Zerstörung nach Attentat auf Rafik Hariri in Beirut
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Sondertribunal zu Libanon

Ein Angeklagter für Hariri-Mord verurteilt

15 Jahre nach der Ermordung des früheren libanesischen Premiers Rafik Hariri hat das Sondertribunal zum Libanon am Dienstag einen der vier Angeklagten schuldig gesprochen. Die Beteiligung der drei weiteren Libanesen an dem Terroranschlag könne „nicht zweifelsfrei bewiesen“ werden, urteilten die Richter in Leidschendam bei Den Haag.

Über das Strafmaß wird zu einem späteren Zeitpunkt entschieden. Alle vier Angeklagten sollen der prosyrischen Hisbollah-Miliz angehören. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Libanese Salim Dschamil Ajjasch unter anderem des Mordes schuldig ist. Er sei an dem Terroranschlag am 14. Februar 2005 in Beirut beteiligt gewesen. Das auf Initiative der Vereinten Nationen eingerichtete Tribunal hatte sechs Jahre lang in Abwesenheit der Angeklagten verhandelt.

Die Richter sahen auch keine direkten Beweise für eine Beteiligung der Führung der Hisbollah oder Syriens. In dem Verfahren habe es fast ausschließlich indirekte Beweise gegeben, erklärte das Gericht. Die Urteilsverkündung dauerte mehrere Stunden, da das Urteil nach Angaben des Gerichts mehr als 2.600 Seiten umfasst.

Der ehemalige Premier des Libanons,  Rafik Hariri
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Der vor 15 Jahren getötete libanesische Politiker Rafik Hariri

Keine Gesprächsinhalte bekannt

Die entscheidende Frage war, ob die Beweise, die der kanadische Chefankläger Norman Farrell vorlegte, ausreichten. Denn im Kern ging es nur um Handydaten. Aus unzähligen Daten baute die Anklage eine Beweiskette auf. Minutiös rekonstruierten die Ankläger die Bewegungen der Angeklagten – wo sie vor und während des Attentates waren und mit wem sie telefonierten. Nur: Über den Inhalt der Gespräche ist nichts bekannt. Für die Anklage war die Schuld zweifelsfrei bewiesen. Die Verteidiger forderten hingegen einen Freispruch – denn Handydaten seien kein Beweis, dass die Angeklagten selbst am oder in der Nähe des Tatortes waren.

Dann war noch die Frage des Motivs offen. Chefankläger Farrell sah deutliche politische Gründe. Die Angeklagten wollten nach seiner Darstellung Hariri aus dem Weg räumen, da er sich für den Abzug syrischer Truppen aus dem Libanon starkgemacht hatte – und das lag nicht im Interesse der Hisbollah. Die Organisation leugnet bis heute jede Beteiligung am Hariri-Mord.

UN-Tribunal in Leidschendam, Niederlande
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Das Sondertribunal in Den Haag

Fast 3.000 Kilo Sprengstoff

Der Terroranschlag war einer der schwersten in der Geschichte des Libanon: Fast 3.000 Kilogramm Sprengstoff sollen die Attentäter eingesetzt haben, als sie den ehemaligen Premier töteten. Die Druckwelle war kilometerweit zu spüren. Mit dem Urteil ging nun ein Verfahren zu Ende, das Rechtsgeschichte geschrieben hat.

Bombemkrater nach Attentat auf Rafik Hariri in Beirut
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Die Verwüstung durch das Attentat

Am 14. Februar 2005 hatte sich ein Selbstmordattentäter in die Luft gesprengt, als Hariris Autokolonne im Zentrum der Hauptstadt Beirut vorbeigefahren war. Außer dem 60 Jahre alten sunnitischen Politiker starben 21 Personen – darunter der Attentäter –, 226 wurden verletzt. Das Entsetzen im Libanon und die internationale Empörung waren groß.

Zentrale Rolle bei Wiederaufbau

Hariri, ein schwerreicher Geschäftsmann, genießt bis heute bei vielen Libanesen großes Ansehen. Er spielte beim Wiederaufbau des Landes nach 15 Jahren Bürgerkrieg eine zentrale Rolle. Verantwortlich für seinen Tod machen bis heute viele Libanesen das Nachbarland Syrien, das damals Truppen im Libanon stationiert hatte. Die schiitische Hisbollah, vom Iran unterstützt und mit der syrischen Regierung verbündet, wies jegliche Verantwortung zurück. Syrien war nach dem Attentat gezwungen, seine Truppen abzuziehen.

Das teure und aufwendige Verfahren ist der erste Terrorismusprozess eines internationalen Tribunals. Allerdings fristete er ein Schattendasein. Das lag nicht an dem Vorort Leidschendam, in den das Tribunal aus Sicherheitsgründen verlegt worden war. Der Grund war vielmehr, dass die Anklagebank leer blieb. Die vier Angeklagten sind flüchtig und hatten auch keinen Kontakt zu ihren vom Gericht bestellten Verteidigern.