß es. Unabhängigen Nachwahlbefragungen im Ausland zufolge soll Tichanowskaja 71 Prozent geholt haben, Lukaschenko erhielt demnach zehn Prozent.

Tichanowskaja zweifelte die offiziellen Zahlen an. „Ich glaube an das, was ich mit eigenen Augen sehe und ich sehe, dass die Mehrheit hinter uns steht“, sagte sie nach der Veröffentlichung der Prognose. „Ich glaube, dass wir schon gewonnen haben, weil wir unsere Angst, unsere Apathie und unsere Gleichgültigkeit besiegt haben“. Tichanowskaja konnte trotz geringer Erfolgschancen Druck auf Lukaschenko aufbauen. Tausende Menschen hatten an ihren Wahlkampfveranstaltungen teilgenommen, obwohl die Behörden vor der Wahl scharf gegen Gegner vorgingen. Die Opposition bezweifelte, dass der Staatschef in der Lage sei, eine Abstimmung ohne Fälschungen zu gewinnen. Und auch dieses Mal gab es schwere Vorwürfe der Wahlfälschung.

Warteschlange zur Wahl in Weißrussland
AP/Sergei Grits
Lange Schlangen in Minsk: Die Wahlbeteiligung war außerordentlich hoch

Kritische Websites nicht erreichbar

Das Interesse an der Wahl war enorm vielerorts bildeten sich Schlangen vor den Wahllokalen. Wie die Wahlkommission in der Hauptstadt Minsk mitteilte, lag die Beteiligung am Abend bei knapp 80 Prozent. Auch bei den weißrussischen Botschaften im Ausland sammelten sich sehr viele Menschen. In der russischen Hauptstadt Moskau bildete sich eine Hunderte Meter lange Schlange vor der diplomatischen Vertretung. Viele der rund 6,8 Millionen Wahlberechtigten konnten aber wegen des großen Andrangs ihre Stimme nicht mehr abgeben. Wahlleiterin Lilija Jermoschina sagte am Sonntagabend, dass die Anzahl der Stimmzettel nicht ausreichte. Niemand habe mit so einer hohen Beteiligung gerechnet.

Weißrusslands Präsidentenwahl geschlagen

Paul Krisai kommentiert aus Moskau die Umstände der Präsidentenwahl in Weißrussland.

Es gab auch dutzende Videos von Manipulationen an den Stimmzetteln in den sozialen Netzwerken und Klagen von Bürgern über Verstöße. Viele Menschen gaben zudem an, Probleme mit dem Internet zu haben. Vor allem viele regierungskritische Seiten waren in Weißrussland nicht abrufbar. Die Opposition warnte gar vor einer kompletten Abschaltung des Netzes. Auf diese Weise wollten die Behörden organisierte Proteste verhindern. Und auch am Wahltag kam es wieder zu zahlreichen Festnahmen, darunter ein Team des kremlkritischen russischen Internet-Fernsehkanals Doschd.

Verhaftungen bei Protesten

Am Abend kam es zu Ausschreitungen in mehreren Städten des Landes. Tausende Menschen versammelten sich auf zentralen Plätzen, um gegen Wahlfälschungen zu demonstrieren. In sozialen Netzwerken wurden Videos veröffentlicht, die etwa in der Hauptstadt Minsk zeigten, wie Polizisten auf Menschen einschlugen. Wiederum andere Passanten attackierten daraufhin die Sicherheitskräfte, um eine Festnahme zu verhindern. In Minsk setzten die Beamten Leuchtgranaten ein, um die Menschen zu vertreiben.

Swjatlana Zichanouskaja
AP/Sergei Grits
Die politisch unerfahrene Swetlana Tichanowskaja konnte Druck aufbauen, war aber chancenlos

Die Polizei nahm viele Demonstranten fest. Eine genaue Zahl lag zunächst nicht vor. Die Menschenrechtsorganisation Wesna sprach am Abend von zunächst mehr als 50 Festnahmen. Es soll auch viele Verletzte gegeben haben.

Gepanzerte Fahrzeuge in Minsk

Die Lage in der weißrussischen Hauptstadt war den ganzen Wahltag über angespannt. In ganz Minsk waren Polizeipatrouillen zu sehen, Regierungsgebäude wurden mit Metallbarrieren abgeriegelt. Augenzeugen berichteten der Nachrichtenagentur AFP von gepanzerten Fahrzeugen und bewaffneten Soldaten an wichtigen Zufahrtsstraßen. Außerdem wurden Metro-Stationen geschlossen.

Lukaschenko hatte mit dem Einsatz der Armee gedroht, sollte jemand versuchen, ihm die Macht zu entreißen. Der Staatsagentur Belta zufolge sagte er: „Es gerät nichts außer Kontrolle. Das garantiere ich.“