Touristin in Paris
Reuters/Benoit Tessier
Maske im Freien

Pflicht in Paris, Ermessen in Wien

Seit Montag gilt in Paris an belebten öffentlichen Orten eine Maskenpflicht, so wie zuvor schon in Brüssel, Madrid, Amsterdam und anderen Metropolen. In Österreich gibt das Infektionsgeschehen derzeit keinen Anlass dafür, sagt der Tropenmediziner Herwig Kollaritsch. Rigoroser bewertet das der Umweltmediziner Hans-Peter Hutter: „Für viele ist der Mindestabstand offenbar einfach nicht machbar.“

Am Ufer der Seine oder auf dem Montmartre: Alle Menschen, die sich auf stark frequentierten Plätzen der französischen Hauptstadt tummeln, müssen seit Montagfrüh Maske tragen. Insgesamt gilt die Maskenpflicht im Freien in mehr als hundert Straßen in fast allen Bezirken der französischen Hauptstadt sowie an einigen Orten im Umland. Bei Verstößen droht ein Bußgeld von 135 Euro, es gibt eine Gnadenfrist von zwei Wochen.

Der Zeitpunkt, den die Stadt dafür auswählte, ist denkbar ungünstig: Die Temperaturen klettern diese Woche auf bis zu 39 Grad Celsius. Und auch Paris ist abhängig vom Tourismus. Doch die Infektionszahlen stiegen seit Mitte Juli wieder an, besonders betroffen sei die Altersgruppe der 20- bis 30-Jährigen, hieß es.

Erhobener Zeigefinger

Auch in Österreich gibt es ein lokales und temporäres Outdoor-Maskengebot: In Kärntner Tourismusorten wie Velden oder Pörtschach gilt die Pflicht zum Mund-Nasen-Schutz zwischen 21.00 und 2.00 Uhr. Für eine flächendeckende oder generelle Maskenpflicht im Freien sieht Kollaritsch, Mitglied im Beraterstab der Coronavirus-Taskforce des Gesundheitsministeriums, derzeit keine Veranlassung. Doch auch wenn die Infektionszahlen im Freien gering sind – „bei einer instabilen Situation macht das durchaus Sinn“, so Kollaritsch im Gespräch mit ORF.at.

Gerade wenn etwa in Touristenhochburgen kein Mindestabstand gewährleistet werden kann. Eine Maskenpflicht habe auch einen starken psychologischen Effekt. „Es ist das Heben des Zeigefingers, ein Appell: ‚Leute, passt auf. Die Sache kann wieder aus dem Ruder laufen‘“, so Kollaritsch. Österreich befinde sich aber im Moment in einer „sehr komfortablen Situation“. Das Infektionsgeschehen sei überschaubar. Es reichten das Einhalten der Abstandsregeln und Verantwortungsgefühl.

Kollaritsch sieht aber eine demografische Verschiebung in den Infektionen, die den Fokus auf jüngere Menschen legt. Zuerst hätten sich die Infektionen flächendeckend ausgebreitet, auch bei vulnerablen, älteren Menschen. Jetzt stelle sich die Situation anders dar, Cluster entstünden nun eher durch das „verständliche Interesse junger Menschen, sich zu treffen. So gibt es hier Ansteckungen, die wir sehen und die wir nicht sehen, weil Junge auch öfter keine Symptome zeigen. Dieser Unsicherheitsfaktor spielt immer unterschwellig mit“, so Kollaritsch. Die Mehrheit der Infektionen erfolge durch Superspreader, oft junge, asymptomatische Menschen. Deshalb könnten etwa Clubs noch immer nicht aufsperren.

Gebot gilt bei Demos

In Österreich gebe es ja zudem im Prinzip schon eine Verordnung zum Maskentragen draußen, so Hutter von der MedUni Wien: Denn neben der Maskenpflicht beim Einkaufen, in den „Öffis“ und anderen Orten besteht im Freien das Maskengebot auch bei Demonstrationen, wenn der Mindestabstand von einem Meter unterschritten wird. Zudem empfiehlt das Gesundheitsministerium, in diesem Fall überall einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen.

Aerosole und Tröpfchen

Aerosole sind ein Gemisch aus festen oder flüssigen Schwebeteilchen – wie SARS-CoV-2-belasteten Tröpfchen – und Luft. Aerosole bestehen aus Tröpfchenkernen kleiner als fünf Mikrometer und können zur Ansteckung beitragen. Die Übertragung erfolgt aber meist durch Tröpfchen größer als fünf Mikrometer. Zum Vergleich: Der Durchmesser eines Sandkorns misst etwa 90 Mikrometer.

„Solche Maßnahmen macht man ja nicht zum Spaß, das tut sich sonst keine Stadtverwaltung an“, so Hutter gegenüber ORF.at. „Es gilt dort, wo sich Menschen dicht gedrängt ohne Einhaltung des Mindestabstands und längere Zeit ansammeln“ und sei eine Vorsichtsmaßnahme.

Infektion draußen seltener

Die Zahl von Infektionen im Freien ist sehr gering. Die Aerosole verdünnen sich in der Luft draußen sehr schnell. „Hier geht es aber um die Tröpfcheninfektion, die bei Unterschreitung des Mindestabstands möglich ist, auch Outdoor. Ähnlich wie bei der Influenza“, so Hutter.

Daher wäre ein solches generelles Gebot in Hutters Augen auch in Österreich denkbar. „Es gibt halt zwei Möglichkeiten, wenn der Abstand nicht möglich ist: Ansammlungen unterbinden oder eben Masken tragen.“ Das Gebot sei, sich „einfach vernünftig verhalten“. Hände waschen und Abstand halten seien dafür die wichtigsten Zutaten.

„Aber auch hier gibt es nach wie vor Mängel. Den Leuten, die dicht gedrängt am Donaukanal sitzen, scheint es einfach egal zu sein. Für viele ist ein Mindestabstand offenbar einfach nicht machbar. Aber kennen Sie eine Maßnahme, die einfacher wäre als Abstand zu halten? Das ist zumutbar, wie auch eine Maske zumutbar ist. Wir wollen doch eine Situation wie im Frühjahr nicht noch einmal erleben“, so Hutter.