Polizei vor der Synagoge in Graz
APA/Erwin Scheriau
Nach Angriff in Graz

Erste Befragungen von Tatverdächtigem

Die Polizei hat nach der Attacke auf den Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) Graz, Elie Rosen, am Sonntagabend einen Verdächtigen festgenommen. Der 31-Jährige stammt aus Syrien und soll geständig sein. Die FPÖ kritisierte die „Nachlässigkeit“ der Sicherheitsbehörden.

Die Polizei führte in der Nacht erste Befragungen durch. Details will das Innenministerium Montagmittag bekanntgeben. Laut Polizei handelt es sich um einen 31-jährigen Mann, geboren in Syrien, hieß es auf APA-Nachfrage. „Kronen Zeitung“ und „Kleine Zeitung“ hatten Sonntagabend berichtet, dass eine Radstreife der Polizei den Verdächtigen auf seinem roten Fahrrad in der Annenstraße gesehen und wiedererkannt habe. Fahndungsfotos waren erst am Vormittag ausgegeben worden und zeigten auch das Gesicht des Angreifers.

Erst dürfte der Verdächtige die Flucht ergriffen haben, doch schließlich gab er auf und ließ sich festnehmen. Er kommt vorerst in die Justizanstalt Graz-Jakomini. Ersten Informationen aus dem Innenministerium zufolge zeigte sich der Mann geständig. Die Polizei hatte nach den Angriffen eine eigene Ermittlungsgruppe eingerichtet, benannt nach dem hebräischen Wort für Brüderlichkeit, „Achava“.

Dem Verdächtigen werden von den Ermittlern zumindest sieben Delikte in der vergangenen Woche in Graz zugeordnet – von Sachbeschädigungen mit Steinen und Holzlatten bis zu dem tätlichen Angriff auf Rosen. Dieser rettete sich vor dem Angreifer in sein Auto und blieb unverletzt. Der Täter dürfte den Ermittlern zufolge nicht nur antisemitisch, sondern auch homophob sein, denn er soll auch für die zerstörten Schaufenster des schwul-lesbischen Vereins Rosalila PantherInnen verantwortlich sein. Zudem warf er offenbar auch Steine auf ein Etablissement aus dem Rotlichtmilieu.

Die Außenmauer der jüdischen Synagoge in Graz  mit propalästinensischen Parolen
APA/Ingrid Kornberger
Eine der jüngsten Schmierereien auf den Resten der 1938 zerstörten Synagoge

Kritik an Behörden und Regierung

Die Konferenz der europäischen Rabbiner bemängelte nach dem Angriff auf Rosen das Vorgehen der österreichischen Behörden. Oberrabbiner Pinchas Goldschmidt kritisierte laut Nachrichtenagentur dpa, dass diese mit Blick auf frühere Ereignisse nicht unverzüglich für Sicherheit gesorgt hätten – mehr dazu in religion.ORF.at.

Kritik kam am Montag auch von der FPÖ: Sie forderte die Bundesregierung auf, für die Sicherheit jüdischer Einrichtungen zu sorgen. „Es ist für mich nicht erklärbar, warum nach den bereits erfolgten Sachbeschädigungen nicht umgehend der Schutz verstärkt und die Gewaltattacke auf Elie Rosen dadurch verhindert wurde“, so FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl.

Das Lokal des schwul-lesbischen Vereins Rosalila PantherInnen in Graz nach einer Sachbeschädigung
APA/ROSALILA PANTHERINNEN
Auch auf das Vereinslokal der Rosalila PantherInnen wurde ein Anschlag verübt

Es sei angezeigt, „das ganze Spektrum radikaler Kräfte und nicht nur Teile davon öffentlich zu benennen“, so Kickl, der gleichzeitig „den politischen Islam“ und „einen breiten Teil des linksradikalen Spektrums“ anprangerte, „wo unter dem Deckmantel der Israel-Kritik offen gegen Juden gehetzt wird“, so Kickl. Gerade gegen diese Spektren vermisse er jedoch die nötige Entschlossenheit, was auch damit zu tun haben könne, „dass es hier gewisse Anknüpfungspunkte beim kleineren Regierungspartner“ gebe.

Der Grazer IKG-Präsident Elie Rosen
APA/Erwin Scheriau
Rosen warnte am Sonntag vor Extremismen

„Niemand darf sich allzu sicher sein“

Rosen hatte am Sonntag bei einem gemeinsamen Auftritt mit Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer, dem Grazer Bürgermeister Siegfried Nagl (beide ÖVP), Landeshauptmann-Stellvertreter Anton Lang (SPÖ) und Vizebürgermeister Mario Eustacchio (FPÖ) gesagt, dass die Mitglieder der jüdischen Gemeinde sehr betroffen seien: „Wir sind eine sehr kleine Gemeinde, die sehr solidarisch ist, und sie hofft, dass sie von Stadt und Land unterstützt wird und dass politische Signale kommen werden – und sie kommen.“

Den Mitgliedern sei es „wichtig, das Gefühl zu bekommen, wahrgenommen zu werden und auch gewollt zu sein“. Der Präsident der jüdischen Gemeinde sagte weiter: „Extremismen machen nicht halt: Wir haben es mit Antisemitismus und Homophobie zu tun. Das soll uns wachrütteln, dass so etwas schnell überschwappen kann und übergreift. Niemand darf sich allzu sicher sein. Umso mehr müssen wir gegen jede Art von Hass vorgehen. Wir, die jüdische Gemeinde, sind da auch nicht blind und sehen es nicht nur auf uns bezogen: Der Dominoeffekt ist recht rasch greifbar.“

Breite Solidarität

Die Attacke auf Rosen hatte nicht nur in Graz Bestürzung hervorgerufen. Von Bundespräsident Alexander Van der Bellen abwärts bekundeten Vertreterinnen und Vertreter aus Politik und Zivilgesellschaft ihre Solidarität. Noch Samstagnacht nahmen rund 30 Menschen an einer Mahnwache bei der Synagoge teil.

Sonntagabend fanden sich dann rund 200 Frauen und Männer zu einer Solidaritätskundgebung zusammen – darunter auch zahlreiche Regional- und Lokalpolitiker. Die Menschen marschierten vom Grazer Hauptbahnhof zur Synagoge und sangen: „Schulter an Schulter gegen Rassismus“. Auf den Schildern und Plakaten war „Never again“ und „Never forget, never again“ zu lesen – mehr dazu in religion.ORF.at.