Sommerliches Wetter lockte in den vergangenen Tagen viele Menschen in die Berge. Für die freiwilligen Helferinnen und Helfer des Österreichischen Bergrettungsdienstes (ÖBRD) bedeutete das eine intensive Zeit. Die meisten Einsätze betrafen Leichtverletzte und erschöpfte Personen. In Tirol, Niederösterreich und der Steiermark kam es allerdings auch zu tödlichen Kletterunfällen. Die steirische Bergrettung musste den Hund von Wanderern bergen, der auf dem Gipfel des Grabnersteins von einer Kreuzotter gebissen worden war – mehr dazu in steiermark.ORF.at.
Die einsatzreichen Tage spiegeln den bisherigen Sommer in den Bergen wider. „Seitens der meisten Landesverbände wird ein erhöhtes Einsatzaufkommen gemeldet“, so Martin Gurdet, Geschäftsführer des Bundesverbands des ÖBRD, gegenüber ORF.at. Die Zahlen gehen schon seit Längerem deutlich nach oben: Vor fünf Jahren verzeichnete die Bergrettung Gurdet zufolge jährlich etwa 6.000 Einsätze, im Vorjahr waren es 9.000. Besonders gefordert seien Ortsstellen, in deren Einsatzgebiet sich touristische Attraktionen und andere alpinistische Highlights befinden, so Gurdet.
Urlaub im eigenen Land
Die Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie auf den österreichischen Tourismus sind sehr unterschiedlich. Während städtische Hoteliers heftige Einbußen hinnehmen müssen, ist die Buchungslage in den Bergen und an den Seen gut.
Das liegt zu einem großen Teil an den Gästen aus dem Inland, wie man auch beim Österreichischen Alpenverein (ÖAV) registriert: „Dass Bergsport stark im Trend liegt, wissen wir seit Jahren. Was wir dieses Jahr zusätzlich bemerken, ist die Tatsache, dass viele Österreicherinnen und Österreicher in Österreich Urlaub machen oder ihre freien Tage in den Bergen verbringen“, sagte Michael Larcher, Leiter der Abteilung Bergsport beim ÖAV, gegenüber ORF.at.
Hütten: Mehr Tagesgäste, weniger Übernachtungen
Auf den Hütten des Alpenvereins werden laut Larcher derzeit wesentlich mehr Tagesgäste verzeichnet, die meisten von ihnen aus Österreich. Die Zahl der Übernachtungen ist dafür in diesem Sommer coronavirusbedingt deutlich niedriger als in den vergangenen Jahren mehr dazu in vorarlberg.ORF.at, tirol.ORF.at und steiermark.ORF.at.
Auswirkungen hat die Pandemie auch auf die Mitgliederzahlen des Alpenvereins. Über Jahre hinweg gab es Rekordzuwächse, das Coronavirus hat die Entwicklung zumindest vorläufig gestoppt. Zu Beginn der Krise sei im Vergleich zum Vorjahr ein starker Einbruch verzeichnet worden, so Larcher. Mittlerweile hätten sich die Zahlen erholt. Unterm Strich rechne man 2020 mit einem leichten Plus bei den Mitgliedern.
Auf den Berg statt zum Strand
Die Anzahl der schweren und tödlichen Alpinunfälle zeige keine Abweichung zu früheren Jahren, beobachtete auch Larcher. Sehr wohl gestiegen ist die Anzahl der Einsätze insgesamt, sowohl mit dem Hubschrauber als auch auf dem Boden.
Beim Alpenverein wird das nicht zuletzt auf die vielen Gäste aus dem Inland zurückgeführt. Viele Österreicherinnen und Österreicher, die im Sommer normalerweise am Meer urlauben würden, seien derzeit auf den Bergen unterwegs. „Da fehlt oft das Grundlegende wie die Trittsicherheit, das Wissen um die eigenen Leistungsgrenzen oder das Wissen um die richtige Tageszeit, wann man unterwegs sein sollte“, so Larcher. Die Folge seien viele leichte Unfälle, bei denen Personen kleinere Blessuren davontragen, aus Erschöpfung nicht mehr weiterkommen oder auf einem Klettersteig wegen Übermüdung oder Angst weder vor- noch zurückkönnen.
Lokaler Übertourismus
Bergretter Gurdet bestätigte den Befund: „Auffällig ist, dass es in den letzten Jahren vermehrt zu Einsätzen kommt, bei denen sich Personen in einer Notlage befinden, aber unverletzt sind.“ Hinzu kommen lokaler Übertourismus und Mikrotrends im Bergsport. So sind in Österreich in den vergangenen 15 Jahren zahlreiche Klettersteige und Mountainbike-Trails entstanden.
„Hier werden Gebiete erschlossen, die früher nicht genutzt wurden – klar ist, dass dort, wo Sportarten mit Verletzungsrisiko durchgeführt werden, auch Unfälle und somit vermehrt Einsätze entstehen“, sagte Gurdet. „Waren früher Einsätze eher an den Wochenenden zu vermerken, sind diese nun insbesondere in der Urlaubs- und Ferienzeit an jedem Wochentag und zu jeder Uhrzeit zu vermerken. Das ist natürlich eine Herausforderung für die freiwilligen Bergretterinnen und Bergretter.“
Der ÖBRD hat auf seiner Website sieben Sicherheitstipps für Wanderungen und Bergtouren zusammengefasst. Dazu gehören die richtige Ausrüstung und Verpflegung ebenso wie die korrekte Einschätzung der eigenen Kräfte und des Wetters. Die Schwierigkeit der gewählten Tour und das Gehtempo sollten dem eigenen Können angepasst werden. Ebenfalls entscheidend ist das richtige Verhalten in Notfällen.
Früher Aufbruch schont den Kreislauf
Wie aber dem Stau auf den Bergen entgehen? Diese Frage stellt sich gerade in Zeiten des Coronavirus, auch wenn die Übertragung des Erregers im Freien weniger ein Problem ist. Larcher empfiehlt, möglichst zeitig in der Früh aufzubrechen. Die kühle Morgenluft reduziere die Belastung für den Kreislauf. Zudem senke ein früher Start vor allem bei längeren Touren das Risiko, beim Abstieg in ein Gewitter zu geraten.
Weiters empfiehlt Larcher, sich weniger berühmte Ziele für den Ausflug auf den Berg zu suchen. Es müssten nicht immer klingende Namen wie der Großvenediger und die Serles in Tirol sein. In Österreich gebe es zahlreiche wunderschöne Wanderstrecken, auf denen man fast alleine unterwegs sein könne: „Wenn man weniger bekannte, aber nicht weniger attraktive Ziele wählt, hat man nach wie vor eine große Chance, ein einsames Bergerlebnis zu genießen.“