Gerodeter Regenwald in Brasilien
Reuters/Ricardo Moraes
Erde erschöpft

Ressourcen ab jetzt nur noch auf Pump

Jedes Jahr machen Forscherinnen und Forscher auf den „Earth Overshoot Day“, den Welterschöpfungstag, aufmerksam. Heuer fällt er auf den Samstag, ab dann sind die natürlichen Ressourcen für dieses Jahr eigentlich schon aufgebraucht. Die Pandemie hat den Tag nach hinten verschoben – dennoch sehen Expertinnen und Experten keinen Anlass zur Freude.

Der Samstag markiert im krisenerprobten Jahr 2020 den Erderschöpfungstag. Das bedeutet, dass laut Berechnungen von Forscherinnen und Forschern ab diesem Tag die Menschheit mehr natürliche Ressourcen in Anspruch nimmt, als ökologischen Kreisläufe binnen eines Jahres regenerieren können. Ab Samstag ist also das ökologische Konto überzogen. Konzept und Daten stammen vom Global Footprint Network (GFN), einer von Expertinnen und Experten gegründeten Umweltorganisation.

Heuer gibt es eigentlich Gutes zu berichten: Durch die globale Coronavirus-Krise und die vielerorts verhängten Lockdowns hat sich der Erschöpfungstag erstmals nach hinten verlagert. Ohne den Einbruch von Wirtschaft und öffentlichem Leben wäre der Tag schon auf den 22. Juli gefallen.

Unnatürlicher Teufelskreis

Doch der Trend geht insgesamt in die andere Richtung, in den vergangenen 20 Jahren fiel der Tag kontinuierlich früher im Jahr. Im Jahr 2000 fiel das Datum noch auf den 23. September, 2009 auf den 18. August und im vergangenen Jahr bereits auf den 29. Juli, berichtete die dpa. Doch auch angesichts des diesjährigen Befund gibt es keine Entwarnung: Die Erde wird laut GFN ständig überlastet, die Folge sind Entwaldung, Bodenerosion und Klimawandel – ein Teufelskreis.

Verschmutztes Wasser
Getty Images/Wokephoto17
Die Natur kann sich nicht schnell genug erholen, um den Verbrauch zu kompensieren

Ein Zusammenschluss der Plattform Footprint mit dem WWF, Global 2000 und Greenpeace forderte anlässlich des „Overshoot Day“ auch trotz der Verschiebung eine zukunftsgerechte Krisenpolitik: Von einer langfristigen Erholung des Planeten könne keine Rede sein, so Michael Schwingshackl von der Plattform Footprint gemeinsam mit den weiteren NGOs. „Die Welt verbraucht im Jahr 2020 die Ressourcen von mehr als 1,5 Erden.“

Berechnung

Bei der Erstellung des Erschöpfungstags wird in einem komplexen Verfahren die Produktivität eines standardisierten „globalen Hektars“ ermittelt. Sie wird in Relation zur Nachfrage gesetzt. Die biologisch aktiven Flächen werden mit dem Flächenverbrauch und dem von Menschen erzeugten Treibhausgas gegengerechnet.

Österreichs Fußabdruck weit größer

Der globale Wert ist aber nur ein Durchschnitt, der das wahre Ausmaß des Ressourcenverbrauchs teilweise eher verschleiert. Reiche Industriestaaten haben einen weit größeren ökologischen Fußabdruck. Laut der Plattform würden die Ressourcen – lebte die ganze Menschheit wie die Österreicher – von etwa 3,5 Erden gebraucht werden. Eine umfassende ökosoziale Steuerreform lautet eine der Forderungen von Greenpeace. Die NGO Global 2000 plädierte dafür, die Pandemie zum Anlass zu nehmen, einen „Systemwandel weg von einer umweltzerstörerischen, nicht nachhaltigen Ausbeutung der Erde durch unsere imperiale Lebensweise“ vorzunehmen.

Auch die IG Windkraft stellte Forderungen an die Politik: „Der ‚Earth Overshoot Day‘ zeigt deutlich, wie dringend wir Maßnahmen für den Klimaschutz brauchen. Die verstärkte Nutzung erneuerbarer Energien ist dabei eine der zentralen Lösungen“, so Geschäftsführer Stefan Moidl.

Handlungsbedarf

Die SPÖ forderte die Bundesregierung auf, sich für das Einhalten von Umwelt- und Sozialstandards entlang der gesamten Lieferketten einzusetzen. „Wir brauchen EU-weit einen gesetzlichen Rahmen, der Produkte, die Mensch und Umwelt ausbeuten, nicht auf dem EU-Binnenmarkt zulässt", so Petra Bayr, Bereichssprecherin für globale Entwicklung in einer Aussendung.

In dieselbe Kerbe schlagen auch die Grünen, die selbst erstmals in der Bundesregierung vertreten sind. Man brauche einen „geplanten, tiefgreifenden Umbau unseres Wirtschaftssystems“, so Umweltsprecherin Astrid Rössler. Österreich habe seinen Erschöpfungstag schon am 8. April erreicht. Kreislaufwirtschaft und mehr öffentlicher Verkehr seien Teil einer Lösung, hier gebe es erste Schritte. Rössler forderte auch ein Maßnahmenpaket, „um den Erschöpfungstag auch langfristig nach hinten zu verschieben“.