Synagoge in Graz
APA/Erwon Scheriau
Angriff auf jüdische Gemeinde

Polizei in Graz fasste Verdächtigen

Nach den Angriffen auf die jüdische Gemeinde in Graz hat die Polizei mit einer eigenen Ermittlungsgruppe nach dem Täter gefahndet. Sonntagabend wurde die Verhaftung eines Verdächtigen bekannt. Er sei von einer Radstreife in der Grazer Innenstadt gestellt worden, berichteten „Kronen Zeitung“ und „Kleine Zeitung“. Ein Polizeisprecher bestätigte gegenüber der APA die Berichte.

Laut der „Kleinen Zeitung“ war der Mann mit einem roten Fahrrad auf der Annenstraße unterwegs. Die Beamten hätten ihn anhand der Fahndungsfotos wiedererkannt. Bei dem Festgenommenen soll es sich um einen syrischen Staatsbürger handeln, der vor sechs Jahren nach Österreich gekommen war. Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) verkündete die Festnahme auf Twitter – und bedankte sich bei „den beiden Kollegen, die den Verdächtigen durch ihr entschlossenes Einschreiten festnehmen konnten“.

Ob es sich bei dem Verhafteten tatsächlich um den Mann handelt, der am Samstagabend den Präsidenten Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) Graz, Elie Rosen, tätlich angriff, ist noch nicht bestätigt. Ersten Informationen aus dem Innenministerium zufolge zeigte sich der Mann jedoch geständig. Details der Aussage des Verdächtigen, seine Herkunft und Motivation würden aber wohl erst in den frühen Morgenstunden bekanntgegeben werden können, hieß es.

Rosen war Samstagabend vor dem Gemeindehaus von einem Unbekannten mit einem Holzprügel, offenbar einem Baseballschläger, attackiert worden. Er konnte sich gerade noch in sein Auto retten und blieb bei dem Angriff unverletzt, der Täter flüchtete.

Mehrerer Delikte verdächtigt

Wie Landespolizeidirektor Gerald Ortner Sonntagmittag darlegte, dürfte der Täter in der Nacht auf Mittwoch zum ersten Mal bei der Synagoge zugeschlagen haben. Im Laufe der Woche kam es dann zu weiteren Delikten, die dem Verdächtigen zuzuschreiben sind: So wurden etwa die Schaufenster des Vereinslokals der Rosalila PantherInnen, einer schwul-lesbischen Interessenvertretung, eingeschlagen.

Die Außenmauer der jüdischen Synagoge in Graz  mit propalästinensischen Parolen
APA/Ingrid Kornberger
Eine der jüngsten Schmierereien auf den Resten der 1938 zerstörten Synagoge

Die Personenbeschreibung der Zeugen passe zu jener von der Synagoge, sagte Rupert Meixner, Chef des Landesamts Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT). Er sagte: „Es handelt sich nicht nur um einen antisemitischen, sondern auch um einen homophoben Täter.“

Insgesamt werden dem Täter bisher sieben Delikte zugeschrieben: Sachbeschädigungen durch Steinwürfe und Schmieraktionen, in einem Fall soll er es auch auf ein Etablissement im Rotlichtmilieu abgesehen haben. Die Schriftzüge seien definitiv propalästinensische Parolen. Die Polizei hatte nach den Angriffen eine eigene Ermittlungsgruppe eingerichtet, benannt nach dem hebräischen Wort für Brüderlichkeit, „Achava“. Mit mehreren Fahndungsfotos suchten die Behörden nach dem Tatverdächtigen.

Solidaritätskundgebung in Graz

Die Attacke auf Rosen hatte nicht nur in Graz Bestürzung hervorgerufen. Von Bundespräsident Alexander Van der Bellen abwärts bekundeten Vertreterinnen und Vertreter aus Politik und Zivilgesellschaft ihre Solidarität. Noch Samstagnacht nahmen rund 30 Menschen an einer Mahnwache bei der Synagoge teil. Sonntagabend fanden sich dann rund 200 Frauen und Männer zu einer Solidaritätskundgebung zusammen – darunter auch zahlreiche Regional- und Lokalpolitiker. Die Menschen marschierten vom Grazer Hauptbahnhof zur Synagoge und sangen: „Schulter an Schulter gegen Rassismus“. Auf den Schildern und Plakaten war „Never again“ und „Never forget, never again“ zu lesen.

Eine Solidaritätskundgebung nach dem Angriff auf den Präsidenten der jüdischen Gemeinde in Graz
APA/Ingrid Kornberger
Der Weg der Solidaritätskundgebung führte vom Grazer Hauptbahnhof zur Synagoge

Die Kundgebung wurde von den Jüdischen österreichischen HochschülerInnen (JöH) organisiert, auch zahlreiche Regional- und Lokalpolitiker nahmen daran teil: Soziallandesrätin Doris Kampus (SPÖ), Kulturstadtrat Günter Riegler (ÖVP), die KPÖ-Stadträte Elke Kahr und Robert Krotzer, Grünen-Stadträtin Judith Schwentner und ihr Klubobmann Karl Dreisiebner, SPÖ-Chef Michael Ehmann und NEOS-Klubobmann Niko Swatek.

Lara Guttmann, Sprecherin der JöH aus Wien, bedankte sich bei den Teilnehmern für das „Zeichen gegen Ausgrenzung und Rassismus“. Sie meinte, dass es „nicht die Tat eines verwirrten Einzeltäters“ gewesen sei, Antisemitismus sei vielmehr ein politisches System. Sie bedauerte in ihrer Ansprache, dass etwa die jüdische Schule in Wien mehr einem Gefängnis als einer Schule gleichen müsse – zum Schutz der Schüler. Manche der Redner kritisierten auch einen vermeintlich zu laschen Einsatz der Polizei nach den ersten Anzeichen in Graz.

„Niemand darf sich allzu sicher sein“

Rosen sagte am Sonntag bei einem gemeinsamen Auftritt mit Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer, dem Grazer Bürgermeister Siegfried Nagl (beide ÖVP), Landeshauptmann-Stellvertreter Anton Lang (SPÖ) und Vizebürgermeister Mario Eustacchio (FPÖ), dass die Mitglieder der jüdischen Gemeinde sehr betroffen seien: „Wir sind eine sehr kleine Gemeinde, die sehr solidarisch ist, und sie hofft, dass sie von Stadt und Land unterstützt wird und dass politische Signale kommen werden – und sie kommen.“

Der Grazer IKG-Präsident Elie Rosen
APA/Erwin Scheriau
Rosen warnte am Sonntag vor Extremismen

Den Mitgliedern sei es „wichtig, das Gefühl zu bekommen, wahrgenommen zu werden und auch gewollt zu sein“. Der Präsident der jüdischen Gemeinde sagte weiter: „Extremismen machen nicht halt: Wir haben es mit Antisemitismus und Homophobie zu tun. Das soll uns wachrütteln, dass so etwas schnell überschwappen kann und übergreift. Niemand darf sich allzu sicher sein. Umso mehr müssen wir gegen jede Art von Hass vorgehen. Wir, die jüdische Gemeinde, sind da auch nicht blind und sehen es nicht nur auf uns bezogen: Der Dominoeffekt ist recht rasch greifbar.“

Zum Angriff selbst meinte Rosen, er sei dabei, das Geschehene zu verarbeiten. „Es ist nicht nur die physische Attacke gegen mich, sondern die Attacken gegen die jüdische Gemeinde per se. Wir werden uns nicht unterkriegen lassen und ich auch nicht. Wir schauen positiv in die Zukunft.“

„Antisemitismus darf es nicht geben“

Schützenhöfer zeigte sich beim Pressegespräch in der Grazer Burg betroffen: „Was sich in den letzten Tagen in Graz abgespielt hat, ist menschenverachtend und zutiefst verwerflich. Antisemitismus ist nicht links, ist nicht rechts, ist nicht muslimisch, er ist überall. Und es ist mir persönlich völlig egal, woher er kommt: Antisemitismus darf es nicht geben.“

Seit dem Zweiten Weltkrieg sei die jüdische Gemeinde in Graz nicht mehr derart angegriffen worden. Daher gebe es nun den „Schulterschluss“ zwischen Stadt und Land über Parteigrenzen hinweg, so Schützenhöfer mit Blick auf Nagl, Lang und Eustacchio, die alle beim Pressegespräch ebenfalls ihre Solidarität mit der jüdischen Gemeinde zum Ausdruck brachten.

Nehammer sagte am Sonntag, er habe noch Samstagabend mit Rosen Kontakt aufgenommen: „Ich hatte gestern ein gutes Gespräch mit Elie Rosen. Es gibt einen engen Schulterschluss zwischen den Sicherheitsbehörden und der Israelitischen Kultusgemeinde.“ Neben den Ermittlungen haben Verfassungsschutz und Cobra den routinemäßigen Personen- und Objektschutz bei jüdischen Einrichtungen verschärft. „Sämtliche jüdische Einrichtungen werden verstärkt überwacht“, so Nehammer.

Für Montagvormittag ist im Innenministerium ein Gespräch zwischen Rosen, Nehammer, Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) und dem Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde Wien, Oskar Deutsch, angesetzt.