Malische Soldaten
AP
Festnahmen in Staatsspitze

Malis Streitkräfte begehren auf

Im westafrikanischen Mali verschärft ein Aufruhr im Militär die angespannte politische Lage. Am Dienstag nahmen Soldaten Präsident, Premier und hochrangige Regierungsbeamte fest. Es handle sich dabei nicht um einen Putsch, sondern um einen „Volksaufstand“, hieß es. Nun ist die Sorge vor einer Destabilisierung der ganzen Region groß.

Die Hintergründe des Aufruhrs waren am Dienstagabend auch Stunden später noch unklar. Mehrere Nachrichtenagenturen berichteten von den Festnahmen der Staatsspitzen, AFP zitierte einen der Anführer des Aufstands, die dpa einen Offizier. Staatschef Ibrahim Boubacar Keita und Premierminister Boubou Cisse seien festgenommen und auf einen Stützpunkt in der Stadt Kati gebracht worden, so Sidi Gakou zur dpa.

Zuvor war es zu einer Meuterei in Kati, etwa 15 Kilometer von der Hauptstadt Bamako entfernt, gekommen, wie das deutsche Auswärtige Amt mitteilte. Keita kündigte in der Nacht auf Mittwoch seinen Rücktritt an. Er lege „sofort“ alle seine Ämter nieder, sagte er in einer Ansprache, die vom Fernsehsender ORTM übertragen wurde. Gleichzeitig kündigte Keita die Auflösung des Parlaments sowie der Regierung an.

Massenproteste gegen Präsidenten

Mali steckt seit Monaten in einer politischen Krise. Die Oppositionsbewegung M5-RFP fordert den Rücktritt des 75-jährigen Präsidenten und organisierte immer wieder Massenproteste gegen ihn. Keitas Popularität war angesichts von Vorwürfen rund um Korruption und Wahlmanipulationen stark gesunken.

Zudem wird er dafür kritisiert, die Gefahr durch den islamistischen Terror nicht in den Griff zu bekommen. Im Norden des Landes gibt es seit 2012 einen dschihadistischen Aufstand, der nicht unter Kontrolle gebracht wird. Jüngst ist es immer wieder zu großen, teilweise gewalttätigen Protesten in dem Land gekommen. Westafrikanische Staatschefs hatten daraufhin versucht, zwischen Keita und dem Anführer der Protestbewegung, Imam Mahmoud Dicko, zu vermitteln.

Feiern in Bamako

Als nun erste Gerüchte von der Festnahme Keitas die Runde machten, feierten Oppositionelle im Zentrum von Bamako und forderten den Rücktritt des Präsidenten. Die Opposition erklärte, die Festnahme des nach seinen Initialen IBK genannten Präsidenten sei kein Militärputsch, sondern ein „Volksaufstand“. „IBK wollte nicht auf sein Volk hören“, sagte ein Sprecher des Oppositionsbündnisses M5-RFP. Auf Änderungsvorschläge habe der Präsident mit „Tötungen“ reagiert.

Malische Soldaten und Menschen in Bamako
APA/AFP/Malik Konate
In der Hauptstadt Malis wurden die Soldaten nach den Festnahmen gefeiert

Ministerpräsident Cisse hatte die Soldaten am Nachmittag noch aufgerufen, die Waffen niederzulegen und in einen „brüderlichen Dialog“ einzutreten, „um alle Missverständnisse auszuräumen“.

Sorge vor Folgen für Region

In Mali – sowie anderen Ländern der Sahelzone – sind etliche islamistische Terrorgruppen aktiv, einige haben dem Islamischen Staat (IS) oder al-Kaida die Treue geschworen. Menschenrechtsgruppen wie Amnesty International zeigten sich über die steigende Gewalt zunehmend besorgt. Bereits rund 250.000 Menschen wurden aufgrund anhaltender Angriffe allein in Mali vertrieben. Nun wird befürchtet, dass ein Sturz des malischen Präsidenten die ganze Region in Westafrika weiter destabilisieren könnte.

Malis Präsident Ibrahim Boubacar Keita
APA/AFP/Ludovic Marin
Der zurückgetretene Präsident Ibrahim Boubacar Keita

Daher gibt es auch zahlreiche Aufrufe, Gewalt zu vermeiden. UNO-Generalsekretär Antonio Guterres forderte die „sofortige und bedingungslose Freilassung“ von Keita und Cisse. Zudem rief er in einer Mitteilung am Dienstagabend zur „sofortigen Wiederherstellung der verfassungsmäßigen Ordnung und Rechtsstaatlichkeit in Mali“ auf. Der UNO-Sicherheitsrat berief laut Diplomaten für Mittwoch eine Sondersitzung zu Mali ein. Die Afrikanische Union (AU) verlangte die sofortige Freilassung der Politiker und verurteilte das Vorgehen der Soldaten scharf. Ähnlich äußerte sich auch die frühere Kolonialmacht Frankreich.

Staatschef Emmanuel Macron habe mit Keita, dessen nigerianischen Amtskollegen Mahamadou Issoufou, dem Präsidenten der Elfenbeinküste, Alassane Ouattara, sowie dem senegalesischen Präsidenten Macky Sall telefoniert, teilte der Elysee mit. Macron habe seinen Gesprächspartnern uneingeschränkte Unterstützung ausgesprochen. Frankreich ist in Westafrika im Einsatz gegen Islamistenmilizen vertreten, Mali ist ein Schwerpunkt.

Putsch führte zu Chaos

Der Putschversuch könne „in keiner Weise eine Antwort auf die tiefe gesellschaftspolitische Krise sein, die Mali seit mehreren Monaten getroffen hat“, erklärte zudem der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell via Twitter. In Absprache mit dem westafrikanischen Staatenverbund ECOWAS, der AU und den Vereinten Nationen fordere die EU einen Dialog. Auch der US-Sondergesandte für die Sahelzone, Peter Pham, erklärte, Washington lehne jeden Regierungswechsel außerhalb des rechtlichen Rahmens ab.

Karte von Mali
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA

2012 hatte eine Meuterei in Kati, in demselben Militärstützpunkt wie am Dienstag, zu einem Putsch geführt, bei dem der damalige Präsident Amadou Toumani Toure gestürzt wurde. Der Staatsstreich war auch mitverantwortlich dafür, dass der Norden Malis an radikale Islamisten fiel.

Auch österreichische Soldaten sind im Rahmen einer UNO sowie einer EU-Trainingsmission in Mali. Angesichts der angespannten Lage bleiben sie vorerst in ihren Stützpunkten, wie das Bundesheer der APA am Dienstagabend mitteilte. Insgesamt seien derzeit 15 österreichische Soldaten in dem westafrikanischen Land im Einsatz. Alle Soldaten seien in das Hauptquartier in Bamako zurückbeordert worden und in Sicherheit, so der Sprecher weiter. Bis die Lage geklärt sei, sollen die Bundesheersoldaten auch dort bleiben.