Israelische Flagge
APA/AFP/Jaafar Ashtiyeh
„Historisch“

Israel und Emirate nehmen Beziehungen auf

Israel unterhält bisher keine diplomatischen Beziehungen zu den Golfstaaten. Das soll sich nun ändern. In einem „historischen Schritt“ haben sich Israel und die Vereinigten Arabischen Emirate überraschend auf eine „vollständige Normalisierung ihrer Beziehungen“ verständigt. Im Gegenzug schiebt Israel Annexionspläne im besetzten Westjordanland auf.

Die Vereinbarung sei in einem Telefonat zwischen US-Präsident Donald Trump, Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und dem Kronprinzen der Emirate, Mohammed bin Said al-Nahjan, zustande gekommen, hieß es aus dem Weißen Haus. Trump sprach von einem „riesigen Durchbruch“ und „einer historischen Friedensvereinbarung“.

Netanjahu würdigte einen „historischen Tag“ und sprach von einer „neuen Ära in den Beziehungen zwischen Israel und der arabischen Welt“. Man werde mit den Emiraten volle Beziehungen aufnehmen und Botschaften einrichten. Die Wirtschaftsbeziehungen sollten ausgeweitet werden, es werde Tourismus und Direktflüge zwischen Tel Aviv und Abu Dhabi geben. Die Emirate wollen nach seinen Worten auch in die Entwicklung eines israelischen Impfstoffes gegen das Coronavirus investieren.

Beide Länder seien sehr innovativ und technologisch sehr weit fortgeschritten. „Beide haben die Wüste in ein blühendes Land verwandelt“, sagte Netanjahu. Bin Said al-Nahjan sprach von einem „Gewinn“ für die Diplomatie und den gesamten Nahen Osten. Mit der Einigung sei erzielt worden, die weitere israelische Annexion palästinensischer Gebiete zu stoppen. Die Emirate und Israel hätten eine Kooperation und einen Fahrplan für bilateralen Beziehungen vereinbart.

Donald Trump, David Friedman, Avraham Berkowitz, Brian Hook, Jared Kushner und Steven Mnuchin
AP/Andrew Harnik
US-Präsident Trump feiert Vereinbarung unter Vermittlung der USA

Trump: „Es fühlte sich an wie Verliebtsein“

Trump nannte die Aufnahme diplomatischer Beziehungen einen wichtigen Schritt auf dem Weg zu mehr Sicherheit, Wohlstand und Frieden im Nahen Osten. „Jetzt, wo das Eis gebrochen ist“, hoffe er, dass weitere arabische und mehrheitlich muslimische Staaten bald dem Beispiel der Emirate folgen würden, sagte Trump im Weißen Haus.

Das Abkommen solle in den kommenden Wochen im Weißen Haus unterzeichnet werden, so Trump. Er danke den Ländern für ihren „Mut und ihre Führungskraft“ bei den Verhandlungen. Diese hätten zuletzt in guter Atmosphäre stattgefunden. „Es fühlte sich an wie Verliebtsein“, sagte Trump.

Israel und Emirate treten in diplomatische Beziehung

In einem historischen Schritt haben sich Israel und die Vereinigten Arabischen Emirate überraschend auf eine „vollständige Normalisierung ihrer Beziehungen“ verständigt.

Die Vereinbarung sei ein „enormer“ Schritt auf dem „richtigen Weg“, sagte US-Außenminister Mike Pompeo und fügte hinzu, dass das eine historische Chance für den Nahen Osten sei, stabil und friedlich zu sein. „Frieden ist der richtige Weg nach vorn.“ Verteidigungsminister Benny Ganz schrieb bei Twitter, es handele sich um ein „wichtiges und bedeutendes Abkommen“. Er schrieb weiter: „Ich rufe weitere arabische Staaten dazu auf, die Beziehungen mit Israel mit weiteren Friedensverträgen voranzutreiben.“

Netanjahu: Annexionspläne nicht vom Tisch

Die Annexionspläne im besetzten Westjordanland sind laut Netanjahu trotz des historischen Abkommens nicht vom Tisch. „Es gibt keinerlei Änderung meines Plans, die israelische Souveränität auszuweiten, in Abstimmung mit den USA“, sagte Netanjahu. Trump habe aber darum gebeten, dass Israel die Pläne aufschiebe. Eine Annexion ohne US-Unterstützung würde dem Siedlungsprojekt sehr schaden, sagte er.

Israels Regierung hätte nach einer Koalitionsvereinbarung seit Juli mit ersten Annexionsschritten beginnen können, bisher ist das aber nicht geschehen. Als Grundlage für eine Annexion nimmt die Regierung einen vor Monaten vorgestellten „Friedensplan“ Trumps.

Dieser sieht vor, dass Israel sich rund 30 Prozent des 1967 im Sechstagekrieg eroberten Westjordanlands einverleiben kann. Die restlichen 70 Prozent sollen Teil eines Palästinenserstaates werden, allerdings unter strengen Auflagen. Die Palästinenser lehnen den Plan ab. Auch international ist der Plan höchst umstritten.

Israel: Weitere ähnliche Verträge möglich

Nach Worten des israelischen Außenministers Gabi Aschkenasi soll die Normalisierung der Beziehungen Israels mit den Emiraten weitere ähnliche Verträge ermöglichen. Er schrieb bei Twitter, es handle sich bei der Vereinbarung mit dem Golfstaat um eine „wichtige Botschaft“. Er lobte auch, dass Israel von einseitigen Annexionsplänen zunächst absehen werde. Netanjahu sagte, es werde „weitere arabische und muslimische Staaten geben, die sich dem Friedenskreis mit uns anschließen“. Gemeinsam wolle man gegen die extremistischen Kräfte kämpfen.

Jahrelanger Annäherungsprozess

Israel unterhält bisher keine diplomatischen Beziehungen zu den Golfstaaten. Das Land hat aber Friedensverträge mit Ägypten und Jordanien unterzeichnet, von einer Normalisierung der Beziehungen sind diese Länder noch weit entfernt.

Zwischen Israel und den Emiraten haben sich die Beziehungen schon seit Jahren verbessert. 2015 hatte Israel angekündigt, erstmals eine offizielle Vertretung in den Emiraten zu eröffnen. Statt einer Botschaft oder einem Konsulat wurde diese Vertretung aber bei der Internationalen Organisation für erneuerbare Energien (IRENA) mit Sitz in der emiratischen Hauptstadt Abu Dhabi akkreditiert.

Ägyptens Präsident Abdel Fattah al-Sisi begrüßte die Annäherung zwischen Israel und den Emiraten. Er schätze die Bemühungen der Beteiligten, die für Frieden sorgen und „Wohlstand und Stabilität“ in die Region bringen wollten. Auch UNO-Generalsekretär Antonio Guterres zeigte sich erfreut. Er hoffe, dass die Übereinkunft eine „Gelegenheit für die Regierungen Israels und der Palästinenser“ schaffe, zu „bedeutsamen Verhandlungen“ über eine Zweistaatenlösung zurückzukehren, erklärte ein UNO-Sprecher.

Siedler kritisieren Aus von Annexionsplänen

In israelischen Siedlerkreisen stößt die Aussetzung der israelischen Annexionspläne im Westjordanland indes auf scharfe Kritik. Die Souveränitätsbewegung teilte am Donnerstag mit: „Der Regierungschef driftet nach links ab, vielleicht wegen seiner juristischen Probleme.“ Die Organisation warf Netanjahu vor, er habe die israelische „Souveränität in Judäa und Samaria“ (Westjordanland) in ein Druckmittel bei Verhandlungen verwandelt. Er könne nun nicht mehr als Anführer der Rechten in Israel angesehen werden und müsse ausgewechselt werden.

Netanjahus Likud-Partei sagte, Netanjahu sei „der Souveräntität und dem Land Israel weiter verpflichtet“. Es gebe viele „Fake News“ im Zusammenhang mit der Vereinbarung. Erstmals in Israels Geschichte habe Netanjahu „Frieden im Gegenzug für Frieden“ gebracht.

Palästinenserführung verurteilt Abkommen

Die Palästinenserführung kritisierte das Abkommen. Nach einer Dringlichkeitssitzung am Donnerstagabend in Ramallah teilte das Büro des Präsidenten Mahmud Abbas mit, man lehne die „plötzliche Mitteilung“ beider Länder ab und verurteilte die „Aggression“. Es sei ein Schlag für die saudische Friedensinitiative und die Erklärungen der Arabischen Liga sowie ein aggressives Vorgehen gegen das palästinensische Volk. Durch ihre Einigung mit Israel hätten die Emirate einen „Verrat an Jerusalem und an der palästinensischen Sache“ begangen, sagte Abbas und forderte ein Dringlichkeitstreffen der Arabischen Liga.

Auch von der radikalislamischen Terrororganisation Hamas, die den unter israelischer Blockade stehenden Gazastreifen regiert, kam scharfe Kritik. Indem sie diplomatische Beziehungen zu Israel aufnähmen, belohnten die Emirate die „israelische Besatzungspolitik und israelische Verbrechen“, sagte Hamas-Sprecher Hasem Kasem. Die Vereinbarung diene nicht „der palästinensischen Sache“.

Aus „Trump-Abkommen“ wird „Abraham-Abkommen“

Für Trump kommt das Abkommen zu einem günstigen Zeitpunkt: Der Republikaner bewirbt sich in gut zwei Monaten um eine Wiederwahl als US-Präsident, und die Sicherheit Israels ist bei US-Wahlen immer ein wichtiges Thema. Jüngsten Umfragen zufolge liegt Trump deutlich hinter Joe Biden, dem designierten demokratischen Präsidentschaftskandidaten.

ORF-Korrespondent Cupal über „historischen Schritt“

ORF-Korrespondent Tim Cupal spricht über die Aufnahme der diplomatischen Beziehung zwischen Israel und den Vereinigten Arabischen Emiraten.

Trumps bisherige außenpolitische Initiativen – von der nuklearen Entwaffnung Nordkoreas, seinem harten Kurs gegenüber dem Iran bis hin zu einem erhofften Regimewechsel in Venezuela – haben eher wenig Erfolg gehabt. Umso mehr dürfte er sich mit Hilfe des Abkommens nun als großer Staatsmann darstellen.

Trump sagte am Donnerstag im Weißen Haus im Scherz, er habe vorgeschlagen, den Deal das „Donald-J.-Trump-Abkommen“ zu nennen. Das sei aber nicht so gut angekommen, weswegen man es nun als Zeichen der Verbundenheit der Weltreligionen das „Abraham-Abkommen“ nenne. Nach Ansicht seines Sicherheitsberaters sollte Trump dafür den Friedensnobelpreis bekommen. „Ich denke, der Präsident wird in die Geschichte als ein großer Friedensstifter eingehen“, sagte Robert O’Brien.