Der deutsche Vizekanzler und Finanzminister, Olaf Scholz.
APA/Bernd von Jutrczenka
Deutschland

Scholz wird SPD-Kanzlerkandidat

Die deutsche SPD will Vizekanzler und Finanzminister Olaf Scholz zu ihrem Kanzlerkandidaten für die Bundestagswahl im kommenden Jahr küren. „Olaf hat den Kanzler-Wumms“: Mit diesen Worten bestätigten die Parteichefs Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans am Montag entsprechende Berichte auf Twitter. Das Präsidium habe Scholz einstimmig nominiert.

Die SPD-Spitze schrieb weiters: „Wir wissen, dass diese Entscheidung für einige eine unerwartete Wendung darstellt.“ Man bitte um Vertrauen. Esken und Walter-Borjans hatten im Vorjahr bei einer Basisbefragung gegen Scholz um die Parteispitze gerittert und sich durchgesetzt. Auch Scholz bestätigte die Nominierung: Er freue sich „auf einen tollen, fairen und erfolgreichen Wahlkampf in einem starken Team“.

Die Personalie war lange vermutet worden, sie ist in der Partei aber zugleich umstritten. Esken und Walter-Borjans begründeten die Entscheidung damit, dass es in den letzten Monaten einen „engen Schulterschluss“ und eine vertrauensvolle Zusammenarbeit von Parteispitze, Fraktionsführung und den sozialdemokratischen Ministern gegeben habe.

Coronavirus-Krise als Plus

Scholz ist vor allem im linken Flügel der SPD umstritten, er ist allerdings der SPD-Politiker mit den besten Umfragewerten. Zuletzt konnte er sich in der Coronavirus-Krise mit dem Schnüren milliardenschwerer Hilfspakete profilieren. Vor allem Mitglieder der Bundestagsfraktion und andere SPD-Minister hatten sich für ihn als Kanzlerkandidaten ausgesprochen.

Belasten könnte Scholz hingegen die Wirecard-Affäre. Die Opposition fordert von ihm und Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) Antworten nach der politischen Verantwortung für den Skandal bei dem insolventen Zahlungsdienstleister. Das DAX-notierte Unternehmen hatte im Juni Luftbuchungen von 1,9 Milliarden Euro eingeräumt. Zentrale Fragen sind, wann genau die Regierung von Unregelmäßigkeiten wusste und ob sie zu wenig dagegen unternommen hat.

Scholz hatte sich daher zuletzt Ende Juli im Finanzausschuss den Fragen der Opposition stellen müssen. Auf die Frage, wer die politische Verantwortung für das Desaster trägt, habe es dabei nur großes Schweigen gegeben, kritisierte danach etwa die grüne Finanzpolitikerin Lisa Paus. Scholz hatte in seiner Befragung im Finanzausschuss laut Teilnehmern die Schuld vor allem auf Wirtschaftsprüfer geschoben, die Jahresabschlüsse von Wirecard jahrelang nicht beanstandet hätten. Vorwürfe, die Banken- und Finanzmarktaufsicht BaFin habe zu wenig unternommen, wies er zurück.

SPD in Umfragen hinter Grünen

In Umfragen ist die sozialdemokratische Partei derzeit drittstärkste Kraft hinter Union und Grünen. Die Union erreichte in der Sonntagsfrage im ARD-„Deutschlandtrend“ zuletzt 38 Prozent. Die Grünen kamen auf 18 und die SPD auf 15 Prozent. Die AfD verbesserte sich um einen Punkt auf elf Prozent. Die Linke blieb bei sieben Prozent. Die FDP verbesserte sich im Vergleich zu Anfang Juli um einen Punkt auf sechs Prozent.

Mit der Arbeit der Bundesregierung aus Union und SPD sind der Umfrage zufolge aktuell 64 Prozent der Wahlberechtigten sehr zufrieden oder zufrieden, ein Prozentpunkt mehr als Anfang Juli. Ein Drittel der Deutschen (34 Prozent) ist weniger oder gar nicht zufrieden (minus zwei Punkte). Die Zufriedenheit mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ist ebenfalls weiterhin hoch: 71 Prozent sind mit ihrer Arbeit derzeit sehr zufrieden oder zufrieden.