Ein Vater hilft seinem Baby beim Fläschchen trinken
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Rechnungshof

Verteilung der Kinderbetreuung „extrem ungleich“

Der Rechnungshof (RH) hat die Verteilung der genehmigten Anspruchstage des Kinderbetreuungsgeldes geprüft und dabei kein Ruhmesblatt für die Gleichstellung in Österreich entdeckt. Nur ein minimaler Anteil entfällt dabei auf die Väter – das aber vorzugsweise in den Sommermonaten. „Extrem ungleich“, urteilt der RH.

Der Rechnungshof sah sich dabei die tatsächlichen Tage an, an denen Frauen und Männer jeweils das Kinderbetreuungsgeld in Anspruch genommen haben. Dabei kam heraus, dass nur 4,5 Prozent der genehmigten Tage auf die Väter entfallen. Der Bericht „Leistungen nach dem Kinderbetreuungsgeldgesetz“ erschien am Freitag, das abschließende Urteil darin ist kritisch: „Die effektive Entlastung von Frauen und eine gleichmäßigere Aufteilung der Betreuungspflichten wurde nicht erreicht.“

Die zeitliche Beteiligung von Männern am Kinderbetreuungsgeldbezug stieg zwar in den Jahren 2005 bis 2009 von 3,3 auf 4,5 Prozent. Seither stagnieren aber die Zahlen. Auch im Jahr 2018 nahmen Männer nur 4,5 Prozent aller Anspruchstage wahr. Seit 2014 gab es hier keinerlei merkbare Veränderung.

Zahlen und Realität

Insgesamt wurden 2018 gemäß Kinderbetreuungsgeldgesetz rund 1,2 Milliarden Euro an 130.000 Anspruchsberechtigte ausgezahlt, bilanzierte der Rechnungshof. Die Verteilung der beanspruchten Tage zwischen Frauen und Männern ist „extrem ungleich“.

Die Diskrepanz zu den oft veröffentlichten Zahlen betreffend Väterbeteiligung erklärt der Rechnungshof folgendermaßen: Das Familienministerium berechnet den Prozentsatz jener Väter, die insgesamt Kinderbetreuungsgeld in Anspruch nahmen. Beantragen theoretisch 100 Personen diese Leistung und 20 davon sind Männer, so gelten hier 20 Prozent Väterbeteiligung. Im Jahr 2017 wies das Ministerium auch eine Väterbeteiligung von 19,40 Prozent aus.

Der Rechnungshof analysierte hingegen exakt die in Anspruch genommenen Tage – eine Berechnung, mit der die Prüferinnen und Prüfer die Realität besser abbilden wollen.

Mehr Beteiligung im Sommer

Ein weiteres interessantes Detail: Väter nahmen vorzugsweise in den Monaten Juli und August das Kinderbetreuungsgeld in Anspruch. Gemessen an den Tagen nahm die Väterbeteiligung in diesen zwei Sommermonaten 2018, verglichen mit der durchschnittlichen Väterbeteiligung im restlichen Jahr, um 28 Prozent zu. Besonders deutlich war der Anstieg beim einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeld mit einer Steigerung um 69 Prozent.

Rechnungshof prüft Väterkarenz

In einem am Freitag erschienenen Bericht nimmt der Rechnungshof die Väterkarenz kritisch unter die Lupe. In Österreich gehen Väter meist nur zwei Monate lang in Karenz, die Kinderbetreuung ist Frauensache.

Die Prüferinnen und Prüfer stellten auch Unterschiede zwischen Berufsgruppen fest: Bei Angestellten, Beamten und Vertragsbediensteten stieg die Väterbeteiligung im Juli und August 2018 um die Hälfte oder mehr, verglichen mit dem Durchschnitt des restlichen Jahres, bei anderen Berufsgruppen im Durchschnitt um neun Prozent.

Langes Warten auf Kinderbetreuungsgeld

Zusätzliche Kritik kommt vom Rechnungshof auch bezüglich der Erledigungsdauer bei der Abwicklung des Kinderbetreuungsgeldes. Zuständig sind hier die Krankenversicherungsträger. Der RH kritisiert, dass im Ministerium im untersuchten Zeitraum kein systematisches Controlling zur administrativen Abwicklung stattfand. Obwohl man im Ministerium von einer durchschnittlichen Erledigungsdauer von 28 Tagen und keinen Wartezeiten beziehungsweise Auszahlungslücken zwischen Wochen- und Kinderbetreuungsgeld ausging, lag die Erledigungsdauer in den vom Rechnungshof risikoorientiert untersuchten Beispielfällen bei 45 Tagen im Inland.

Ganze 211 Tage waren es in grenzüberschreitenden Fällen. Verzögerungen entstanden durch Wartezeiten bei Rückfragen an Antragstellende beziehungsweise an andere Behörden, aber auch durch interne Prozesse der Krankenversicherungsträger.

Dazu gab es im März bereits eine Missstandsfeststellung der Volksanwaltschaft. Sie hatte über 30 Fälle anhängig, in denen Familien in grenzüberschreitenden Fällen oft jahrelang auf die Auszahlung des Kinderbetreuungsgeldes warten mussten. Dabei handelte es sich überwiegend um in Österreich lebende Familien, bei denen ein Elternteil in einem anderen EU-Land lebt oder arbeitet. Betroffen waren aber auch in einem EU-Land lebende Familien, in denen ein Elternteil in Österreich arbeitet. Die Volksanwaltschaft sprach damals von „Verzögerungstaktiken aller Art“.

Familienministerin Christine Aschbacher (ÖVP) reagierte im März auf die Kritik: Es handle sich nicht um Missstände der österreichischen Verwaltung, die Fehler seien im Ausland zu suchen. Die angeführten Fälle seien zudem „zum Großteil seit Langem“ erledigt.

Rechtliche Grundlagen kompliziert

Für die Zukunft empfiehlt der Rechnungshof dem Ministerium, weitergehende Maßnahmen zur Erhöhung der Väterbeteiligung zu prüfen. Denn ein Ziel des Kinderbetreuungsgeldes sei es ja, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern.

Außerdem wiesen die Prüferinnen und Prüfer in ihrem Bericht darauf hin, dass für die optimale Ausgestaltung des Leistungsanspruchs die „genaue Kenntnis der komplexen rechtlichen Grundlagen“ erforderlich ist. Ohne Hilfe seien Bürgerinnen und Bürger oftmals überfordert, schreibt der Rechnungshof. Daher empfiehlt er sowohl Ministerium als auch der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK), ihr Beratungs- und Informationsangebot vermehrt an die Bedürfnisse der Eltern anzupassen.

Grüne: „Desaströses Bild“

Kritik am Status quo kam am Freitag auch von den Grünen. Von einer „partnerschaftlichen Kinderbetreuung“ sei man meilenweit entfernt, so die grüne Frauensprecherin Meri Disoski in einer Aussendung. „Das Bild ist desaströs und bestätigt einmal mehr den dringenden Handlungsbedarf: zeitgemäße Karenzmodelle, ein Aufbrechen von Geschlechterstereotypen und verbesserte Maßnahmen zur Wiedereingliederung von Frauen mit Kindern in den Arbeitsmarkt“, so Disoski.

Auch NEOS meldete sich zu Wort: „Der aktuelle Rechnungshofbericht zeigt klar, dass immer noch die Frauen die Mammutaufgabe der Kindererziehung weitestgehend alleine schupfen müssen und wir noch einen sehr weiten Weg vor uns haben, bis die Betreuungsaufgaben auf beide Elternteile gleichmäßig aufgeteilt sind“, so der Vorsitzende des Rechnungshof-Ausschusses Douglas Hoyos. NEOS fordere, dass Eltern sich die auserwählte Variante des Kinderbetreuungsgeldes nicht nur untereinander aufteilen können, sondern auch die individuelle Wahl zwischen den Varianten haben sollen.