Libanons Flagge
APA/AFP/joseph Eid
Nach Explosion

Regierung im Libanon tritt zurück

Die libanesische Regierung tritt nach der Explosionskatastrophe in Beirut vergangene Woche zurück. Das teilte Ministerpräsident Hassan Diab am Montag mit. Er erklärte ferner, man stehe geeint mit dem Volk im Ruf nach Gerechtigkeit für „dieses Verbrechen“.

Nach der verheerenden Explosion am vergangenen Dienstag mit mindestens 160 Toten und mehr als 6.000 Verletzten waren die Forderungen nach einem Rücktritt der Regierung lauter geworden. Mehrere Ministerinnen und Minister hatten bereits ihre Hüte genommen. „Heute folgen wir dem Willen des Volkes“, sagte Ministerpräsident Hassan Diab am Montag in einer live im Fernsehen übertragenen Ansprache. Das Volk verlange, dass die Verantwortlichen für die Katastrophe zur Rechenschaft gezogen werden, und habe den „Wunsch nach echtem Wandel“.

Diab machte die weit verbreitete Korruption für die Detonation mitverantwortlich. Die Korruption sei größer als der Libanon, sagte er. Einigen gehe es nur darum, politische Punkte zu erzielen. Zuvor hatten mit Justizministerin Marie-Claude Nadschm und Finanzminister Ghasi Wasni zwei weitere Mitglieder seiner Regierung ihre Ämter niedergelegt. Am Wochenende hatten bereits erste Regierungsmitglieder ihre Ämter niedergelegt. Damit blieb dem Ministerpräsidenten praktisch keine andere Wahl mehr.

Ermittlungen laufen

Viele Libanesinnen und Libanesen machen die Regierung für die Toten und Verletzten durch die Explosion verantwortlich. Die Armee zog am Montag fünf weitere Leichen aus den Trümmern. Die Detonation soll durch große Mengen der hochexplosiven Chemikalie Ammoniumnitrat ausgelöst worden sein, die dort über Jahre ohne Sicherheitsvorkehrungen lagerten. Die Ermittlungen zur genauen Ursache der Katastrophe laufen jedoch noch.

Libanesische Regierung tritt zurück

Ministerpräsident Hassan Diab blieb keine Wahl: Zu viele Regierungsmitlieder hatten bereits das Handtuch geworfen. Am Montag trat die gesamte Regierung schließlich zurück.

Am Wochenende schlug eine Trauer- und Protestkundgebung im Zentrum Beiruts in Gewalt und Chaos um. Aufgebrachte Demonstrierende wollten Absperrungen zum Parlament durchbrechen, Sicherheitskräfte setzen Tränengas ein. Stundenlang kam es zu Zusammenstößen. Ein Polizist wurde nach offiziellen Angaben getötet, mehr als 200 Menschen erlitten bei den Demonstrationen Verletzungen.

Auch am Montagabend kam es zu Zusammenstößen zwischen Polizisten und Demonstranten in der Hauptstadt. Dabei flogen Steine auf Beamte, die den Zugang zum Parlamentsgebäude absicherten. Die Polizei setzte Tränengas ein.

Libanons ehemalige Regierung
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Nachdem bereits einzelne Minister zurückgetreten waren, gab nun die gesamte Regierung auf

Zuerst Neuwahlen angestrebt

In dem Land am Mittelmeer hatte Diab erst im Jänner, nach einer monatelangen Hängepartie, das Amt des Regierungschefs übernommen. Er folgte auf Saad Hariri, der nach Massenprotesten Ende Oktober zurückgetreten war. Seine Regierung wurde unter anderem von der Iran-treuen Hisbollah unterstützt, die im Libanon extrem mächtig ist. Wegen einer schweren Wirtschaftskrise und der Coronavirus-Pandemie sind in seiner Amtszeit große Teile der libanesischen Bevölkerung in die Armut abgerutscht.

Krater nach Explosion im Libanon
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Der Explosionskrater im Hafen von Beirut gleicht einem Kriegsschauplatz

Der Premierminister hatte am Wochenende zunächst angekündigt, dem Kabinett an diesem Montag eine vorgezogene Neuwahl vorzuschlagen. Damit wollte er die Lage beruhigen. Die nächste Abstimmung über das Parlament stünde im Libanon eigentlich erst 2022 an. Damit konnte er sich letztlich aber nicht mehr durchsetzen.

Politische Reformen gefordert

Die führenden politischen Blöcke im Parlament müssen sich jetzt auf eine Nachfolge einigen. Es ist unklar, wie lange das dauern wird. Eine zentrale Rolle spielt die schiitische Hisbollah, die zu den einflussreichsten politischen Kräften des Landes gehört. Gegen die Hisbollah kann kaum eine Regierung gebildet werden. Die Demonstrierenden verlangen indes weitgehende politische Reformen.

Entsprechende Forderungen sind auch aus dem Ausland zu hören. So will der Internationale Währungsfonds (IWF) dem Libanon mit einem Rettungspaket helfen, verlangt dafür aber eine politische Einigung auf umfassende Reformen. UNO-Generalsekretär Antonio Guterres mahnte ebenfalls politische Veränderungen ein. Zugleich sagte er langfristige Unterstützung zu. „Das System der Vereinten Nationen wird dem Libanon in dieser Notlage weiterhin auf jede mögliche Art und Weise helfen.“