Mutter und Kinder beim Homeschooling
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Coronavirus

Kosten der Schulschließung

Am Montag will ÖVP-Bildungsminister Heinz Faßmann den Coronavirus-Fahrplan für den Schulstart im Herbst vorstellen. Erwartet werden konkrete Maßnahmen, wenn in einer Schule positive Fälle festgestellt werden. Flächendeckende Schulschließungen will man jedenfalls vermeiden. Laut einer Studie hat schon die letzte Milliarden gekostet.

Faßmann hatte in den vergangenen Tagen wiederholt angekündigt, dass das Ministerium an mehreren Varianten arbeite, die so lange wie möglich einen normalen Schulbetrieb ermöglichen. Dabei soll das vom Gesundheitsministerium angekündigte Ampelsystem genutzt werden, das Mitte August in den Probe- und mit September in den Regelbetrieb gehen soll. Selbst im Falle einer roten Ampelfarbe sollten „nur“ einzelne Klassen oder Schulen geschlossen werden. Dann gilt ein Notbetrieb mit Homeschooling. Auf dieses Szenario müssen sich auch berufstätige Eltern von betreuungspflichtigen Kindern einstellen.

Laut einer Berechnung der Agenda Austria gingen wegen der Schul- und Kindergartenschließungen von Mitte März bis Mitte Mai insgesamt 121 Millionen produktive Arbeitsstunden verloren. Das seien fast zwölf Prozent aller Arbeitsstunden, die in diesem Zeitraum normalerweise angefallen wären. Die verlorenen Stunden würden einem Verlust in der heimischen Wertschöpfung von 7,2 Mrd. Euro oder einem BIP von 1,8 Prozent entsprechen. Sollte es im weiteren Jahresverlauf noch einmal zu Schulschließungen kommen, würden pro Woche rund 15 Millionen Arbeitsstunden oder 900 Mio. Euro an Wertschöpfung verloren gehen.

Langfristige Folgen für spätere Laufbahn

Von den Schließungen seien rund 600.000 Erwerbstätige (pro Familie musste oft nur einer der Elternteile seine Arbeitszeit reduzieren oder einstellen) und 1,3 Millionen Kinder unter 15 Jahren betroffen gewesen. Alle Familien hat es gefordert, viele sogar überfordert, wie mehrere Psychologen und Psychologinnen zuletzt berichteten. Frauen waren von der Doppelbelastung Homeoffice und Kinderbetreuung samt Homeschooling besonders betroffen. Langfristige Folgen können sich insbesondere für Kinder aus bildungsferneren Familien ergeben, sagte Agenda-Austria-Ökonom Hanno Lorenz, einer der Autoren der Studie.

Durch die Coronavirus-Krise könnte der Lernfortschritt rund eines Semesters verloren gegangen sein. „Das Virus hat den Faktor Glück in Österreichs Bildungslotterie weiter erhöht“, heißt es etwa in dem Papier der Agenda Austria. Denn Homeschooling bzw. der Unterricht über Laptops und Tablets hänge auch von der jeweiligen Schule bzw. den jeweiligen Lehrerinnen und Lehrer ab. Der Bildungsverlust wirke sich auch auf das spätere Berufsleben aus.

Schätzungen zufolge, so die Ökonomen, führt der Verlust eines Schuljahres in der späteren Erwerbskarriere des Schülers bzw. der Schülerin zu Einbußen im Jahreseinkommen von mehr als 1.500 Euro brutto. Zu ähnlichen Ergebnissen würden auch andere Studien kommen. Hochgerechnet auf die gesamte Volkswirtschaft würde das bedeuten: Eine Schulschließung führt zu einem Einkommensverlust von mehr als zwei Milliarden Euro pro Jahr.

„Notfallbetrieb garantieren“

Die Autoren nehmen daher auch die Politik in die Pflicht. Zwar könne man hoffen, dass es im Herbst nicht noch einmal zu Schulschließungen kommt, so Lorenz. „Es ist allerdings auch die Aufgabe der Regierung, für ein negatives Szenario gewappnet zu sein. Der Sommer hätte intensiv genutzt werden müssen, um zumindest einen Notfallbetrieb zu garantieren.“ Um den Unterricht auch im Ernstfall gewährleisten zu können, brauche es die entsprechende technische Ausstattung für die Schüler und Lehrer, technisches Know-how für die Lehrer und eine Einigung auf eine einheitliche Software.

Anfang August wurde bekannt, dass Bundesschulen während der Coronavirus-Krise 7.221 Laptops und Tablets erhalten haben, um Jugendliche ohne entsprechende Geräte gratis ausstatten zu können. Der Bund wollte mit der Aktion das Homeschooling unterstützen. Die Geräte wurden ab Ende April zugestellt und waren damit erst nach der Intensivphase des Lockdowns verfügbar. Sie mussten von den Schülern und Schülerinnen mit Ende des Schuljahres zurückgegeben werden und werden an den entsprechenden Standorten gewartet und danach „ihrem sozialen Zweck entsprechend“ wieder an Schüler vergeben.

Unabhängig von den Bundesschulen wurden auch an den Pflichtschulen Laptops und Tablets ausgegeben. Diese Aktion lief allerdings über die jeweiligen Länder. Aktionen dieser Art sollten künftig nicht mehr nötig sein. Denn gemäß Regierungsplänen wird im Schuljahr 2021/2022 mit einer Gratis-Laptop-Aktion begonnen. Erhalten werden die mobilen Endgeräte jeweils die Schüler der fünften Schulstufe, im ersten Jahr auch die der sechsten.

Maskenpflicht und Singverbot

Vor der Pressekonferenz am Montag hatte das Ministerium je nach Ampelphase weitere mögliche Maßnahmen ventiliert, um eine Ausbreitung des Virus zu stoppen bzw. zu verlangsamen. So wären auch Masken an den Ein- und Ausgängen sowie in den Gängen, Turnen im Freien oder kein Singen im Musikunterricht mögliche Varianten. Eine Möglichkeit wäre auch eine Ausweitung der Tests mit der Gurgelwasser-Methode. Proben mehrerer Schüler würden dann zu sogenannten Pools zusammengefasst. Die einzelnen Proben werden nur dann durchanalysiert, wenn der zusammengefasste Test positiv ausfällt. Damit könnte auch eine Beschleunigung erreicht werden.

Welche Maßnahmen das Ampelsystem im Herbst überhaupt mit sich bringen wird, ist noch unklar. Leitlinien werden ausgearbeitet, hieß es aus dem Gesundheitsministerium. Der Geduldsfaden der Opposition ist schon gerissen. „Wir wissen mittlerweile, dass für die Corona-Ampel außer den Farben noch nichts feststeht“, sagte Philip Kucher (SPÖ). „Viel wichtiger wäre zu wissen, welche Ampelfärbung welche Maßnahmen nach sich ziehen könnte“, so Dagmar Belakowitsch (FPÖ). „Egal ob in den Schulen, in den Betrieben, im Tourismus, überall – die Bevölkerung muss einfach wissen, welche konkreten Maßnahmen welche Ampelfarbe mit sich bringt“, hielt Gerald Loacker (NEOS) fest.

Am 7. September beginnt der Schulbetrieb im Burgenland, in Niederösterreich und in Wien, eine Woche später starten Schüler und Schülerinnen in den anderen Bundesländern. Im vergangenen Jahr begannen insgesamt 1.071.000 Kinder und Jugendliche das neue Schuljahr, 85.000 davon waren Schulanfänger und -anfängerinnen. Zumindest der Start im Herbst dieses Jahres sollte, so das Bildungsministerium, ähnlich „normal“ verlaufen.