Burna Boy
Nicolas Gerardin
Burna Boy

Afrozentrismus als Hitgarantie

Der nigerianische Superstar Burna Boy hat am Freitag sein mit Spannung erwartetes Album „Twice As Tall“ veröffentlicht. Darin verbindet er seinen Genremix „Afrofusion“ mit politischen Botschaften und positioniert sich auf dem US-Hip-Hop Markt. Spitzenpositionen in den Charts sind diesem Album gewiss.

Der 1991 geborene Damini Ebunoluwa Ogulu, besser bekannt unter seinem Künstlernamen Burna Boy, ist für eine weltweite Fangemeinde der schwarze Musiker der Stunde. In seinem fünften Album „Twice As Tall“ kultiviert der nigerianische Künstler jenen Stilmix, der ihm spätestens seit 2019 hohe Platzierungen in US-amerikanischen und britischen Charts und etliche Preise eingebracht hat.

Der eklektische Stil, den Burna Boy selbst als „Afrofusion“ bezeichnet, nimmt den von Fela Kuti in den 1970er Jahren kreierten „Afrobeat“ zur Grundlage und reichert ihn mit Elementen aus Reggae, Trap, Grime, R&B und Pop an. „Afrofusion“ ist aber nur ein Teil seines Erfolgsgeheimnisses. Burna Boy steht für eine starke, selbstbewusste afrikanische Identität, die Stereotype von Ursprünglichkeit, Kraft und Authentizität positiv zu besetzen weiß.

Afrozentrist als Brückenbauer

Häufig stellt er dabei einen sympathischen Afrozentrismus zur Schau. In der äußerst populären US-TV-Show „The Daily Show“ sagte Burna Boy 2019: „Musik wurde in Afrika erfunden, und jetzt will sie nach Hause. So wie alle anderen auch. Wenn es schwierig wird, will man nach Hause.“ In „Wonderful“, der ersten Vorabsingle zu „Twice As Tall“, findet sich diese Sicht in Rhythmen und Bilder gegossen.

Bereits im Vorspann erscheint der Schriftzug „Irgendwo im Land der Krieger, Könige und Königinnen“. Dass damit ein ursprüngliches und naturverbundenes Afrika gemeint ist, in dem Stammeskulturen lebensfroh und wehrhaft sind, zeigt das Video überdeutlich. Dass Burna Boy in dieser Welt Kraft seines Gesangs zum König berufen ist, folgt derselben Übersteigerungslogik, die man vom Hip-Hop seit Jahrzehnten kennt.

Burna Boy sieht seine Musik jedenfalls als spirituelle Angelegenheit und seinen Erfolg als politische Verpflichtung. Kürzlich sagte er in einem Interview mit der „New York Times“, mit seiner Musik versuche er „eine Brücke zu bauen, die alle schwarzen Menschen der Welt zusammenführt, um ihnen verständlich zu machen, dass man ohne ein Zuhause seine eigene Kraft nicht ausschöpfen kann“.

Ins Herz des US-Hip-Hop-Marktes

Mit „Twice As Tall“ positioniert sich Burna Boy auf dem Markt des US-Hip-Hop. In Großbritannien wurde er schon früher wahrgenommen, in den USA gelang ihm 2019 der Durchbruch, als er für sein Album „African Giant“ den BET-(Black Entertainment Television)-Preis als bester internationaler Künstler bekam – eine Auszeichnung, die in der „Black Music“ einen außergewöhnlichen Stellenwert einnimmt. Dieses Jahr wurde er für die Grammys nominiert und gewann Ende Juni erneut den BET-Preis als bester internationaler Künstler.

Für das neue Album holte sich Burna Boy P. Diddy als Teil des Produzententeams an Bord. Diddy, der in den 1990er Jahren das Plattenlabel Bad Boy Entertainment aufbaute und Größen wie The Notourious B.I.G. unter Vertrag nahm, hat die Entwicklung des US-Hip-Hop wesentlich mitgeprägt. Für den Song „Naughty By Nature“ hat Burna Boy sich sogar das gleichnamige Duo als Gastrapper eingeladen.

Burna Boy
WMG
Mit seiner Pose, dem edelsteinbesetzten Zahnschmuck und seinem neuen Album „Twice As Tall“ ist Burna Boy endgültig für die US-Charts bereit.

Auch das kann man als Geste verstehen, mit der sich Burna Boy am US-Hip-Hop-Markt positioniert, schließlich veröffentlichten Naughty By Nature 1993 „Hip Hop Hooray“, einen der bekanntesten Songs der Rap-Geschichte. Dass Burna Boy sich sicher ist, den US-Rap zu bereichern, daraus machte er in einem Interview im „Guardian“ kein Geheimnis: „Die Brüder in den USA wurden leider ihres gesamten Wissens über sich selbst beraubt.“

Afrikanisches Selbstbewusstsein und Black Lives Matter

Die Besinnung auf die afrikanische Herkunft und Geschichte vor der brutalen Unterdrückung und Versklavung gehört zum politischen Grundinventar des US-Hip-Hop. Dass Burna Boy diese Herkunft besonders überzeugend verkörpert, merkt man schon daran, wie sehr die Fangemeinde von Burna Boy in Folge der Ermordung George Floyds im vergangenen Mai und der weltweiten Protestwelle der „Black Lives Matter“-Bewegung noch einmal angewachsen ist.

„Monsters You Made“, einer der stärksten Songs auf „Twice As Tall“, richtet sich an diese Fans. Darin beschreiben Burna Boy und sein Gastsänger Chris Martin, der Leadsänger von Coldplay, energetisch und eindringlich, wie die aufkochende Wut der US-Proteste im Mai und Juni durch systemischen Rassismus provoziert wurde.

In diese Kerbe schlug Burna Boy auch bei der Preisverleihung zu den diesjährigen BET Awards. „Um 1835 gab es den Versuch, Afrika in eine unterdrückte Nation zu verwandeln“, sagte er in seiner Dankesrede. „Jetzt ist die Zeit, das zu überwinden. Damit schwarze Leben zählen, muss Afrika zählen.“

„Afrofusion“ als Erfolgsrezept

An seinem Erfolgsrezept „Afrofusion“ hält Burna Boy aber auch auf „Twice As Tall“ fest. Fela Kutis Einfluss, dessen Manager Burna Boys Großvater für einige Zeit war und dessen Gesicht der Künstler als Tattoo trägt, ist weiterhin spürbar. Zwar nicht mehr so direkt wie in Burna Boys Hit „Ye“, in dem er Kutis Widerstandshymne „Sorrow Tears And Blood“ direkt zitierte, aber in den Rhythmen und seinem Sound, der weiterhin von Kutis Afrobeat inspiriert ist.

Auch das charmante Sprachengewirr – Burna Boy singt neben Englisch in der südafrikanischen Sprache Zulu, der nigerianischen Sprache Yoruba und in nigerianischem Pidgin – ist auf „Twice As Tall“ weiter zu hören. Ebenso wie Songs, die in bester Hip-Hop-Tradition ein übersteigertes Selbstbewusstsein zur Schau stellen, „Way Too Big“, und fröhlichen Lovesongs wie „Onyeka (Baby)“. Es wäre ein Wunder, wenn dieser Mix Burna Buys Erfolg nicht noch weiter steigern würde.