Eine Solidaritätskundgebung nach dem Angriff auf den Präsidenten der jüdischen Gemeinde in Graz
APA/Ingrid Kornberger
Angriff auf jüdische Gemeinde

Solidarität und Fahndung nach Täter in Graz

Nach dem tätlichen Angriff auf den Präsidenten der israelitischen Kultusgemeinde Gemeinde in Graz, Elie Rosen, sowie Sachbeschädigungen bei der Synagoge und anderen Einrichtungen haben Sonntagabend rund 200 Frauen und Männer zu einer Solidaritätskundgebung zusammengefunden – darunter auch zahlreiche Regional- und Lokalpolitiker. Die Polizei sucht mit einer eigenen Ermittlungsgruppe nach dem Täter.

Die Menschen marschierten vom Grazer Hauptbahnhof zur Synagoge und sangen: „Schulter an Schulter gegen Rassismus“. Auf den Schildern und Plakaten war zu lesen „Never again“ oder auch „Never forget, never again“. Die Kundgebung wurde von den Jüdischen österreichischen HochschülerInnen (JöH) organisiert und auch zahlreiche Regional- und Lokalpolitiker nahmen daran teil: Soziallandesrätin Doris Kampus (SPÖ), Kulturstadtrat Günter Riegler (ÖVP), die KPÖ-Stadträte Elke Kahr und Robert Krotzer, Grünen-Stadträtin Judith Schwentner und ihr Klubobmann Karl Dreisiebner, SPÖ-Chef Michael Ehmann und NEOS-Klubobmann Niko Swatek.

Lara Guttmann, Sprecherin der JöH aus Wien, bedankte sich bei den Teilnehmern für das „Zeichen gegen Ausgrenzung und Rassismus“. Sie meinte, dass es „nicht die Tat eines verwirrten Einzeltäters“ gewesen sei, sondern Antisemitismus sei ein politisches System. Sie bedauerte in ihrer Ansprache, dass etwa die jüdische Schule in Wien mehr einem Gefängnis als einer Schule gleichen müsse – zum Schutz der Schüler. Manche der Redner kritisierten auch einen vermeintlich zu laschen Einsatz der Polizei nach den ersten Anzeichen in Graz.

Eine Solidaritätskundgebung nach dem Angriff auf den Präsidenten der jüdischen Gemeinde in Graz
APA/Ingrid Kornberger
Der Weg der Solidaritäskundgebung führte vom Grazer Hauptbahnhof zur Synagoge

„Antisemitisch und homophob“

Die Polizei richtete unterdessen eine eigene Ermittlungsgruppe, benannt nach dem hebräischen Wort für Brüderlichkeit, „Achava“, ein. Sie soll den Verdächtigen, nach dem nun mit einem Fahndungsfoto gesucht wird, schnappen, hieß es am Sonntag bei einem Pressegespräch in Graz.

Der Grazer IKG-Präsident Rosen war Samstagabend vor dem Gemeindehaus von einem Unbekannten mit einem Holzprügel, offenbar ein Baseballschläger, attackiert worden. Rosen konnte sich gerade noch in sein Auto retten und blieb bei dem Angriff unverletzt, der Täter flüchtete.

Fahndungsfotos
APA/LPD Steiermark
Die Polizei sucht nach der Attacke auf Rosen nach diesem Mann

Landespolizeidirektor Gerald Ortner sagte, dass der Täter offenbar in der Nacht auf Mittwoch zum ersten Mal bei der Synagoge zugeschlagen haben dürfte. Im Laufe der Woche kam es dann noch zu weiteren Delikten, die dem Verdächtigen zuzuschreiben sind: So wurden etwa auch die Schaufenster des Vereinslokals der Rosalila PantherInnen, einer schwul-lesbischen Interessenvertretung, eingeschlagen.

Die Personenbeschreibung der Zeugen passt zu jener von der Synagoge, sagte Rupert Meixner, Chef des Landesamts Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT). Er erklärte: „Es handelt sich nicht nur um einen antisemitischen, sondern auch um einen homophoben Täter.“

Noch keine Spur zu Täter

Während die Ermittlungsgruppe nach dem Verdächtigen sucht, es dürfte sich nach derzeitigen Erhebungsstand um einen Einzeltäter handeln, werden die Synagoge sowie auch Präsident Rosen beschützt. Auch das Vereinslokal der Rosalila PantherInnen werde bewacht. Die Streifenaktivität in der Innenstadt wurde verstärkt.

Insgesamt werden dem Täter bisher sieben Delikte zugeschrieben: Sachbeschädigungen durch Steinwürfe oder Schmieraktionen, in einem Fall soll er es auch auf ein Etablissement im Rotlichtmilieu abgesehen haben. Eine Spur oder ein konkreter Hinweis, der zu dem Mann führen könnte, lag laut Meixner aber noch nicht vor. Die Schriftzüge seien definitiv propalästinensische Parolen.

„Niemand darf sich allzu sicher sein“

Rosen sagte am Sonntag bei einem gemeinsamen Auftritt mit Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer, dem Grazer Bürgermeister Siegfried Nagl (beide ÖVP), LH-Stv. Anton Lang (SPÖ) und Vizebürgermeister Mario Eustacchio (FPÖ), dass die Mitglieder der jüdischen Gemeinde sehr betroffen seien: „Wir sind eine sehr kleine Gemeinde, die sehr solidarisch ist, und sie hofft, dass sie von Stadt und Land unterstützt wird und dass politische Signale kommen werden – und sie kommen.“

Den Mitgliedern sei es „wichtig, das Gefühl zu bekommen, wahrgenommen zu werden und auch gewollt zu sein“. Der Präsident der jüdischen Gemeinde sagte weiter: „Extremismen machen nicht halt: Wir haben es mit Antisemitismus und Homophobie zu tun. Das soll uns wachrütteln, dass so etwas schnell überschwappen kann und übergreift. Niemand darf sich allzu sicher sein. Umso mehr müssen wir gegen jede Art von Hass vorgehen. Wir, die jüdische Gemeinde, sind da auch nicht blind und sehen es nicht nur auf uns bezogen: Der Dominoeffekt ist recht rasch greifbar.“

Zum Angriff selbst meinte Rosen, er sei dabei, das Geschehene zu verarbeiten. „Es ist nicht nur die physische Attacke gegen mich, sondern die Attacken gegen die jüdische Gemeinde per se. Wir werden uns nicht unterkriegen lassen und ich auch nicht. Wir schauen positiv in die Zukunft.“

„Antisemitismus darf es nicht geben“

Landeshauptmann Schützenhöfer zeigte sich beim Pressegespräch in der Grazer Burg betroffen: „Was sich in den letzten Tagen in Graz abgespielt hat, ist menschenverachtend und zutiefst verwerflich. Antisemitismus ist nicht links, ist nicht rechts, ist nicht muslimisch, er ist überall. Und es ist mir persönlich völlig egal, woher er kommt: Antisemitismus darf es nicht geben.“

Seit dem Zweiten Weltkrieg sei die jüdische Gemeinde in Graz nicht mehr derart angegriffen worden. Daher gebe es nun den „Schulterschluss“ zwischen Stadt und Land über Parteigrenzen hinweg, erklärte Schützenhöfer mit Blick auf Bürgermeister Nagl, LH-Stv. Lang und Vizebürgermeister Eustacchio, die alle beim Pressegespräch ebenfalls ihre Solidarität mit der jüdischen Gemeinde zum Ausdruck brachten.

Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) sagte am Sonntag, er habe noch Samstagabend mit Rosen Kontakt aufgenommen: „Ich hatte gestern ein gutes Gespräch mit Elie Rosen. Es gibt einen engen Schulterschluss zwischen den Sicherheitsbehörden und der israelitischen Kultusgemeinde.“ Neben den Ermittlungen haben Verfassungsschutz und Cobra den routinemäßigen Personen- und Objektschutz bei jüdischen Einrichtungen verschärft. „Sämtliche jüdische Einrichtungen werden verstärkt überwacht“, so Nehammer.

Für Montagvormittag ist im Innenministerium ein Gespräch zwischen Innenminister Karl Nehammer, Europaministerin Karoline Edtstadler, Rosen, und dem Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde Wien, Oskar Deutsch, angesetzt.

Kritik an Vorgehen der Behörden

Die Konferenz der Europäischen Rabbiner hatte zuvor das Vorgehen der Behörden kritisiert. Oberrabbiner Pinchas Goldschmidt kritisierte laut Nachrichtenagentur dpa, dass diese mit Blick auf frühere Ereignisse nicht unverzüglich für Sicherheit gesorgt hätten.

„Einmal mehr sei eine rote Linie überschritten worden“, sagte Goldschmidt in einer Aussendung. „Im Europa des 21. Jahrhunderts ist das leider traurige Realität geworden, indem sich der Hass auf Juden und auch auf Israel verbal, physisch sowie digital seinen Weg bahnt.“