Ein österreichischer Polizist bei einer Kontrolle
Reuters/Andreas Gebert
Coronavirus

Kurz fordert strengere Grenzkontrollen

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) fordert strengere Kontrollen von Rückkehrerinnen und Rückkehrern an den Grenzen. „Es ist dringend notwendig, dass die Gesundheitsbehörden sicherstellen, dass hier flächendeckender kontrolliert wird als bisher“, so Kurz am Samstag. Unterdessen wurden am Freitag Zehntausende Urlauberinnen und Urlauber zur Rückreise aus Kroatien aufgerufen.

Kurz hält es im Interview mit der Tageszeitung „Österreich“ auch für sinnvoll, dass Coronavirus-Tests für Rückkehrer direkt an der Grenze durchgeführt werden. An den Gesundheitsbehörden übt der Bundeskanzler Kritik: „Die Gesundheitsbehörden müssen besser werden in ihrer Arbeit. Das betrifft das Durchführen von Testungen. Es dauert noch immer zu lange, bis die Betroffenen die Ergebnisse bekommen. Aber auch die Quarantänemaßnahmen müssen schneller umgesetzt werden“, sagte Kurz.

Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) forderte unterdessen mehr Gesundheitspersonal an den Grenzen, um effizientere Kontrollen von heim- bzw. durchreisenden Urlaubern durchführen zu können. „Die Polizei kontrolliert derzeit deutlich mehr als die Gesundheitsbehörden“, so Nehammer am Samstag. Seit Anfang August habe man mehr als 800.000 polizeiliche Kontrollen an den Grenzen und im grenznahen Hinterland vorgenommen, so der Minister in einer Presseaussendung. Davon wurden etwa 650.000 gemeinsam mit den Gesundheitsbehörden abgewickelt.

„Etwa 150.000 Kontrollen mussten aber ohne Beteiligung der Gesundheitsbehörden vorgenommen werden“, sagte Nehammer. Die Zahl der für die Grenzkontrollen eingesetzten Polizisten könne ab Montag erforderlichenfalls nochmals verstärkt werden, „um den Gesundheitsbehörden die Möglichkeit für die Entfaltung ihrer Maßnahmen zu geben“, sagte Nehammer. 300 Polizeischüler im zweiten Ausbildungsjahr stünden dafür zusätzlich zur Verfügung. Zudem kündigte er den Einsatz von Drohnen zur Grenzüberwachung an. Ende August startet der Testbetrieb.

FPÖ verteidigt Gesundheitsbehörden

Die FPÖ verteidigte die Gesundheitsbehörden gegen Kurz’ Kritik. Wenn der Kanzler hier Verbesserungsbedarf orte, dann kritisiere er de facto seine eigene Arbeit, sagte FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz am Samstag in einer Aussendung. Die Gesundheitsbehörden würden streng nach Vorschrift arbeiten.

Wenn Kurz strengere Grenzkontrollen fordere, dann brauche es dafür entsprechende Verordnungen aus Wien, betonte Schnedlitz. Es sei seit Monaten bekannt, dass viele jener vermeintlich negativen Coronavirus-Tests, die von Rückkehrern aus Ländern des Westbalkans bei der Einreise nach Österreich präsentiert werden, gefälscht seien. Anstelle in Interviews die Gesundheitsbehörden unter Druck zu setzen, solle die schwarz-grüne Bundesregierung den Behörden die entsprechenden juristischen Vorgaben in die Hand geben, damit diese ihre Arbeit noch effizienter erledigen könnten, forderte der FPÖ-Generalsekretär.

Über 300 Neuinfektionen binnen 24 Stunden

Ebenso wie Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) bereitet der aktuelle Anstieg der Neuinfektionen auch dem Bundeskanzler Sorgen: „Es war absehbar, dass durch die Reisebewegungen in der Ferienzeit die Zahl der Neuinfektionen steigt. Aber ja, ich mache mir Sorgen: Die aktuellen Zahlen sind besorgniserregend.“

Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP)
AP/Ronald Zak
Kurz äußerte sich besorgt über den Anstieg der Neuinfektionen in Österreich

Laut den offiziellen Zahlen des Gesundheitsministeriums stieg die Zahl der Neuinfektionen mit dem Coronavirus zuletzt merklich. Zwischen Donnerstag, 23.00 Uhr, und Freitag, 23.00 Uhr, wurden 312 neue Fälle über das Epidemiologische Meldesystem (EMS) bestätigt, wie aus dem amtlichen Dashboard des Gesundheitsministeriums hervorgeht. ORF.at verwendet immer die EMS-Zahlen als Basis seiner Berichterstattung – mehr dazu in ORF.at/corona .

Zehntausende in Kroatien vermutet

Dem Außenministerium zufolge befinden sich aktuell rund 3.000 reiseregistrierte Österreicherinnen und Österreicher in Kroatien. Dabei handelt es sich aber wohl nur um einen Bruchteil der Landsleute, die derzeit dort urlauben. In aller Regel reisen Österreicherinnen und Österreicher mit dem eigenen Pkw an die kroatischen Strände, an eine Reiseregistrierung wird da nur in den seltensten Fällen gedacht. „Wir gehen davon aus, dass sich ein Zigfaches der offiziell Registrierten in Kroatien befindet“, hieß es.

Schaltung zum Karawankentunnel in Kärnten

Auch durch Kärnten verläuft ein Teil der Grenze zu Slowenien – etwa beim Karawankentunnel. Von dort berichtet ORF-Reporter Bernd Radler.

Wer kann, wird nun versuchen, vor Montag aus Kroatien zurückzukehren. Das erwartete auch der ÖAMTC. Samstagfrüh staute es sich auf den Straßen allerdings eher Richtung Süden. Wie der ÖAMTC berichtete, kam es vor dem Karawankentunnel und vor Spielfeld zu erheblichen Verkehrsbehinderungen. In Spielfeld dauerte die Ausreise um die zwei, vor dem Karawankentunnel über drei Stunden – mehr dazu in kaernten.ORF.at .

Erwartete Rückreisewelle noch nicht eingetreten

Verwirrung gab es laut ÖAMTC vor dem Grenzübergang auf der ehemaligen Bundesstraße B67 bei Spielfeld. „Offenbar wurde dort von den slowenischen Behörden verstärkt kontrolliert. Da nur Menschen aus Slowenien und Österreich über die Grenze dürfen, wurden viele Autofahrer wieder zurückgeschickt. Es gab Staus in beide Richtungen. Derzeit ist die Grenze überhaupt für alle gesperrt“, gab der Verkehrsclub bekannt.

Schaltung zur Grenze nach Slowenien

Der Weg von und nach Kroatien führt in den meisten Fällen über Slowenien. ORF-Reporter Michael Pendl berichtet über die Stituation in Spielfeld in der Steriermark.

Die erwartete Rückreisewelle trat vorerst noch nicht ein. Vor Nickelsdorf gab es nur kurzen Stau, vor dem Karawankentunnel lag die Wartezeit bei der Einreise am Samstagvormittag unter zehn Minuten. Der Autofahrerclub empfahl, möglichst azyklisch in der Nacht zu fahren, damit man spätestens zeitig in der Früh an der Grenze ist. Wer sie kennt, sollte außerdem Schleichwege nutzen.

Stau an der Grenze Zwischen Österreich und Kroatien
APA/AFP//Denis Lovrovic
Erste Kolonnen Richtung zurück bildeten sich bereits, sie blieben allerdings noch unter den Erwartungen

Negativer PCR-Test oder Quarantäne

Die vielen heimischen Urlauberinnen und Urlauber in Kroatien sind einer der Gründe, warum die Reisewarnung nicht mit sofortiger Wirkung in Kraft tritt. Die zwei Tage Vorlaufzeit sollen ihnen die Möglichkeit bieten, ihre Koffer zu packen und heimzureisen. Zugleich gewinnt das Gesundheitsministerium aber auch Zeit, um die Rechtsnormen zur Regelung des Reiseverkehrs zu adaptieren.

Reisewarnung

Eine Reisewarnung berechtigt in manchen Fällen zu einem Gratisstorno einer gebuchten Reise. Eine Reisewarnung ist aber kein Reiseverbot. Sollte allerdings eine Rückholaktion aus einer Region oder einem Land durchgeführt werden, für das es eine Reisewarnung gibt, können die Reisenden an den Konsularkosten beteiligt werden.

Denn neben der Reisewarnung, die das Außenministerium ausspricht, wird Kroatien überdies vom Gesundheitsministerium in der Einreiseverordnung als Risikoland eingestuft. Bei der Einreise aus dem Land müsse ein Gesundheitszeugnis vorgelegt werden, das einen negativen PCR-Test bestätigt, der nicht länger als 72 Stunden zurückliegen darf, hieß es in einer Aussendung von Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne).

Wenn ein solcher Nachweis nicht erbracht werden kann, müssten die Reiserückkehrer innerhalb von 48 Stunden einen Test veranlassen, teilte Anschober mit. Bis das Testergebnis vorliege, müssten sie in Quarantäne bleiben. „Damit ist Kroatien gleich eingestuft wie andere Länder des Balkans – Bosnien-Herzegowina, Kosovo, Montenegro, Nordmazedonien, Serbien.“

„Kein Kavaliersdelikt“

Dass die Behörden dabei auch auf die Mitwirkung der Reisenden angewiesen sind, ließ ÖVP-Außenminister Alexander Schallenberg im Interview mit der ZIB2 durchblicken. Es werde zwar Stichproben geben, aber es gehe um die Eigenverantwortung, so Schallenberg. Bei der Umgehung der Vorgaben handle es sich um „kein Kavaliersdelikt“. Der Außenminister sprach die „dringende Empfehlung“ aus, sich daran zu halten und nicht zu versuchen, den Behörden „ein Schnippchen zu schlagen“.

Außenminister: „Kann weitere Reisewarnungen geben“

Außenminister Alexander Schallenberg erklärte die Reisewarnung für Kroatien mit den steigenden CoV-Fallzahlen. Er appellierte an die Eigenverantwortung der Österreicher, die sich im Ausland aufhalten, und schloss weitere Reisewarnungen für beliebte Urlaubsdestinationen nicht aus.

Zugleich schloss er weitere Reisewarnungen nicht aus. „Es kann weitere Reisewarnungen geben“, so der Außenminister am Freitagabend in der ZIB2, „auch für beliebte Urlaubsdestinationen.“ Zu einer möglichen Ausweitung der Reisewarnung für Spaniens Festland auf die Balearen, meinte er: „Wir beobachten die Situation und sehen neue Höchstzahlen.“ Der Sommer 2020 sei eben „kein normaler Sommer“, und solche Vorwarnungen könnten sehr kurzfristig ausfallen.

Seit Samstag verstärken zudem 20 Soldaten des Kommandos Streitkräftebasis die Coronavirus-Hotline des Außenministeriums. Aufgrund der ab Montag geltenden Reisewarnung für Kroatien wird mit einem erhöhten Informationsbedarf gerechnet. Der Einsatz wird bis auf Weiteres andauern. „Unser Bundesheer steht, wie es auch schon zuvor beweisen konnte, immer dort bereit, wo Hilfe dringend notwendig ist“, meinte Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) in einer Pressemitteilung. Angesichts der derzeit steigenden Infektionszahlen sicherte sie grundsätzlich jegliche Unterstützung durch das Bundesheer zu.

Viele Fälle von Reisen mitgebracht

Auch Anschober hatte zuvor dazu aufgefordert, „verantwortungsvoll zu handeln, sich selbst und alle anderen Menschen vor einer Coronavirus-Infektion zu schützen“. Aktuell seien „gehäufte, reiseindizierte Coronavirus-Infektionsfälle von Reiserückkehrerinnen aus Kroatien“ festzustellen. „Alleine in dieser Woche werden uns von den Bundesländern rund 100 Fälle berichtet, alleine in den vergangenen 24 Stunden sogar 57.“

Weltweit gilt weiterhin zumindest der Reisehinweis der Stufe vier („Hohes Sicherheitsrisiko“), generell wird also von nicht unbedingt notwendigen Reisen abgeraten. Reisewarnungen gelten (inklusive Kroatien) für 32 Staaten bzw. zwei Teilregionen weltweit – darunter das spanische Festland, Portugal, Schweden, die Türkei, Russland, Ägypten, die USA und die chinesische Provinz Hubei.

Kroatien um Beruhigung bemüht

Der kroatische Innenminister Davor Bozinovic sieht die österreichische Reisewarnung als „Teil der Vorgehensweise von Ländern, die sich für den Herbst eine möglichst gute epidemiologische Lage wünschen“. Gleichzeitig war er bemüht, im Ausland die Botschaft zu vermitteln, dass nur einzelne Regionen und nicht das ganze Land von steigenden Infektionszahlen betroffen seien.

„In den Regionen, wo sich die meisten Touristen aus Österreich befinden, gibt es eine günstige epidemiologische Situation“, sagte Bozinovic. Es bestehe eine intensive Kommunikation mit den österreichischen Behörden, um auf die spezifische Situation in einzelnen Regionen hinzuweisen, so der Innenminister.

Kroatien meldete am Freitag eine Rekordzahl an Neuansteckungen mit dem Coronavirus. 208 Infektionen seien in den vergangenen 24 Stunden erfasst worden, teilte der nationale Krisenstab in Zagreb mit. Das ist der höchste Tageswert, der seit Beginn der Pandemie in dem Land im Februar registriert wurde. Am Vortag hatte die Behörde 180 Neuansteckungen vermeldet. In den letzten zwei Monaten war der Wert zwischen rund 30 und 100 geschwankt.