Skyline von London
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Limited statt GmbH

Schlupfloch für Firmengründung vor Aus

Fast ohne Kapital eine Firma zu gründen, das ist in Österreich undenkbar. In Großbritannien aber ist die Gründung einer Limited-Gesellschaft ab einem Pfund Kapital möglich. Laut dem Kreditschutzverband KSV haben rund 1.600 Österreicher, häufig frühere Pleitiers, eine solche Limited – mit einer Zweigniederlassung in Österreich, um dann hier einen Betrieb zu führen. Der Brexit macht derartigen Praktiken jetzt wohl ein Ende.

Nirgendwo in Europa braucht man so wenig Stammkapital, um eine Limited-Gesellschaft zu gründen wie in Großbritannien – also eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung –, sagte Kreditschützer Gerhard Wagner, Geschäftsführer der KSV Information GmbH, gegenüber dem Ö1-Morgenjournal am Mittwoch. In Österreich gebe es im Wesentlichen das Mindestkapitalerfordernis von 35.000 Euro für eine GmbH. Aber „in Großbritannien kann man eine Limited schon ab einem Pfund oder einem Euro registrieren. Also: Der Unterschied ist gewaltig."

Für das ORF-Projekt „Offshore-Austria“ wertete der Kreditschutzverband das österreichische Firmenregister statistisch aus. 1.600 österreichische Zweigniederlassungen von britischen Limiteds fanden sich, 1.300 davon haben ein Stammkapital von maximal 1.000 Euro.

Von Gastrobetrieben bis Baufirmen

Der Prokurist der KSV-Information, Günther Fasching, sieht eine „groteske“ Situation in Österreich, denn die in Großbritannien gegründeten Limiteds finden sich in allen Branchen des heimischen Wirtschaftslebens: „Massageunternehmen, Gastronomiebetriebe, Barbetriebe, Erdbewegungsunternehmen, Baufirmen, die also typischerweise nicht überregional tätig sind. Deshalb schaut das sehr interessant aus, wenn die in England gegründet werden und dann in Österreich überregional tätig werden.“

Schlupfloch für Pleitiers

Viele unter den 1.600 Limited-Geschäftsführern hätten vor der Gründung offenbar eine Firmenpleite gehabt, sagen die Kreditschützer. Rund zehn Prozent haben auch einen Privatkonkurs hinters sich. Das britische Schlupfloch ist vor allem für diese Fälle attraktiv: Wenn man wegen Krida verurteilt wurde, darf man hierzulande keine Firma gründen. Auch wenn schlichtweg das Geld fehlt, bietet Großbritannien einen Ausweg. KSV-Geschäftsführer Wagner schätzt, dass sich rund ein Drittel der österreichischen Limited-Eigentümer aus diesem Grund dieser Konstruktion bedient.

Risiko für Gläubiger

Klar ist laut Wagner, dass es sich um Offshore-Firmen handelt – nicht nur, weil die britische Küste dazwischenliegt: „Offshore, weil sie in einem anderen Land registriert sind als dort, wo sie ihre eigentliche Tätigkeit entfalten.“ Die Konstruktion sei nicht illegal, so Wagner. Aber Gläubiger gehen ein gewisses Risiko ein: „Es ist definitiv ein höheres Risiko, mit einer Limited ein Geschäft zu machen.“ Allein das Haftungskapital im Hintergrund sei mit 1.000 oder gar nur einem Pfund deutlich geringer als bei einer österreichischen GmbH.

Billig und schnell gegründet

Etliche Kanzleien und andere Anbieter werben im Internet mit der billigen, einfachen und vor allem schnellen Gründung in Großbritannien: Binnen weniger Tage, teilweise binnen weniger Stunden könne eine Limited ins Leben gerufen werden. Nicht nur in Österreich ist die Konstruktion beliebt: Schätzungen zufolge gibt es mehrere zehntausend Limited-Gesellschaften mit Eigentümern in Deutschland und der Schweiz – und das, obwohl es in Deutschland mit der Unternehmergesellschaft seit einigen Jahren ein Alternative mit vergleichbaren Vorteilen gibt.

Das Rechercheprojekt

Unter dem Titel „Offshore Austria“ untersucht das ORF-Rechercheprojekt mit Ö1, ZIB2 und ORF.at Briefkastenfirmen und Offshore-Konstruktionen in Österreich.

Mit Brexit droht das Aus

Wegen des Brexits werden ab Jahresende diese Konstruktionen allerdings nicht mehr funktionieren. „Sie fallen zurück in den Status einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die sowieso kein Rechtsstatut hat in Österreich", sagt Wagner. „Das heißt: Es haften wieder alle persönlich und unbeschränkt. Und dann ist genau der Effekt, den man erzielen wollte, dass man mit einem Pfund in London haftet, beim Teufel – um das jetzt ganz hochdeutsch zu sagen.“

Die austrobritischen Unternehmer könnten nur hoffen, dass die EU und Großbritannien eine Vereinbarung über Limiteds abschließen, aber das sei extrem unwahrscheinlich. Ganz geschlossen ist das Schlupfloch allerdings auch dann nicht: Auch in Irland und Malta gibt es einfache Möglichkeiten, eine Limited zu gründen.